1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 Um hier die Brücke zu schlagen, wer diesen Orgelspieler Gott in der filigranen, ausziselierten Gestalt, sagen wir einmal einer Libelle, auch wenn sie anderes Kleingetier frisst, nicht mehr sieht, landet direkt in der Hölle. Dass wir nichts wissen können, so beginnt der Faust, was in krassem Widerspruch zur Wissenschaft steht, die behauptet, wie die Welt funktioniert wisse sie, zumindest vom Prinzip, wenn auch noch nicht ganz im Detail. Das ist der Faust, nichts anderes: die Welt ist von Gott, reine wasserklare Metaphysik. Um nicht das kleinste Zipfelchen, wo sich auf verschlungenen Wegen in der Natur etwas bewegt, wissen wir Bescheid. Damit ist Gott gewiss. Man müsste geradezu blind sein, ihn nicht zu sehen. Einzig und allein die Wissenschaft, die sagt, der Wald und die Wiese sei ein biochemischer Prozess, das alles sei Physik und Chemie, hält einen davon ab. Doch warum ist das alles so kompliziert? Fiele dem Menschen das Gute und die Erkenntnis der Welt wie eine reife Frucht in den Schoß, wäre er nicht frei - und damit kein Mensch. Er muss sich, was es mit dieser Welt auf sich hat, erarbeiten. Den Käfer Schopenhauers muss er sich erarbeiten, andernfalls guten Nacht. Spinosa sagt im Übrigen ganz dasselbe, betonte er doch, einen anderen Zugang zu Gott als die Natur gebe es nicht. In dieselbe Kerbe, wenn auch in etwas verklausulierter Weise, schlägt im Übrigen Heidegger, der zum Ende seines Lebens erkennen musste, das künftige Denken sei nicht mehr Philosophie, zumindest nicht die klassische Philosophie, verstanden als Spekulation, als die er sie kannte. Auch ohne dass er das so deutlich zum Ausdruck gebracht hat, was damit gemeint sein könnte, kann man erahnen, worum es geht. Zuerst einmal steht da die Natur.
Ließe man sich dann, wie es sich eigentlich gehören würde, dazu herab, den Tatsachen entsprechend zu beschreiben, was diese Natur wirklich macht, was mit Philosophie bis dahin noch nichts zu tun hat, würde man bei dem Versuch, die Ergebnisse zu interpretieren, sehr schnell merken, dass es da ohne Metaphysik nicht geht. Und gerade darum stiehlt sich heute die Philosophie herum, weil sie die Natur, so wie sie ist, gar nicht interessiert. Dieses urwissenschaftliche Prinzip, zuerst zu beschreiben, dann zu folgern, hat nie jemand wirklich interessiert, wozu also Philosophie? Davon, von beidem sind wir heute meilenweit entfernt. Die Natur als Dynamik, als ein unablässig Formen erschaffendes, spontanes sich Bewegen von Teilchen, gibt es heute nicht mehr. Die Theorien die man ansatzweise, wenn überhaupt, darum gesponnen hat, sind erbärmlich, nicht zu halten und mehr zum Lachen als sonst etwas. Kann man besser als Spinosa sagen, worum es geht, wir erkennen Gott in der Natur oder wir erkennen ihn nicht? Und was ist, wie die Naturwissenschaft behauptet, wenn es diesen Orgelspieler Goethes gar nicht gibt? Was wird dann aus Goethes Satz? Da tritt dann der Teufel nicht nur die Bälge, er übernimmt die Regie. Die Antwort war Hitler. Goethe würde sich im Grabe herumdrehen, wenn er erleben müsste, wie wenig man heute von seinem Faust versteht. Wenn wir die Sache mit Hitler nicht wie Hänsel von Hohenhausen in seinem Büchlein „Hitler und die Aufklärung“ sehr viel tiefer betrachten als heute üblich, begreifen wir nichts. Grausame Herrscher gab es seit je, einen wie Hitler nicht. Merken Sie, worauf ich hinaus will? Der Kampf um die Metaphysik, die Frage, ob es Gott nun tatsächlich gibt oder nicht, spitzt sich heute in einem Zeitalter, wo unsere Erde mehr bedroht ist als jemals zuvor, zu. Sie beantwortet sich mit dem Käfer und daran, ob wir ihn der sogenannten Naturwissenschaft, wie Schopenhauer es empfiehlt, entreißen.
Mit der Metaphysik, jener anderen Welt, von der ich spreche, in der es nur noch das Schaffende gibt, nicht mehr den Käfer, den man abfotografieren oder auf eine Waage stellen kann selbst, sind wir doch heute in einer durchaus komfortablen Situation. Hat die Wissenschaft mit Schopenhauers Käfer, von dem sie sagt, im Prinzip wisse sie, wie der funktioniert, Recht, gibt es sie nicht, hat sie es nicht, ist sie da. Um die Metaphysik zu spekulieren, oder philosophische Purzelbäume mit ihr zu schlagen, brauchen wir nicht. Gradmesser ist, was die Wissenschaft sagt auf der einen Seite, und was eine zuerst einmal beschreibende Wissenschaft dem entgegenzusetzen hat, auf der anderen. So einfach ist das. Erst diese Zeit mit ihren vielen Entdeckungen, die sie, gerade in der Biologie oder der neueren Physik, nicht auf die Reihe bringt, ist reif für Gott. Erst heute zeigt sich uns konkret anhand erwiesener Tatsachen, wie hoch diese Leiter ist, dass sie ins Unendliche reicht und wir sie, so sehr wir uns auch recken und strecken nicht erklimmen können, nicht die erste Sprosse. Viele Dinge, die heute so gewiss sind, wie die Hand vor unseren Augen, verstehen wir nicht mehr und zwar so, dass wir sie auch nie verstehen werden. Haben wir die Natur als das Unendliche, unserem Verstand nicht fassbare, erst einmal erkannt, ist es zur Erkenntnis des Guten nur noch ein kleiner Schritt. Im Angesicht einer Welt die wir nicht verstehen, weil sie buchstäblich zu hoch für uns ist, ist das Gute Weltengrund, nicht wie ihre Kollegen, die Existentialisten, meinen, eine Blähung des menschlichen Gehirns oder vielleicht eine Art biologisches Programm zur Aufzucht der Nachkommenschaft, wie man heute glaubt. Das ist sie dann, wenn wir gelernt haben, die Welt anders zu betrachten, eben nun mit Sicherheit nicht. Alleine, dass wir das Gute in einem sehr viel umfassenderen Sinne als die Biologisten denken können, ist dafür der sicherste Beweis. Anzunehmen, eine Welt, die so viel über uns steht, könnte das nicht, ist absurd.
Glauben Sie mir, der Gott früherer Zeiten hat nichts getaugt. Da war zwar die Natur von Gott, ihn gab es wirklich (auf eine sehr oberflächliche Weise) und trotzdem schlugen sich die Menschen den Schädel ein. Zumindest verhielt es sich in manchen Gesellschaften so, nicht in allen. Gott wirklich zu erkennen, war immer nur das Privileg weniger. Heute könnte es anders sein. Mit dem, was die Forschung zutage gefördert hat, scheitert sie jeden Tag neu, es wirklich zu verstehen. So wird dieser Gott Tag für Tag unter aller Augen größer, nur sieht es keiner, obwohl es so ist. Heute ist die Asservatenkammer erwiesener Fakten, die sich dem Menschen verweigern sie zu verstehen, bis zum Eichstrich voll. Wie wir die Natur als die Schaubühne, die sie ist, verdrängen, ist längst reif für Satire. Keiner der angelernten Sätze, die wir, um dieser Welt zu Leibe zu rücken, mit uns herum tragen, hält der Wirklichkeit stand. Bis jetzt gelingt es der Propaganda, uns davon fern zu halten, die Wirklichkeit als das in die Hand zu nehmen, was sie wirklich ist. Um diesen Widerspruch zwischen Anspruch, Behauptung und Wirklichkeit unter der Decke zu halten und die Flut von Erkenntnissen, die uns rätselhaft sind und dies auch bleiben, nicht ins Bewusstsein treten zu lassen, redet man uns heute das Gegenteil ein, man hätte schon viel erreicht, die Hauptarbeit sei getan und man käme der Wirklichkeit immer näher. Trotzdem ist das Zeitalter der Wissenschaft, die sich ohne jedes Recht Naturwissenschaft nennt, notwendig, auch wenn die Nacht vor Sonnenaufgang oft am dunkelsten ist. Geben Sie als intellektueller Geist, der Sie sind, zu, alle Philosophie bündelt sich, gleich wie wir sie beantworten, in der einen Frage, der nach dem Käfer, gehört er der Wissenschaft, oder gehört er ihr nicht? Kann sie ihn erklären, oder wächst ihr dieser kleine Kerl über den Kopf, kapituliert sie vor ihm. Bewegen sich die Atome und Moleküle in Schopenhauers Käfer von alleine, was man heute frivol als Selbstorganisation bezeichnet, oder sind sie zu dumm dazu und ohne externe Hilfe, was man in der Technik Steuerung nennt, läuft da nichts? Diese Frage, die nach dem Käfer, ist das philosophische Gold nach dem wir suchen. Sie schließt alle anderen mit ein. Tragisch nur, wenn die Philosophie diesen Zug verpasst. Ich glaube, wenigstens was die Frage anbelangt, liegt der Fall klar! Dann wissen wir wenigstens worum es in der Auseinandersetzung, die folgen wird, einmal geht.“
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