Haben wir heute im naturwissenschaftlichen Zeitalter wirklich ein gutes Gefühl? Oder ist da eine Ahnung, dass etwas Grundsätzliches nicht in Ordnung ist? Dass unsere Augen in irgendeiner Weise verbunden sind und irgendwann, möglichst weit in der Zukunft die Folgen uns einholen? Ist da in uns ein geheimes Wissen, wenn wir in unserem Garten arbeiten, auf einsamen Waldwegen unterwegs sind oder ein Kind uns anlächelt, dass alles ganz anders ist? Dass alles falsch ist, was man uns beigebracht hat und man uns eines Tages die Rechnung serviert. Wir ziehen Kraft aus diesen Dingen, auf eine tiefe, umfassende Art leben wir von ihnen. Nicht von Theorien, nicht von der Wissenschaft, nicht von all den Etiketten, die man gegen die Wirklichkeit eingetauscht hat und an die wir so gerne glauben. Wie eine Urgewalt lebt tief in unserem Innern die wahre Natur des Lebens, sie lässt sich nicht täuschen. Vielleicht ahnen wir, dass das Geld dieser Wissenschaft nichts wert ist und uns eine Wirklichkeit anblickt, geheimnisvoll, ratlos, fragend wie eh und je? Vielleicht ist die Welt zu groß für den Menschen und Wissenschaft als ihr Zuchtmeister ein schlechter Scherz. Vielleicht verhält es sich wie bei der Ameise, die nach Australien reisen wollte.
Vielleicht ist da ein fernes Ahnen, dass heute mit der toten Natur an die wir glauben, einer Natur, in der es in dem, was sie treibt das Höhere, dem menschlichen Verstand nicht fassbare, nicht geben darf, etwas so Grundlegendes aus den Fugen geraten ist, wie es grundlegender und weitreichender nicht gedacht werden kann. Was mit dieser Wissenschaft einzog, war in seiner Tragweite etwas so fundamental Neues, jeder geschichtlichen Parallele Enthobenes, in der Art einer Herausforderung als gäbe es kein darüber Hinaus. Der Ameise, dem Schmetterling ihr höheres Wesen abzusprechen, tausend Wetten stehen dagegen, dass es gelingt, doch es gelang, keiner weiß wie. Vielleicht wäscht man heute unsere Gehirne mehr als jemals in der Geschichte zuvor. Vielleicht ist unser innerer Zeiger dermaßen verstellt, dass wir nicht sehen, was die Stunde geschlagen hat und der Irrtum so groß, dass wir nun vor einem Tor stehen, hinter dem es ums Ganze geht. Vielleicht sollen wir dumm gemacht werden, das Unglaubliche für wahr halten, in der Hoffnung, dass man nicht nachfragt? Schön, wenn die Welt, wie wir sie heute sehen, Ewigkeit verspricht.
Von dieser sind wir aber sehr wahrscheinlich ein gutes Stück entfernt und es erhebt sich im Gegenteil die Frage, ob die Art, wie wir uns die Welt heute vorstellen, überhaupt Zukunft hat. Wir glauben uns aufgeklärt und ferner dem Mittelalter als je zuvor, vielleicht sind wir ihm näher als wir glauben und tiefer in Irrtum und Wahn verstrickt als wir für möglich halten. Wir glauben uns im naturwissenschaftlichen Zeitalter der Natur näher als je zuvor, vielleicht sind wir ihr ferner denn je. Vielleicht werden wir diese Erde vernichten, weil wir so wenig von der Natur wissen und von ihr verstehen. Vielleicht ist diese Zeit der sogenannten Aufklärung auch auf eine subtile Art gewalttätiger als alle Zeiten zuvor und man hält uns auf eine geschickte Weise von jenem Wissen fern, das wir so dringend bräuchten. Ja unter Umständen ist alles in einem grundlegenden Sinne anders als wir es denken und uns heute vorstellen können. Vielleicht leben wir im Zeitalter eines Fundamentalen Irrtums.
Ein kleines Unbehagen mag uns schon lange beschleichen, Versprechungen werden nicht eingelöst und immer neu werden wir von gefährlichen Entwicklungen überrascht im Persönlichen, wie im Ganzen des Planeten. Und auch was unser Empfinden gegenüber der Welt betrifft, das Grundgefühl unserer Existenz, ist da ein Bruch, von einem Eingebundensein in eine höhere Ordnung ist da nichts. So sind wir Geworfene, uns Vorfindende, beziehungslos, allein. So viel Ordnung ist in der Natur, wir sehen es nicht, für alles haben wir Geschichtchen, nach denen alles erklärt sei, dünne Geschichtchen mit einer aufgepappten Logik, dünn wie ein Rinnsal speisen sie ein Weltbild, das auf tönernen Füßen steht. Es ist ein Fundament ohne Statik, auf dem heute der Erdball ruht. Eine Aufklärung in flatternden Hosen. Vielleicht haben wir keine Zukunft, ohne dass unser Denken sich nicht von Grund auf wandelt.
Es kann nicht gut gehen, wenn wir die Welt für etwas halten, was sie nicht ist, und wenn sie gerade das wäre, was wir heute kategorisch ausschließen. Vielleicht glauben wir an Märchen, an Hexen, so irrational und aus einem Nichts hervorgeholt wie man es nicht für möglich halten sollte, Gespensterschiffe in Gestalt von Worten, die nichts besagen, auf Papier gekritzelt und doch gierig geglaubt. Vielleicht hat der Mensch dieses Zeitalters seinen Verstand mehr verloren als je zuvor, vielleicht kann man ihm heute alles erzählen und er glaubt es, wenn es nur Wissenschaft heißt. Vielleicht ist das, woran man am meisten glaubt der größte Betrug? Die Gesellschaft scheint frei, man braucht nicht mehr in Ketten zu legen, wer einem nicht gefällt. Millionen müssen heute ihr Auskommen finden. Sie werden immer das glauben, was man von ihnen verlangt, diese Art der Kontrolle funktioniert besser, als die Drohung mit Kerker oder Inquisition.
Aber trotz allem ist da etwas, das mahnt und uns sagt, dass es so nicht bleiben kann. Wer einer höheren Welt entstammt, wird nicht leben können, wenn er an eine niedere glaubt. Er wird unglücklich sein und er wird falsch handeln. Und können Lüge, Verrat und Betrug ewig bestehen? Es will einmal diese Sonne wieder auf Erden scheinen und erkannt werden, als das was sie ist. Jedes Gänseblümchen will einmal als das erkannt werden, was es ist, wie der Mensch neben uns auch. Wir ahnen und wissen, dass wir im Irrtum sind und dass er nicht ewig sein kann. Wenn die Lügen zu dreist und die Gefahren zu groß werden, ist es Zeit inne zu halten. Man lebt heute auf den Verbrauch und ist das Kapital aufgezehrt, war der Rest eben Schicksal. Wie man das Konto wieder füllt, weiß bis heute niemand. Oder wie man Schäden vermeidet.
In Denkfabriken zum Widerwillen gegen das Denken erzogen, ist uns nichts mehr lästig als das Denken. Was nicht schnell abgeht, taugt nichts, schneller als man bis drei zählen kann, ist es beiseite gewischt. So verlangen wir Unmögliches, weil wir die Gesetze der Natur nicht kennen, was nicht auf Knopfdruck funktioniert, begreifen wir nicht. Nichts halten wir heute für wahrer als die Wissenschaft, aber wir wissen nicht einmal zu sagen, was Wissenschaft ist. Wir haben über alles eine Meinung, was ist, wenn alles falsch wäre, so wie wir es denken? Vielleicht haben wir gar keine Wissenschaft, sondern das Gegenteil und was sich Wissenschaft heißt, ist ihr ärgster Feind.
Die Fähigkeit, die richtigen Fragen zu stellen, haben wir längst verlernt. Vor der Offenheit der Welt, der Unendlichkeit haben wir keinen Respekt, immer in der Illusion, einmal bei der letzten Frage angekommen zu sein. Merken wir nicht, dass wir uns der Sache nicht nähern, sondern von ihr entfernen, dass wir von der Auslage, die im Schaufenster liegt durch eine Scheibe getrennt sind? Was man uns anbietet, ist auf eine tief greifende Weise nichts wert. Wir nehmen dies hin, weil wir die Welt für nichts anderes halten als das Nichts. Wie wollte da etwas zu finden sein? Überall scheint es, dass man uns etwas gibt, doch nirgendwo bekommen wir etwas. Mit Mitteln und Maßnahmen versuchen wir Dinge zu erreichen, die so nicht zu erreichen sind. Unser Denken ist auf Grenzen genormt und wir sehen nicht die lächerlich kurze Strecke, wie weit es reicht. Vor allem akzeptieren wir Begründungen, die keine sind und sehen Dinge für erklärt, die sich in einem Nichts von Worten verlieren. Wir fragen nicht nach. So sind wir wie Strandgut, wie eine Flaschenpost, die ihren Absender vergessen hat, ihre Biografie nicht kennt, auf eine denkunwillige Art unhistorisch, unreflexiv. Nicht willens nachzuforschen, woher unser Denken kommt, wie es geworden ist und ob so zu denken in Ordnung ist.
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