Impressum:
Copyright: © 2019 Denise Devillard
Verlag: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.de
ISBN: 978-3-750276-66-6
Inhaltsangabe:
Das Buch ist die Lebensgeschichte einer über 40 jährigen Frau, die durch ihre Liebe zu einem jungen Mann völlig aus den Fugen gerät. Sie hat ihr ganzes Leben sehr viel Leid und Schmerz erlebt und ist nun an dem Punkt angekommen, wo sie niemandem mehr vertraut und sich von der Welt da draußen zurückzieht. Sie war stets eine Kämpferin, aber nun hat sie keine Kraft mehr, zu kämpfen. Sie versucht, ihr Leben und all das, was passiert ist, aufzuarbeiten mithilfe ihres Therapeuten in der Klinik, in die sie selbst freiwillig gegangen ist. Bis sie auf jemanden aus der Vergangenheit trifft, den sie einst sehr geliebt hatte….
Melissa
Leben mit Vergangenheit
Nach einer wahren Geschichte
von
Denise Devillard
Sie starrte aus dem Fenster. Die Regentropfen hinterließen Spuren an der Scheibe. Ihr Blick fiel auf den Horizont ins Nirgendwo.
Sie fühlte sich leer und allein. Sie konnte nicht hinaus aus diesem Haus, in dem sie war, doch sie wollte es auch gar nicht.
Sie fühlte sich hier sicher, obwohl es eine sehr kalte Ausstrahlung hatte dieses große Haus, in dem sie nun ihr Zimmer hatte. Lange leere Gänge,
große Hallen mit Marmorböden, die nichts als Kälte ausstrahlten.
Und doch war es der einzige Platz, an dem sie sich sicher fühlte. Sie hatte sich schon lange zurückgezogen von dieser Welt da draußen.
Sie hatte jahrelang gekämpft und doch verloren. Nun hatte sie einfach keine Kraft mehr zu kämpfen. Es war der Punkt erreicht, an dem gar nichts mehr ging. Ihre Seele war zerrissen von all den schmerzlichen Dingen, die sie durchgemacht hatte. Ihr Körper hatte um Hilfe gerufen und sie erlitt einen totalen Kreislaufkollaps. Dann kam sie freiwillig hierher in diese Privatklinik.
Dr. Klein, ihr zuständiger Arzt, war außer ihrem Therapeuten, der einzige, der sich sehr um sie bemühte. Er versuchte, ihr ein klein wenig Halt zu geben. Medikamente hatte sie schlichtweg abgelehnt, da sie Chemie hasste. Er bestand jedoch darauf, dass sie eine Therapie machte, was sie auch annahm. Sie nannte ihren Therapeuten Dr. Kies heimlich „Sushi“, weil er immer einen leichten Geruch von Fisch um sich verbreitete. Er war ein Mittdreißiger ohne Kinder und sein Haar schon etwas schütter. Man merkte jedoch, dass er seinen Beruf mit Liebe erfüllte und den Menschen, die er betreute, wirklich zu helfen versuchte.
Da saß sie nun wieder einmal alleine vor diesem großen Fenster, das den weiten Blick, auf den riesigen, zum Krankenhaus gehörigen Garten freigab. Sie liebte es, hier stundenlang zu sitzen und ihren Gedanken nachzuhängen.
Sie hatte ja auch sonst nichts zu tun. Da war niemand, der sie besuchen kam. Kein Vater, keine Mutter und auch sonst niemand.
Sie war ganz auf sich gestellt. Sie versuchte, hier Antworten zu finden und einen Weg zurück ins normale Leben.
Melissa strich durch ihre langen roten glatten Haare und seufzte tief. Die Vergangenheit hatte sie zu dem gemacht, was sie heute war.
Eine ängstliche Person mit dreiundvierzig Jahren, die kein Vertrauen mehr zu anderen Menschen aufbauen konnte. Es war ihr einfach nicht mehr möglich, nach all ihren schrecklichen Erlebnissen, die sie schlussendlich in dieses Haus geführt hatten.
Traurig starrte sie hinaus in den Regen. Sie liebte den Regen und den Wind, weil sie ihr das Gefühl zu leben gaben. Im Sommer, wenn es warm war und der Regen fiel, ging sie am liebsten draußen spazieren.
Doch heute war es noch etwas zu früh und zu kalt, sonst wäre sie schon längst in ihren Mantel geschlüpft und hätte den Regen draußen genossen.
Bilder von ihrer Kindheit tauchten vor ihren Augen auf.
Sie war damals ein kleines Mädchen mit langen Haaren gewesen, das in einer sehr schwierigen Umgebung aufwuchs.
An ihren Vater hatte sie nur wenige Erinnerungen. Er war ein großer schlanker Mann, der immer ein wenig depressiv und traurig wirkte.
Sie hat ihn geliebt ihren Vater, ihren richtigen Vater und sie vermisste ihn, auch wenn er nicht immer gut zu ihr war.
Eines Tages kam ihre Mutter nach Hause und sagte Melissa, dass er niemals mehr zurückkommen werde, denn er sei gestorben.
Für Melissa, die damals gerade mal dreizehn Jahre alt war, einfach unbegreiflich. Ihr Vater hatte sich das Leben genommen und sich erhängt. Sie war wie erstarrt und weinte sich jeden Abend in den Schlaf, allein. Beim Begräbnis hatte ihre Mutter geweint wie ein Schlosshund und jeder fragte sich warum, denn schließlich war sie schuld an seinem Tod.
Ihre Mutter war ein Mensch gewesen, der keinerlei Gefühle zeigen konnte. Sie nahm sie nie in den Arm und auch die vier Worte: „Ich hab dich lieb“, kamen ihr zeitlebens nicht ein einziges Mal über ihre Lippen.
Melissa litt sehr unter dieser jahrelangen Gefühlskälte. Sie bekam von ihrer Mutter
nur immer eines zu hören: „Ohne dich hätte ich mehr im Leben erreichen können, deinetwegen musste ich arbeiten gehen, hatte keine Ausbildung und musste auf alles verzichten!“
Dabei war sie doch selbst schuld daran, sie hatte ihren Vater auf einem Fest kennengelernt, hatte sich in ihn verliebt, als sie gerade mal sechzehn Jahre alt war und kurze Zeit später war sie auch schon schwanger gewesen mit Melissa.
Von ihrer Großmutter erfuhr Melissa damals mit sechzehn Jahren, dass sie sie eigentlich nie behalten und lieber abtreiben lassen wollte. Was für Melissa die Erklärung für ihre jahrelange Gefühlskälte ihr gegenüber war. Sie war ein ganz und gar unerwünschtes Kind gewesen.
Sie hatte es nur ihrer Großmutter zu verdanken, dass sie lebte, die damals darauf bestand, dass sie Melissa behalten musste.
So wurde ihre Mutter dazu gezwungen, Mutter und Ehefrau zu sein, obwohl diese das eigentlich nie wollte. Sie heiratete ihren Vater, als Melissa zwei Jahre alt war. Sie zogen dann weg in ein anderes Bundesland, in eine große Dachgeschosswohnung mit drei Zimmern, Küche, ebenerdigem Dachboden und Balkon.
Als ob es heute wäre, konnte Melissa sich an diesen Dachboden erinnern, in dem sie immer alleine mit ihrem Dreirad fuhr.
Sie konnte die Türe zur Küche nicht alleine öffnen, weil sie so schwer war, und hatte oft das Gefühl dort eingesperrt zu sein.
Sie hatte Angst, dort zu spielen, da es viel zu oft vorkam, dass sie an die Türe klopfte, damit ihr geöffnet wurde, doch keiner öffnete. Mit ihren drei Jahren machte ihr das schreckliche Angst.
Obgleich sie des Nachts schlimme Träume von Schlangen hatte, und das sehr oft, kam niemand um sie zu trösten und sie im Arm zu halten. Sie weinte dann immer so lange, bis sie vor Erschöpfung einschlief.
Solange sie sich erinnern konnte, war sie dauernd allein.
Ihre Mutter verbot ihr, mit den Kindern, die auch in diesem Haus wohnten, zu spielen. Also blieb ihr nichts außer ihrem schwarzen Kater Blacky, den sie über alles liebte. Manchmal legte sie ihn in ihren Puppenwagen, zog ihm eine alte Unterhose von ihr an und band ihm eine Puppenhaube um. Blacky ließ alles mit sich machen und rührte sich nicht, im Gegenteil, er schnurrte. Es war, als konnte er spüren, dass sie ihn brauchte. Melissa war ein sehr eingeschüchtertes, trauriges Kind gewesen. Von Ängsten geplagt und dauernd allein gelassen. Niemand der wirklich mit ihr spielte, außer ihrem Kater.
Nie hatte sie erlebt, dass ihre Mutter mit ihr spielte.
Ihre Eltern gingen von früh bis spät arbeiten und kümmerten sich nicht wirklich viel um sie. Wenn ihr Vater nach Hause kam, war er immer müde und abgeschlagen und setzte sich vor den Fernseher.
Aber wirklich wahrgenommen hatte er sie nicht.
Melissa versuchte immer, sich an die Gebote der Eltern zu halten, doch das war nicht leicht. Wie jedes Kind hätte sie viel lieber draußen mit den anderen Kindern gespielt, als jeden Tag daheim zu verbringen nach der Schule und alleine ihre Hausaufgaben zu machen.
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