Den Baukran, dass er nicht umfällt, oder, dass Wasser das Licht in einem bestimmten Winkel bricht, macht der Wissenschaft niemand streitig. Wodurch die Welt aus den Fugen geriet ist etwas anderes, es war der Tag, an dem man die Physik auf die Biologie übertrug. Man muss sich wundern, dass dies passieren konnte, lassen der feinstrukturierte Bau eines Schmetterlings oder die wohlgeformte Blüte einer Orchidee doch an alles andere denken als an Physik. Doch es geschah, obwohl da jedem, aber auch wirklich jedem, hätten Zweifel kommen müssen. Jemand einzureden, die Zeichnung auf dem Flügel eines Schmetterlings verdanke sich einem chemischen Prozess, ist gewiss nicht leicht. Doch ist die Skepsis, die hier aufkeimen sollte, uns an gedanklichem Aufwand heute schon zu viel. Die Botschaft, die ein Käfer, ein Schmetterling ein Baum, ein Kind eine sommerliche Wiese oder der Wald uns vermitteln, kommt bei uns heute nicht an. Heute gilt es als ausgemacht, dass die Natur tot ist und es Kräfte höherer Art, solche die unser Verstand nie begreift und auch nie begreifen wird, dort nicht gibt, ja es ist dies das Selbstverständlichste von der Welt. Mit dem Übertrag der Physik auf die Biologie, bekamen wir dann all die Probleme die wir heute haben, dass Gott tot ist, dass wir mit der Natur falsch umgehen und das Leben als eine Kraft nicht anerkennen. Für wen das Leben keine Kraft sein darf, der fühlt auch nicht mit ihr und dem Leben mit. Und er wird falsch handeln, sowohl gegenüber sich selbst, wie gegenüber der Natur im Ganzen.
Klar ist uns das in keiner Weise. Was man von Prominenten eben so wissen will, wurde Clint Eastwood einmal danach befragt, ob er ein Weiterleben nach dem Tod für möglich halte. Überlegen, wie sich dieser Mann stets gab, meinte er, das sei Wunschdenken, in solchen Sachen bleibe er rational. Andere bekannte Größen äußerten sich in ähnlicher Weise. So meinte der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt, man solle um ein Weiterleben nach dem Tode nicht viel Federlesens machen, in den Atomen und Molekülen würde man überleben und außerdem dienten diese ja dem Gras als Dung, dass es sprieße. So überlebt einer dann halt in den Atomen und Molekülen der Suppe, die er gestern gegessen hat. Der Kabarettist Dieter Hildebrand meinte gar, er fände sich dereinst in den Kohlenstoffatomen eines Autoreifens wieder. Sie alle haben den Materialismus der Biologie fraglos übernommen, und der Physik, und der Chemie, Fächern die ihnen selbst fremd waren, in Unkenntnis Fähigkeiten angedichtet, die sie innerhalb physiologischer Prozesse nie und nimmer besitzen. Gerade Menschen, die in der Schule mit diesen Fächern ihre Schwierigkeiten hatten, übernehmen, was ihnen die Wissenschaft sagt, ungefragt. Damit, dass sie von sich behauptet, eine Naturwissenschaft zu sein, ist für sie alles gesagt. Ihnen genügt allein dieses Wort Wissenschaft und dass einer nicht rational sein soll, der nicht an sie, die alles bestimmende glaubt. Erst kommt ja heute die Wissenschaft vor allem andern, wer oder was auch sonst? Wen soll man fragen, etwa Gott, ist doch heute jedem Schulbuben klar, dass der in Schopenhauers Käfer nichts zu suchen hat. Menschen wie Eastwood oder Helmut Schmidt waren Tatmenschen, sie waren ehrgeizig, zu etwas, das einer allgemeinen Übereinkunft entspricht in Opposition zu treten, etwas das sie in ihrem Vorwärtskommen hindern könnte, gar sich als Außenseiter zu erkennen zu geben, käme solchen Menschen nicht im Traum in den Sinn. Diese Menschen geben sich rational, sie tragen das wie ein Parfum mit sich herum. Dass da Gott in der Natur nichts zu suchen hat, haben sie begriffen, von den Fächern Mathematik, Physik und Chemie nichts.
Daran, was für wahrhaft phantastische Eigenschaften man Atomen, Molekülen und Zellen zuschreiben müsste, um sich von einer befruchteten Eizelle zu einem Käfer oder Schmetterling hin auf den Weg zu machen, haben sie nie einen Gedanken verschwendet. Wenn man in Rechnung stellt, auf welch verschlungenen Wegen Atome, Moleküle und Zellen da unterwegs sind, wird einem schwindlig, wenn man nur daran denkt. Durch den Spalt einer Tür, die eigentlich offen steht, haben sie nie geblickt, und genau da liegt heute unser Problem. Die metaphysische Schwärze, die uns umgibt, ein Gott der nichts taugt, eine Natur, von der wir glauben, wir hätten sie mit einem Wort wie Naturwissenschat im Griff, dass wir uns selbst für sterblich halten und uns über den Tod wundern, nicht jedoch über die Geburt (die das größere Rätsel ist), dass wir gefangen sind in einem System, das keine Logik besitzt und uns die Natur, in dem was sie wirklich ist, vorenthalten wird, all das verdanken wir der Biologie, die uns einreden will, einer höheren Welt für den Schmetterling und das Leben ganz allgemein, bedürfe es nicht. Auf den abgrundtiefen Atheismus, der mit einem Begriff wie Naturwissenschaft einhergeht, schwören wir heute Stein und Bein. Mit dem Käfer, der Ameise, dem Schmetterling wirklich beschäftigt, haben wir uns nie. Und nur deshalb hat das mit einer Naturwissenschaft, die wir angeblich besitzen, dann auch geklappt. Goethe kämpfte gegen den Ungeist einer Wissenschaft an, die den Käfer als den, der er tatsächlich ist, nicht im Mindesten interessiert. Er gab uns den Rat, uns mit der Natur zu befassen, in dem was sie tatsächlich ist. Die Mythen und Märchen, die man um die Biologie gesponnen hat, schwinden in dem Augenblick wie Schnee an der Sonne dahin, wenn wir uns diesen Käfer einmal zur Brust nehmen und ihn befragen in dem, was er wirklich ist.
Es ist an der Zeit, diese geradezu unglaubliche Gedankenlosigkeit an den Pranger zu stellen, macht der Käfer Schopenhauers als die Physik, beziehungsweise die Chemie die er sein soll, bei näherem Hinsehen doch eine reichlich schräge Figur. Das Kind, als es aus der Taufe gehoben wurde und man die Chemie und die Physik des Labors auf die Biologie übertrug, braucht einen Namen! Die seligen Zeiten, in denen Voltaire noch sagen konnte, „Wenn es keinen Gott gäbe, müsste man ihn erfinden; doch er existiert, die ganze Natur ruft es uns zu“, scheinen, seitdem man die Physik der Biologie ans Bein hexte und alle an dieses Märchen glauben, ein für alle Mal vorbei. Sie kommen wieder!
Man muss das dem „zwei plus zwei gleich vier Prinzip“ entreißen
Wahnsinn bei Individuen ist selten, in
Gruppen oder Gesellschaften die Regel.
Friedrich Nietzsche
Nennen wir ihn Paul. Paul war unterwegs im Wald. Er suchte nach einem Wort. „Wozu brauchst du ein Wort?“ fragte ihn eine Fee, eine wie sie dort überall sind, „such nach Pilzen, dann hast du was zu tun.“
„Nein, das Wort ist mir wichtiger, man hat es der Welt gestohlen“ entgegnete ihr Paul. „Jetzt ist, wo etwas sein sollte, nichts, und keiner merkt´s.“
„Ist doch gut, ein Wort weniger, die Welt ist groß, was soll´s.“
„So einfach ist das nicht.“ widersprach ihr Paul. „Worüber man reden müsste, kann man das nicht. Und je größer das Problem, umso größer der Schaden.“
„Da hast du auch wieder Recht“, meinte die Fee, und weil sie Wittgenstein gelesen hatte, war ihr klar, nur was ein Wort ist oder zum Wort wurde, ist wirklich da und man sagt Hallo. Menschen versammeln sich um ein Wort und sie diskutieren darüber, weltweit. Meinungen bilden sich und man tauscht Argumente. Und einer schreibt da sogar ein Buch. Ein Wort steht im Zweifel. Es fordert das Nein heraus. Alle stehen um es herum, und man hört rufen, seh ihn an, den Lügner. Wie soll das möglich sein, wenn es das Wort gar nicht gibt? „Ganz klar, ohne ein Wort geht nichts, bei euch Menschen ist das so, wir Feen wissen das“, räumte die Schöne ein. „Pilze sammle ich morgen, heute geht mir´s ums Wort.“
„Muss ziemlich wichtig sein, dein Wort, du hast mich neugierig gemacht. Sag mir, worum es geht.“
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