Elle West
Die Partisanen
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Inhaltsverzeichnis
Titel Elle West Die Partisanen Dieses ebook wurde erstellt bei
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Impressum neobooks
Die Partisanen
Neunter März 2003
Der Nebel hing tief über dem Londoner Hafen. In den frühen Morgenstunden lief ein kleines, nahezu unauffälliges Schiff ein und legte an. An Bord des Schiffes war ein Mann, der im Untergrund so mancher Städte eine gewichtige Position inne hatte. Er versorgte die Mafia mit Waffen und sorgte dafür, dass Drogen durch jeden Zoll in die Stadt seiner Wahl gebracht wurden. Dieser Mann hatte so viele Feinde, wie er Verbündete hatte. Dennoch übernahm er nur die geringsten Vorsichtsmaßnahmen, die in diesem Geschäft unumgänglich waren, denn er zweifelte daran, dass einer seiner Feinde den Mut aufbrächte, ihn einem Attentat zum Opfer fallen zu lassen. Die meisten seiner Feinde würden wahrhaftig nicht den Mut aufbringen. Sie vertraten zumeist die Einstellung, dass es zwar unvorteilhaft war, Roberto Ristova seinen Geschäften nachgehen zu sehen, aber noch unvorteilhafter, sein Gefolge gegen sich aufzubringen. Alle wollten einen öffentlichen Bandenkrieg vermeiden, da durch solche Kriege auch stets die Polizei eingeschaltet wurde.
Orlando Santiago de Maliñana ärgerte sich, da er der Polizei in dieser Situation einen Gefallen tun würde. Er handelte im Auftrag seines Vaters, aber dieses kam ihm gelegen, denn seinen eigenen Geschäften war Ristova schon lange ein Dorn im Auge gewesen. Orlando gab sich für die Öffentlichkeit als ein deutscher Bankier mit Namen Alexander Schuster aus, im Untergrund nannte man ihn Aden Hall und nahm an, dass er ein Engländer oder vielleicht ein Italiener war. Nur seine Familie nannte ihn Orlando und auch nur sie kannten einen wahren Teil seiner Lebensgeschichte, wenn auch nicht jede Einzelheit. Orlando hielt nicht viel auf Vertrauen. Es war eine Lebenseinstellung geworden und bisher hatte sich sein Misstrauen bewährt.
Nun hielt er ein Scharfschützengewehr in der Hand, hatte ein winziges Loch in die Fensterscheibe vor sich geschnitten und beobachtete Ristovas Bewegungen. Sobald er sich ihm als Ziel bieten würde, würde Orlando seine Chance nutzen. Erst nach dem Mord würden Probleme für ihn auftreten. Roberto Ristovas Gefolgschaft würde seinen Mörder überall suchen und seinen Tod rächen wollen. Vermutlich würde ein Bandenkrieg ausbrechen. Orlando interessierten die Probleme der Banden jedoch nicht, auch wenn sein Vater Alejandró Santiago den Maliñana ein Mafiaboss war und ebenfalls eine große Gefolgschaft in Spanien unterhielt. Alejandró sah in Ristova einen Feind, da dieser begann, Geschäfte mit den Amerikanern zu machen und seine Karten gerade in den bevorstehenden Irakkrieg, der für alle politisch Interessierten absehbar war, mischen wollte. Somit hatte er seinen Sohn mit dem Mord an seinem Feind beauftragt. Orlando vermutete, dass sein Vater sich die Geschäfte mit den Amerikanern selbst sichern wollte und seinen Gegenspieler nur deshalb ausschalten ließ. Es war für ihn nicht von Bedeutung, denn er wollte Ristovas Tod aus einem anderen Grund. Dieser Mann war sehr einflussreich und er hatte bereits dafür gesorgt, dass Orlando zwei Geschäfte versagt geblieben waren. Diese Misserfolge ließ er nicht auf sich beruhen.
Er warf einen Blick durch das Zielfernrohr seines Gewehres. Die rundliche Figur Ristovas versuchte sich ungeschickt an Land zu retten. Zwei Männer streckten ihm die Hände entgegen und boten somit an, ihn an Land zu ziehen, ehe er ins Wasser fiel. Doch sie konnten es nicht verhindern. Ein Schuss fiel, ein einziger Schuss. Dieser hatte Roberto Ristova direkt ins Herz getroffen, ihn den helfenden Händen seiner Männer entrissen und ins kalte Wasser der Themse stürzen lassen.
Orlando nahm sein Gewehr herunter und begann es in Ruhe, wenngleich auch mit geübter Schnelligkeit, auseinander zu setzen und in seinem Koffer zu verstauen. Er hörte die aufgeregten Stimmen vom Hafen her zu sich herauf dringen. Ein Mann sagte auf Russisch, der Schuss müsse aus dem Hotel gekommen sein.
„Wie scharfsinnig.“, kommentierte Orlando sarkastisch.
Er klappte den Koffer zu, griff sich einen weiteren Koffer, zog sich seinen Mantel an und verließ das Hotelzimmer. Er hatte bei seiner Ankunft und der Buchung einen Namen angegeben, der vermutlich nicht existierte und alles in bar bezahlt. Der Namen, den er angegeben hatte, würde den Russen nur Rätsel aufgeben und sie nicht auf seine Spur führen. Um sich nicht durch die Potiers verraten zu lassen, veränderte er, noch während er mit dem Fahrstuhl hinunter zur Haupthalle fuhr, sein Äußeres. Er nahm den unechten Schnauzbart ab, ließ das falsche Gebiss in seiner Manteltasche verschwinden und entfernte das Toupet von seiner Glatze. Als er eingecheckt hatte, tat er so, als wäre sein linkes Bein verletzt gewesen und war auffällig gehumpelt. Auch hatte er eine unförmige Brille getragen, die er nicht gebrauchen konnte, da seine Augen hervorragend waren. Nun, wo er weder den unechten Bart, noch der restlichen Verkleidung ausgesetzt war, fühlte er sich wohler. Er fuhr sich mit der Hand über den kahl geschorenen Kopf und betrachtete sich in der Tür des Fahrstuhles. Er konnte nichts Deutliches ausmachen, nur ein braunes Gesicht und eine kräftige Schulterhaltung. Orlando blickte an die Decke des Lifts und wunderte sich erneut, dass man es versäumt hatte, Kameras zu installieren. Ihm selbst gereichte dies nun zum Vorteil, aber es wäre auch nicht viel umständlicher gewesen, hätte er seine Verkleidung schon im Hotelzimmer ablegen müssen.
Als er aus dem Fahrstuhl trat und sich in die Lobby begab, wunderte er sich, dass die Zeit ihm noch nicht davon gelaufen war. Er hatte sich immerhin nicht selbst zur Eile angehalten und stattdessen alles mit innerlicher Ruhe und geübtem Routineverhalten erledigt. Nun setzte er sich in die Lobby, schlug eine englische Tageszeitung auf und blickte über den Rand hinweg auf die Eingangstüren.
Es dauerte nicht lange und die russischen Begleiter Ristovas stürmten in die Halle. Die Männer hielten ihre Schusswaffen zwar nicht in den Händen, aber Orlando fand, dass es nicht zu übersehen war, dass sie welche besaßen. Er hörte einen Mann auf Russisch Anweisungen erteilen: „Ihr drei nehmt die Treppe! David und Georg, zum Hintereingang! Und ihr anderen durchsucht die Flure!“ Er selbst drückte den Knopf des Aufzuges und wartete, während seine Männer ausschwärmten.
Orlando wartete geduldig, bis der Aufzug seine Türen öffnete und der Russe dahinter verschwand. Dann erst erhob er sich und verließ das Hotel. Eigentlich hatte er erwartet, vor dem Hotel auf weitere Russen zu treffen, aber offensichtlich hatten diese an ihre Vorbereitung zur Suche nicht allzu viel Zeit verschwendet. Es war nicht zu verkennen, dass keiner von ihnen mit einem Mordanschlag auf ihren Boss gerechnet hatte. Orlando hatte sie überrascht und durfte nun die Vorzüge seines Erfolges genießen.
London war eine Stadt, die im Gegenteil zu seiner Heimat Santander, Spanien, stand. Während Santander den atlantischen Ozean und stetige Wärme zu bieten hatte, hatte London Kühle und die dreckige Themse. Orlando spottete nicht über diese Stadt, er genoss die Unterschiede vielmehr. Eines der Vorteile eines Kriminellen, war es, die Welt bereisen zu können. Orlando war den Kulturen und Sitten gegenüber stets tolerant und schickte sich an, die Sprache eines jeden Landes, das er bereiste, zu erlernen. So beherrschte er neben seiner Heimatsprache auch Französisch, Russisch, Deutsch, Englisch und Arabisch. Jedoch nicht alle gleich gut. Während es ihm leicht gefallen war, Russisch und Arabisch zu erlernen, hatte er sich besonders mit Deutsch und Französisch schwer getan und beherrschte Letztere noch immer nicht fließend. Vermutlich gab es dafür nicht einmal einen besonderen Grund, denn er drückte sich in jeder Sprache gleich gerne aus. Natürlich gab er dem Spanischen einen gewissen Vorzug, aber er war nicht annähernd so patriotisch, wie sein Vater es wünschte.
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