Xaver Engelhard - Partisanen

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Kreta während des Zweiten Weltkriegs: Der Archäologe Dr. Reinders soll im Auftrag des deutschen Propagandaministeriums beweisen, dass es sich bei den antiken Minoern um Arier gehandelt hat, während zur gleichen Zeit der Brite Gerald Finton-Macauley mit griechischen Partisanen einen Anschlag auf den Oberkommandanten der deutschen Besatzungstruppen plant. Die beiden Protagonisten stoßen nach verschiedenen Abenteuern aufeinander und arbeiten schließlich zusammen, um zu verhindern, dass die Wehrmacht eine Kirche voll Geiseln in die Luft sprengt.

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Partisanen

Xaver Engelhard

Impressum

Texte: © Copyright by Xaver Engelhard

Umschlag: © Copyright by Georg Engelhard Verlag: Xaver Engelhard

Wiener Platz 8

81667 München

Xaver.Engelhard@mnet-mail.de

Druck: epubli, ein Service der

neopubli GmbH, Berlin

Printed in Germany

Gesetzt aus der Malaga

Inhalt

I – Mai 1942 7

II – Oktober 47

III – Juni 71

IV – Oktober 108

V – Juli 134

VI – Oktober 156

VII – August 175

VIII – Oktober 195

IX – September 212

X – Oktober 245

XI – Die letzte Woche 282

I – Mai 1942

Die Klarheit des Winters, die an manchen Tagen die Berge im Norden und das Meer im Süden unmittelbar und in kleinste Details aufgelöst vor den Betrachter stellte, war zum ersten Mal in diesem Jahr dem sommerlichen Dunst gewichen, der alles Ferne verhüllte und die Tempelruine von der restlichen Welt löste und allein stehen ließ, erhaben und fremd. Die Säulen waren farblos, ganz greller Glanz und graue, mürbe Schatten, und sie flimmerten in der Mittagshitze, als wollten sie sich auflösen wie das Traumbild eines Fiebernden. Die Blätter der staubigen Olivenbäume waren erstarrt; die Sonne verharrte im Zenit; und nicht einmal die Eidechsen verließen ihre Verstecke. Die vier Deutschen hatten die Akropolis ganz für sich.

„Sehr schön!“, fasste der General zusammen, klopfte mit der Reitgerte gegen einen seiner Schaftstiefel und drehte sich noch einmal mit dem Stolz und der Zufriedenheit eines neuen Besitzers um. „Auch wenn das alles ziemlich heruntergekommen wirkt. Ich bin zuversichtlich, dass unser Tausendjähriges Reich die Zeiten besser überdauern wird.“

Der ihn begleitende Oberst der Luftwaffe lachte ebenso wie der Herr im leichten grauen Anzug, der gerade erst aus Berlin eingetroffen war und sich im letzten Augenblick der von der deutschen Botschaft organisierten Führung angeschlossen hatte. Nur Dr. Reinders von der Athener Abteilung des Archäologischen Instituts des Deutschen Reiches wandte sich mit einem gequälten Lächeln ab. Er hatte sich nicht lange gewehrt, als sein Chef, Institutsleiter Professor Hörbinger, den Auftrag, Offiziere der siegreichen Invasoren mit ein paar der Kulturschätze vertraut zu machen, die sie erobert hatten, an seinen Assistenten weiterreichte. Die Anmaßung aber, mit der die beiden Offiziere über die Ruinen stapften, ihre wohlwollende Herablassung den ihm so heiligen Stätten gegenüber, waren ihm zuwider. Und sie erinnerten ihn unwillkürlich an die Soldaten, die vor ein paar Monaten auf einem Balkon des Hotel Grand Bretagne gestanden waren und sich einen Spaß daraus gemacht hatten, den verhungernden Kindern unten auf der Straße eine Handvoll Rosinen zuzuwerfen, nur um zu beobachten, wie die Kinder sich um diese balgten und stritten und ihr letztes bisschen Kraft vergeudeten im Kampf um die Leckerbissen, die, selbst wenn es den Kindern gelang, einige davon zu ergattern, deren Tod höchstens um ein paar Stunden hinauszögerten. Schnapp schnapp schnapp! hatten die kleinen Mäuler gemacht und in die Luft gebissen wie die erstickender Fische, und sie gingen ihm nicht aus dem Sinn.

„Aber so viel verstaubte Kultur macht durstig!“, fuhr der General fort. „Dürfen wir die Herren Zivilisten zu uns ins Casino einladen? Dort können Sie sich mal so richtig die Ranzen vollschlagen, was hier, wie Herr Schedel als ein frisch aus der Hauptstadt eingetroffener Besucher vielleicht noch nicht weiß, ein nicht zu verachtendes Privileg ist. Oder, Reinders?“

Der dürre Dr. Reinders nickte pflichtschuldig. Ganz Athen hungerte; und von diesem Hunger waren allein die deutschen und italienischen Besatzungstruppen ausgenommen. Selbst die hier ansässigen deutschen Zivilisten blieben nur dank der Bemühungen der Botschaft vom Schlimmsten verschont. Die übrige Bevölkerung, die durch Flüchtlinge aus dem Norden und aus Kleinasien zu allem Überfluss stark angeschwollen war, musste um die immer knapper werdenden Vorräte kämpfen und auf den Märkten und in den Läden für die wenigen Lebensmittel, die die Hauptstadt erreichten, inflationär steigende Preise bezahlen. Überall streunten bettelnde, bis auf den geblähten Bauch stark abgemagerte Kinder herum; Männer, die in einem Sack sämtliche ihnen verbliebene Habe geschultert hatten, schlurften durch die Gassen; und auf dem Gehsteig hockten Frauen mit leerem, glasigem Blick und wussten nicht, wohin. Vor den wenigen Geschäften, die überhaupt noch Lebensmittel verkauften, standen teilweise mehrere Hundert Leute an. Jeden Morgen schoben Männer, die wandelnden Skeletten glichen, schwere Karren durch die Straßen und sammelten die Leichen der Verhungerten ein. Zehntausende waren bereits gestorben; und oft waren es Väter und Mütter, die das letzte ihnen verbliebene Essen den Kindern gegeben hatten, die bald als Waise in unruhigen Rudeln durch die Stadt streiften.

„Sie sollten das Angebot tatsächlich annehmen,“ riet Dr. Reinders dem blassen Herrn Schedel, der sich während der Besichtigung im Gegensatz zu den beiden Soldaten nicht die Mühe gemacht hatte, kulturgeschichtliches Interesse zu heucheln, und mit den Händen in der Tasche zwischen den Tempeln herumspaziert war und den wissenschaftlichen Erläuterungen nur beiläufig und mit einem ironischen Lächeln zugehört hatte. Gelegentlich trat er gelangweilt einen Trümmerbrocken ins Gebüsch. Er erweckte den Anschein, als versuche er nur, die Zeit tot zu schlagen. Dr. Reinders fragte sich, warum er unbedingt hatte mitkommen wollen, da ihm die antiken Ruinen und ihre Geschichte offensichtlich ganz egal waren.

„Sollte ich das, ja?“ Schedel musterte den Archäologen mit höhnischen Augen und ließ ihn spüren, dass es ihm nicht zustand, dem geheimnisvollen Besucher irgendwas zu empfehlen. „Vielleicht würde ich aber lieber zu Stavros gehen!“

Stavros war der Wirt der Taverne Hypnos, die schon unter dem Diktator Metaxas ein beliebter Treffpunkt der Mächtigen gewesen war und diesen Status auch unter den Invasoren, denen gelegentlich der Sinn nach griechischer Küche und kriecherischer Ehrerbietung stand, beibehalten hatte und deshalb einige Privilegien genoss, zuvorderst das regelmäßiger und reichhaltiger Lebensmittellieferungen.

„Im Augenblick eine der wenigen Alternativen, wenn Sie hier anständig essen wollen, habe ich mir sagen lassen.“ Dr. Reinders zuckte mit den Schultern. Schedel widerte ihn noch mehr an als die Offiziere. „Überall sonst laufen Sie Gefahr, Katzen oder Schlimmeres vorgesetzt zu bekommen, falls es überhaupt was zu essen gibt.“

„Sehr schön!“ Schedel rieb sich die Hände. „Ich habe gehört, es ist das Borchardt Athens. Haben Sie vielleicht Lust, mich dorthin zu begleiten? Unseren Herren Offizieren macht es sicher nichts aus, uns dort abzusetzen.“ Er blickte kurz zu dem General, aber der war in ein Gespräch mit dem Kollegen von der Luftwaffe vertieft. „Und keine Sorge: Ich lade Sie ein. Besser gesagt: Das Reich lädt Sie ein.“ Er genoss schmunzelnd Reinders’ Verwunderung und spürte vielleicht sogar etwas von den Gewissensbissen, die er mit dieser Einladung in seinem Gegenüber hervorrief, denn der Archäologe hatte das Hypnos bisher nicht nur aus Geldmangel gemieden, sondern auch wegen der Klientel, die dort verkehrte: Kollaborateure und Profiteure auf Seiten der Griechen, auf Seiten der Deutschen bräsige, selbstherrliche Offiziere, die vor allem Verachtung empfanden für das Land, in dem sie stationiert waren, und diese durch ihr Gehabe dauernd zum Ausdruck brachten.

„Ich weiß nicht recht. Ich habe viel zu tun.“

„Jetzt, im Krieg? Sind Sie etwa doch Soldat?“

War dies eine versteckte Drohung? Dr. Reinders’ Status als Unabkömmlicher war nur schwer zu begründen und beruhte allein auf den guten Beziehungen seines Chefs zur Botschaft. Ihn zu verlieren war Dr. Reinders’ größte Sorge.

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