Aber genau diese Gespräche sind es wohl, die Friedel Hoppe gesucht hat. „Ich wollte den Kontakt zu Menschen nicht abreißen lassen“, sagt er zu Begründung, warum er sich nach seiner Pensionierung nicht aufs Altenteil begeben hat. Millionär könne er mit seiner Gaststätte nicht werden, sagt Hoppe augenzwinkernd. „Aber wenn man kein Minus macht und Spaß hat, ist alles in Ordnung.“ Den Spaß hat auch Ingrid Hoppe, wie sie sagt. Am Anfang habe sie sich mit der Idee einer eigenen Kneipe nicht anfreunden können. Sie arbeitet noch nebenbei.
Den Traum einer Kneipe hat Friedel Hoppe lange geträumt, obwohl er nie ein regelmäßiger Kneipengänger war. Früher sei er mit Kollegen mal im Krummen Ellbogen eingekehrt, erzählt er. „Der Unterschied zu einer Eckkneipe ist, dass hier niemand nach einem Skat-Spiel oder einem Knobel-Becher fragt“, sagt Hoppe. Auch andere Unterschiede fallen sofort ins Auge beziehungsweise in die Nase. Im Vesperstübchen wird nicht geraucht. Und obwohl Friedel Hoppe eine Reihe erlesener Brände auf einem Regal hinter der Theke hortet, wird so gut wie nie Schnaps ausgeschenkt. „Ich habe hier noch nie jemanden gesehen, der richtig betrunken war“, sagt Hoppe.
Dennoch kann es sein, dass manch ein Gast des Vesperstübchens doppelt sieht. Nämlich dann, wenn Holger Siegert an der Theke sitzt. Der 62-Jährige sieht Friedel Hoppe zum Verwechseln ähnlich. Siegert erzählt lachend, er sei mal von der gemeinsamen Postbotin mit „Friedel“ angesprochen worden. Von vielen Menschen werden sie für Brüder gehalten.
Die „Brüder“ leben beide in Hasbergen. Aber mindestens einmal in der Woche sitzt Holger Siegert im Vesperstübchen. Dann wird nicht nur über Fußball geredet, sondern auch über Persönliches. Siegerts Frau ist am 11. Oktober gestorben. Friedel Hoppe war in der Zeit der Trauer, die sichtlich noch nicht abgeschlossen ist, eine Stütze. „Das ist mir wichtig, dass er zugehört hat“, sagt Siegert. Hoppe meint, er setze an eine Freundschaft eine hohe Messlatte. Deswegen habe er zwar viele gute Bekannte, aber kaum Freunde. Dass er in schlechten Zeiten für jemanden da ist, gehört für ihn zur Freundschaft dazu.
Wenig Zeit zum Reden haben die Hoppes nach Trainingsschluss. Dann stürmen durstige Sportler ihr Lokal. Manchmal muss Hoppe sie auch während der Leibesübungen bedienen. Er erzählt schmunzelnd von einer Truppe Volleyballer, denen er in einer Spielpause 15 Pils serviert. Mit dem Spruch: „Komm mal in einer halben Stunde wieder“, wird er dann weggeschickt. „Nach dem Training trinken die aber alle nur noch Wasser und Schorle“, sagt Hoppe verwundert. Erst später gibt es für die Sportler, die laut Hoppe um die 80 Jahre alt sind, noch einen Absacker. Die Herrschaften bleiben noch bis kurz vor Mitternacht.
Donnerstags sitzen die Gymnastik-Damen am Stammtisch im linken Eck am Fenster – und das schon seit vier Jahrzehnten. „Wir sind die Jungseniorinnen“, sagt Uschi, die das Durchschnittsalter der Gruppe mit „65 plus“ angibt. „Wir sind der harte Kern des OTB“, meinen die fröhlichen Damen, die sich nach dem Sport mit alkoholfreien Getränken erfrischen.
Bei den Hoppes fühlen sie sich wohl, sind sie sich einig. „Die Kantine ist ganz wichtig für uns“, sagt Diethild. Dort werden der Zusammenhalt, der Kontakt und der Austausch gepflegt. Und das macht die Damenrunde auf eine sehr lebendige Weise. Gesprächsstoff scheint es im Überfluss zu geben.
Etwas ruhiger geht es in einer Männerrunde zu. Dort sitzen Hans, Siegfried, Wolfgang und Horst auch nur zu viert. Sie machen ein Training mit spezieller Rückengymnastik beim OTB. Siegfried erzählt, er ist Mitglied einer Truppe, die eine Dreiviertelstunde Gymnastik, eine Dreiviertelstunde Volleyball und eine Dreiviertelstunde Fußball spielt. „Wir müssen fit bleiben“, sagt der 71-Jährige. Mit der Truppe sei er alt geworden. „Und wir wollen so lange Sport machen, bis wir umkippen“, scherzt er.
In der Männerrunde sitzt der olympische Geist mit am Tisch. (Uwe Lewandowski)
Ins Vesperstübchen kommt Siegfried, um seinen Mineralhaushalt nach dem schweißtreibenden Sport wieder auszugleichen, sagt er. Auf dem Tisch steht auch mal ein Pils. Mehr aber nicht. „Die Schnapszeit ist vorbei“, meint Hans. Wolfgang fügt an, die Gaststättenstruktur habe sich sehr verändert. „Das ist schade“, meint er. Hans pflichtet ihm bei: „Heute hat jeder eine Kiste Bier im Keller und guckt alleine zu Hause Bayern München. Deswegen sind viele Kneipen kaputtgegangen.“ Das Vesperstübchen, so hoffen alle Stammgäste, soll noch lange erhalten bleiben. Die Tür, so sagt Friedel Hoppe, stehe jedenfalls nicht nur OTB-Mitgliedern offen.
Vesper Stübchen
Inh. Ingrid Hoppe
Obere Martinistr. 50
49078 Osnabrück
Tel. 0541/97048681
02. Januar 2013
Die Kneipe Zum Findling steht für die „Generation Herrengedeck“
Osnabrück. Am Sonntagvormittag ist die Gaststätte Zum Findling fest in Männerhand. An mehreren Tischen wird geklönt, gelacht und Karten gekloppt. Ohne Kellnerin Monika Schramm jedoch würden die Herren in der Kneipe von Klaus-Dieter Luzer nicht nur auf dem Trockenen sitzen. Manche kämen nicht mal nach Hause.
Nach der Karmann-Pleite hat Klaus-Dieter Luzer die Kneipe Zum Findling übernommen. (Jörn Martens
Während aus der einen Ecke immer wieder Gelächter herüberschallt, dringen aus der anderen Ecke nur selten Laute in den Schankraum. Hier wie dort sitzen Männer mit „Herrengedecken“ (Pils und Korn) um einen Tisch. Dort tagt der Fanclub der Damen-Mannschaft der TSG Burg Gretesch, da wird Doppelkopp gespielt.
Jeden Sonntag treffen sich Helmut Krolik (61), Reinhardt Düttmann (69), Achim Morchel (62) und Erwin Luzer (76) um 10 Uhr zum Kartenkloppen. Dann müssten sie nicht in die Kirche gehen, frotzelt einer. „Wir gehen da hin, wo die Gebetsbücher Henkel haben“, sagt Helmut Krolik, und jetzt ertönt auch aus der Doppelkopp-Runde schallendes Gelächter.
Zum Doppelkoppspielen kommen Helmut Krolik, Reinhardt Düttmann, Achim Morchel und Erwin Luzer jeden Sonntagvormittag in den Findling. (Jörn Martens)
Seit drei Jahren trifft sich das Quartett in der Kneipe von Erwin Luzers Sohn. „Nach einer gewissen Zeit weiß man, wer falsch spielt und wer nicht“, sagt Krolik. „Wenn sich einer verspielt oder nicht bedient, muss er eine Runde schmeißen“, erklärt Achim Morchel die wichtigsten Spielregeln. Dann gibt es einen Kurzen, Korn oder Weinbrand.
Der Alkohol hinterlässt keine Wirkung, sagen die Herren. Wie viel sie pro Frühschoppen trinken, wollen sie nicht verraten. Gegen Mittag würden sie aber „vernünftig“ nach Hause gehen – das Essen steht pünktlich auf dem Tisch. Krolik zieht bisweilen weiter. Wenn der SC Lüstringen spielt, geht er auf den Fußballplatz. „Ich habe jahrelang in der Ersten gespielt“, erzählt er. Der Stolz in seiner Stimme ist unüberhörbar.
Der Fußballplatz ist auch Anlaufpunkt von Friedel Haseköster, Detlef Winkelmann, Hermann Wiesehahn, Jörg Große-Heitmeyer und Klaus Schramm. Die fünf Herren gehen jedoch nicht zum SC Lüstringen, sondern zur TSG Burg Gretesch und unterstützen die Regionalliga-Mannschaft der Frauen. Sie nennen sich „Die Linner Luxe“, weil sie aus Bissendorf-Linne kommen.
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