Der Käpten stellt sich vor
Das kommt vom Schmökern
Ein Teufelskerl, dieser Pietje
Der Ritt auf dem Rumfass
Rum ist gut gegen – Haie
Pietjes rettender Einfall
An der Nase herumgeführt
Flaschenpost von Enterbilly
Pietje überlistet Kaperconny
Eine verzwickte Geschichte
Harte Nüsse und harte Bräuche
Pietjes Trick mit dem Tau
Tschüs! und ahoi!
Käpten Rumbuddel und Pietje
Helmut Höfling
Copyright: © 2013 Helmut Höfling
published by: epubli GmbH, Berlin www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-6087-8
Der Käpten stellt sich vor
Tja, meine lieben Freunde, bevor wir gemeinsam in See stechen, um die verwegensten Abenteuer aller Zeiten zu erleben, möchte ich mich euch erst einmal vorstellen. Also macht zunächst mal die Augen fest zu. So, und was seht ihr jetzt? Richtig – mich! Ja, genau! Was da vor euch steht, sozusagen vor eurem geistigen Auge, das bin ich – euer Käpten Rumbuddel: das runde Gesicht mit der Kapitänsmütze obendrauf. Und das, was ihr vielleicht für Sauerkraut haltet, ist mein Bart. Wenn ihr scharf hinschaut, erkennt ihr mittendrin auch noch eine dicke Knolle: meine Nase.
Manche Leute behaupten, sie sei so rot, weil ich sie zu oft und zu tief in ein Glas Rum hineinstecke. Deshalb haben sie mir auch den Spitznamen „Käpten Rumbuddel“ gegeben.
Aber die Wahrheit ist: Ich habe mir mein Leben lang den Wind der drei Weltmeere um die Nase wehen lassen, wie sich das für einen waschechten Seebären gehört. Da ist es kein Wunder, dass sie manchmal wie ein Lampion glüht.
Und Abenteuer habe er erlebt…!
Es gibt wohl auf allen Meeren keinen Käpten, der so viele haarsträubende Dinge gesehen hat wie ich. Und was das Erstaunlichste dabei ist: Meine Geschichten sind alle wahr, wenn sie für die Ohren von Landratten manchmal auch noch so unglaublich klingen.
Wer aber wie ich sein Leben lang zur See gefahren ist, der weiß, dass ein Seemann oft die unwahrscheinlichsten Abenteuer erlebt. Landratten erzählt er davon nur ungern, weil sie nämlich denken, er spinne Seemannsgarn. Nur wenn ein Seemann seine Nase ausnahmsweise mal ein bisschen zu tief ins Rumglas gesteckt hat, wird er hin und wieder gesprächig. Oder er vergreift sich sogar an Feder und Papier und schreibt seine Erinnerungen für die Nachwelt nieder – so wie ich hier.
Aber nun wollen wir nicht länger vor Anker liegen, sondern gleich in See stechen.
Halt! Ich hab noch vergessen, euch zu sagen, wie unser Kahn heißt: Fliegende Möwe. Es ist ein stolzes Segelschiff mit drei Masten. Ich habe es deshalb so getauft, weil es so schnell auf den Wogen dahingleitet wie eine Möwe durch die Luft.
Wir segelten also eines Tages wieder auf hoher See. Niemand von uns ahnte, dass wir schon bald eines der tollsten Abenteuer erleben sollten – auch nicht Smutje, unser dicker Koch, und nicht der Schiffsjunge Pietje, der gerade in die Kombüse trat.
„Was gibt’s denn heute Mittag zu essen, Smutje?“, fragte der Schiffsjunge.
„Fisch und Kartoffeln“, brummte der Koch.
Der Junge rümpfte die Nase und meinte: „Jeden Tag das gleiche. Wenn Sie wenigstens mal den Fisch anders machten, statt ihn immer nur zu braten. Auf die Dauer hängt einem der Bratfisch zum Hals raus.“
„Umso besser! Dann sparen wir heute eine Portion.“
„Wieso?“
„Deine!“
Pietje zog ein schiefes Gesicht, als er sah, dass der Koch ihn schadenfroh auslachte.
„Hunger hab ich trotzdem!“, knurrte der Junge. „Ich meine bloß, wenn Sie mich mal den Fisch kochen ließen. So was Leckeres haben Sie noch nie gegessen!“
„Eigentlich müsste ich dir je eine runterhauen“, antwortete der Koch, „weil du so frech bist und mir altem Seebären Vorschriften machen willst. Aber von mir aus koch, was du willst! Ich habe heute sowieso noch genug Arbeit im Laderaum.“
Damit hatte Smutje zweifellos Recht. So groß ist die Fliegende Möwe nun gerade nicht, dass ein Koch voll beschäftigt wäre. Unser Smutje kochte, wenn es Zeit dazu war, und in den übrigen Stunden arbeitete er an Deck oder im Laderaum. Da er an jenem Tag sowieso keine große Lust zum Kochen hatte, kam ihm Pietjes Angebot sehr gelegen.
„Ich werde ein Essen auf den Tisch zaubern, das sich sehen lassen kann!“, brüstete sich der reichlich vorwitzige Schiffsjunge.
Smutje griente und meinte: „Ich lasse mich überraschen. Und wenn’s nach sauren Heringsschwänzen schmeckt, kann ich dir ja immer noch die Hose stramm ziehen.“
Tja, so fing die Sache an mit Smutje und Pietje.
Kaum hatte der Koch die Kombüse verlassen, da machte sich der Junge auch schon mit wahrem Feuereifer an die Arbeit. Er schuppte die Fische schön sauber und nahm sie aus. Dann legte er sie in einen Topf mit wenig Wasser, schnitt Möhren, Zwiebeln und Sellerie dazu und ließ alles auf dem Herd dünsten. In einen zweiten Topf schüttete er Kartoffeln, und da es Pellkartoffeln werden sollten, brauchte er sie nicht erst noch zu schälen.
Nun dauert ja alles seine Zeit, bis es gar ist. Und Pietje wurde es zu langweilig, immer vor dem Herd zu stehen und zu warten. Deshalb nahm er sich einen Indianerschmöker, hockte sich in eine Ecke und begann zu lesen. Es muss ein verflixt spannendes Buch gewesen sein! Jedenfalls hatte unser Pietje nur noch Augen und Ohren für den Schmöker.
Und seine Nase…?
Tja, die klebte so fest an der Indianerfährte, dass Pietje nicht roch, was in der Kombüse stank: die Fische nämlich und die Kartoffeln. Sie waren so angebrannt, dass sie schwarz wie Kohlen aussahen! Erst als Smutje die Tür aufriss und mit einem Donnerwetter in die Kombüse reinplatzte, merkte der Junge, was los war.
„Du Satansbraten, nennst du das kochen? Aus der Kombüse kommt ein Qualm, als stände das Schiff in Flammen! Ich hab’s sogar unten im Laderaum gerochen.“
Erschrocken sprang Pietje auf und starrte den Koch verdattert an. „Ich – ich -“, stammelte er. „Es können nur die Kartoffeln sein.“
Da hob der Koch den Deckel vom Topf ab, in dem die Fische waren, und rief:
„So, und was ist hier mit den Fischen? Von denen ist auch nicht mehr übrig als schwarzer Dreck.“
„Die können gerade erst angebrannt sein. Ich hab die ganze Zeit dabeigesessen“, entschuldigte sich Pietje. „Sonst hätte ich doch was riechen müssen.“
„Wahrscheinlich hast du dir seit Jahren die Nase nicht mehr geputzt.“
Der Junge wollte aufbrausen. Aber er schluckte seine Antwort hinunter, als er den lauernden Blick des Kochs bemerkte, der etwas entdeckt zu haben schien.
„Sag mal, du Lausejunge, was hältst du denn da dauernd hinterm Rücken versteckt?“
„Ich…?“, fragte Pietje mit dem unschuldigsten Gesicht von der Welt. „Ich – eh -“
„Also, was ist das?“
„Das – das ist nichts, Smutje. Wirklich rein gar nichts!“
Mit einem Satz sprang der Koch auf den Jungen zu und entriss ihm das Indianerbuch. Er hielt es Pietje dicht unter die Nase und schimpfte:
„Nichts, sagst du? Das sieht aber verdammt nach’ nem Schmöker aus! Darin hast du wohl die ganze Zeit gelesen?“
„Nur ’n bisschen, Smutje.“
„Und wir sollen jetzt das angebrannte Zeug runterwürgen, wie?“
Zerknirscht stand der Junge da. Er war sich seiner Schuld bewusst, und da er die Scharte gern auswetzen wollte, schlug er Smutje rasch vor:
„Ich kann ja sofort was anderes kochen.“
„Dazu hast du leider keine Zeit mehr, mein Junge“, erklärte der Koch mit einem unheilvollen Grollen in der Stimme. “Denn zunächst werde ich dir das Schmökern in der Kombüse ein für alle Mal gründlich versalzen.“
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