Das Amtszeichen ertönte, der Polizeipräsident hatte aufgelegt. Noch immer ungehalten, knallte der Kommissarden Hörer auf die Gabel.
„Immer diese Extrawürste!“, knurrte er. „Beziehungen müsste man haben… einen Minister im Bekanntenkreis oder so was. Aber so ein kleiner Kriminalbeamter zappelt immer und ewig an den Fäden der Bürokratie.“ Und mit einem Blick zu Faber und Spier fuhr er fort: “Überlegen Sie es sich gut, meine Herren, ob Sie nicht doch lieber Bäcker werden wollen. Sie sind noch jung genug, einen vernünftigen Beruf zu ergreifen.“
Faber grinste. „Mir gefällt’s hier ausgezeichnet, Chef.“
„Ja, besonders bei Ihnen“, fügte Spier im gleichen Tonfall hinzu.
„Na, wenn Sie so große Stücke auf mich halten, darf ich Sie nicht enttäuschen. Wie wär’s, wenn wir uns mal an die Arbeit machten?“
„Ich denke, wir dürfen nicht, Chef“, wandte Spier ein.
Kadok lächelte verschmitzt. „Eingreifen dürfen wir allerdings nicht, aber das Denken kann uns kein Minister verbieten und auch nicht die Bildung einer Sondergruppe zur Untersuchung des Falles.“
Die beiden Inspektoren grinsten.
„Übrigens, Chef, was ich noch sagen wollte“, fiel Faber ein, „der Brief, den die Entführer geschrieben haben… Ob es nicht doch möglich ist, ihn zu bekommen – oder wenigstens den Umschlag?“
„Sie denken an Fingerabdrücke?“
„Ja, wahrscheinlich hat der Schreiber Spuren hinterlassen, und die können wir mit Fingerabdrücken in unserer Verbrecherkartei vergleichen. Wenn wir Glück haben, kennen wir bald den oder die Täter.“
„Hm, aber erst müssten wir mal an den Brief rankommen. Frau Brinkmann hat ihn mir nicht geben wollen, obwohl ich sie darum gebeten hatte.“
„Ihr Mann scheint mir zugänglicher zu sein“, wandte Spier ein. „Und außerdem ist der Brief an ihn gerichtet.“
Der Kommissar nickte. „Versuchen wir’s mal.“
Er griff zum Hörer und ließ sich mit Brinkmann verbinden.
„Ich wollte Ihnen sagen, dass ich inzwischen Bescheid weiß“, erklärte er dem Vater des entführten Kindes. „Ich kenne die Vollmacht, die der Innenminister Ihnen erteilt hat. Selbstverständlich werden wir uns daran halten. Sie und Ihre Familie können wegen der Rückkehr Ihres Sohnes mit den Entführern frei verhandeln. Sobald das Kind wieder bei Ihnen ist, greifen wir ein. Damit wir uns inzwischen darauf vorbereiten können, möchte ich Sie um den Brief und Umschlag bitten, den die Entführer Ihnen geschrieben haben. Wir wollen sie im Labor nach Fingerabdrücken untersuchen lassen.“
Brinkmann antwortete nicht sofort. Stattdessen hörte der Kommissar mehrere andere Personen heftig durcheinander reden, und er glaubte darunter die Stimmen von Brinkmanns Frau und Vater zu erkennen. Deshalb erkundigte er sich:
„Hallo, Herr Brinkmann, sind Sie noch da? Haben Sie mich verstanden, oder können Sie jetzt nicht frei reden?“
Jetzt endlich meldete sich Brinkmann wieder: „Bedaure, Herr Kommissar, ich kann Ihrem Wunsch nicht entsprechen. Der Innenminister hat uns zugesichert, dass die Polizei sich nicht einschaltet.“
Noch ehe Kadok zu Wort kam, hatte der andere das Gespräch schon beendet.
„Abgeblitzt“, sagte der Kommissar zu seinen Mitarbeitern. „Es wäre besser gewesen zu warten, bis die übrigen Familienmitglieder das Haus verlassen hätten. Brinkmann allein hätte ich vielleicht rumgekriegt.“
„Immer dieser Alte!“, schimpfte Faber.
„Alte Leute sind oft halsstarrig“, schmunzelte der Kommissar. „Das sieht man an mir.“
Die beiden jungen Männer lächelten.
„Was nun, Chef?“, wollte Spier wissen.
„Da weitermachen, wo wir aufgehört haben, das heißt, den Fall in Gedanken weiterspielen.“
Die Erörterungen führten nicht weit. Alles musste so lange Theorie bleiben, solange sie keine Spuren, Hinweise, Zeugenaussagen oder andere Anhaltspunkte in Händen hatten. Nach einer Stunde sagte Kadok zu seinen Mitarbeitern:
„Machen wir Feierabend für heute. Wir werden noch Zeit genug haben, uns darüber den Kopf zu zerbrechen. Mehr Zeit als uns lieb ist, fürchte ich. Meine Frau hat heute Abend Eisbein mit Sauerkraut gekocht, auf meinen Wunsch hin. Und Sie, meine Herren…?“
„Ans Essen denke ich weniger“, griente Spier. „Meine Freundin wartet auf mich – schon über eine halbe Stunde.“
„Die wird ganz schön sauer sein, wie?“
„Ja, Chef, während Sie sich auf Ihr Eisbein freuen, muss ich mir überlegen, wie ich bei meiner Freundin wieder gutes Wetter mache.“
„Gehen Sie mit ihr essen“, schlug der Kommissar schmunzelnd vor
Sie hatten noch nicht das Büro verlassen, als sich Brinkmann telefonisch meldete.
„Ja, was ist los?“, erkundigte sich Kadok überrascht.
„Entschuldigen Sie bitte mein sonderbares Benehmen vorhin, Herr Kommissar. Ich war etwas unhöflich zu Ihnen, aber wie ich Ihnen schon sagte, war ich nicht allein. Als die anderen heraushörten, dass ich mit Ihnen telefonierte, da blieb mir nichts anderes übrig, Sie verstehen?“
„Natürlich, und was ist mit dem Brief?“
„Ach so, ja, ich will’s versuchen, aber es wird nicht leicht sein. Wenn meine Frau den Brief vermisst oder sonst jemand…“
„Der Umschlag würde mir vorerst genügen.“
„Gut, aber versprechen kann ich Ihnen nichts. Ich rufe Sie eigentlich aus einem anderen Grund an. Vor etwa zehn Minuten habe ich einen Anruf erhalten.“
„Von wem?“
„Von einem Mann. Er sagte, unser Sohn Erich befinde ich in seiner Gewalt. Es gehe ihm gut, und er lasse uns grüßen.“
„Kennen Sie die Stimme des Mannes?“
„Nein.“
„Hat er nicht irgendetwas gesagt, was uns einen Anhaltspunkt geben könnte, wo sie den Jungen gefangen halten?“
„Er hat nur die Forderung von einer Million DM Lösegeld bestätigt und nochmals vor der Polizei gewarnt.“
„Sonst nichts?“
„Er will sich wieder melden, hat er zum Schluss gesagt – und dann aufgelegt. Ich wollte Ihnen das sagen, denn Sie wissen ja, dass ich nicht die Meinung unseres Familienrats teile.“
„Ich danke Ihnen sehr, Herr Brinkmann. Bitte, ich will Sie nicht in Gewissenskonflikte bringen, aber es wäre für uns und für Sie außerordentlich wichtig, die Stimme des Anrufers auf Tonband festzuhalten. Wahrscheinlich wird er Sie wieder anrufen. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn ich Ihnen einen meiner Mitarbeiter ins Haus schicken dürfte, der nur die Telefonanrufe überwachen und aufzeichnen soll.“
„Sie wissen, dass wir die Polizei nicht einschalten wollen?“
„Das wird auch nicht geschehen, Herr Brinkmann, mein Wort darauf! Wir wollen uns nur so gut wie möglich für die Stunde rüsten, in der wir eingreifen dürfen – nachdem Sie Ihren Sohn wieder gesund zu Hause haben.“
„Wenn Sie meinen, dass das nicht auffällt… Es könnte doch gut sein, dass die Verbrecher mein Haus beobachten lassen.“
„Mein Mitarbeiter wird dafür sorgen, dass sein Besuch nicht auffällt. Wenn Sie ihm den Umschlag geben könnten – er weiß schon, wie er ihn mir zukommen lässt.“
„Gut, Herr Kommissar, ich bereite meine Frau vor. Wann kommt Ihr Mitarbeiter?“
„In einer halben Stunde. Und Kopf hoch, Herr Brinkmann, es wird schon alles gut gehen.“
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