Aber mir war das egal. Manchmal sammelte ich sogar Flaschen, um von dem Pfand wieder Schnaps kaufen zu können. Das Geld vom Arbeitsamt reichte hinten und vorne nicht und ich musste so manchen Deckel unbezahlt beim Wirt liegen lassen. Aber auch das war mir egal, denn ich würde bald das große Geld verdienen. „Aber, was schreibe ich jetzt?“, dachte ich mir. Zunächst verbrachte ich ein paar Tage damit zu überlegen, was und worüber ich schreiben sollte.
Mir fiel einfach nichts ein. Irgendwie kam ich mit einer Tante von mir mal ins Gespräch über das Thema. Sie meinte: „Du bist doch Koch, schreibe ein Kochbuch?“ Ich gab ihr Recht, aber woher die ganzen Rezepte nehmen? Sie hatte die Lösung: „Hör mal, da gibt es ein altes Kochbuch von unserer Urgroßmutter. Schreib es ab und überarbeite es so, dass man es heutzutage auch nutzen kann.“ Gesagt, getan. Ich ließ mir das alte Kochbuch geben und schrieb es zunächst mit der Hand ab. Es war nicht ganz einfach, die alte Schrift zu lesen. Aber ich hatte noch in der Schule die Sütterlinschrift gelernt.
Obwohl ich diese Schreiberei hasste, konnte ich sie noch ganz gut. Als ich dann mit dem Abschreiben fertig war, nahm ich meine alte Reiseschreibmaschine und tippte alles fein säuberlich ab. Auch das war mühsam! Ich hatte zwar in der Schule, mein Gott war das lange her, gelernt, mit der Maschine zu schreiben, aber dennoch war es eine Qual. Ich schrieb also das Kochbuch ab und schickte es an einen Verlag. Mir wurde zwar einmal gesagt, dass es sehr schwierig sei, einen Verlag zu finden, auf Anhieb sei das praktisch unmöglich.
Ein paar Tage, nachdem ich das Skript abgeschickt hatte, kam ein Schreiben vom Ludwig Verlag mit der Mitteilung, dass das Buch angenommen sei und ich bitte beiliegenden Verlagsvertrag unterschreiben solle. Ich fiel aus allen Wolken und war überglücklich. Endlich! Endlich genug Geld zum Saufen! Ich könnte alle Schulden bezahlen, mir ein großes Auto, am Besten einen BMW, kaufen und wäre für die Zukunft sorgenfrei! Mir wurden zwölf Prozent vom Nettoverkaufserlös geboten. Ich war hin und weg, als ich auch noch den Verkaufspreis las.
Ich hätte auch für fünf Prozent unterschrieben. Ich unterschrieb den Vertrag und bald darauf kam mein Manuskript zurück, voll mit Korrekturen und Verbesserungsvorschlägen. Das Lektorat, in Person der Verlegerin, Frau Ludwig-Smith, habe meine Arbeit überprüft und bittet mich, das Ganze laut Vorgaben noch einmal zu bearbeiten. Ich fiel aus allen Wolken! Noch mal schreiben? Noch mal das Ganze tippen? Auf keinen Fall! Ich schnappte mir meine Flasche Wein, einen extra guten und teuren, einen Château noef du Pape, habe ich mir besorgt, weil ich ja jetzt reich werde, und soff sie aus. Am nächsten Tag, nachdem ich gekotzt und einen mindestens doppelten Kognak gesoffen hatte, überlegte ich, was ich jetzt tun sollte.
Die Vernunft, soweit sie noch vorhanden war, sagte mir, dass ich wohl nicht drum rum kommen würde, alles noch einmal zu schreiben. Ich setzte mich hin, sortierte die Seiten aus, auf denen nichts zu korrigieren war, und schrieb die anderen Seiten neu. Danach schickte ich das Skript zum Verlag und mir wurde bald darauf der Eingang bestätigt. Ich wurde aber auch darauf aufmerksam gemacht, dass ich beim nächsten Mal kein Original, sondern eine Kopie schicken sollte. Mir war das eigentlich schon bewusst und ich hätte das auch gemacht, aber ich hatte kein Geld für Kopien.
Also setzte ich mich in das Auto meiner Freundin und fuhr zum Verlag, um das Manuskript selbst abzugeben, damit es nicht verloren geht. Ich durfte das Skript beim Pförtner abgeben, weiter ließ er mich nicht kommen. Als ich schon wieder gehen wollte, kam die Verlegerin und fragte mich, wer ich sei. Ich stellte mich vor und sie war offensichtlich sehr erfreut, mich kennenzulernen. Wir kamen ins Gespräch und sie erklärte mir so einiges. Sie führte mich auch durch das Verlagsgebäude und die Druckerei. Als wir dann in ihrem Büro saßen, fragte sie mich, ob ich etwas dagegen hätte, wenn ein anderer das Buch herausgeben würde.
Als ich nachfragte, wer das denn sei, nannte sie mir einen Namen, der mir zunächst nichts sagte. Als sie mir aber erklärte, dass dieser Mann, ein bayerischer Dichter, Mitbegründer der Turmschreiber sei, war ich natürlich sofort einverstanden, denn ich erhoffte mir dadurch mehr Verkäufe. Am Ende unseres Gesprächs sagte sie mir zu, dass ich das Probeexemplar baldmöglichst in Händen halten würde. Ich war überglücklich und fuhr nach Hause.
Es dauerte zwar nicht lange, aber mir erschien es wie eine Ewigkeit, bis ich mein Probeexemplar in Händen hielt. Ich nahm das Buch, sah meinen Namen darauf, und als ich es durchblätterte, stand da alles genauso drin, wie ich es geschrieben hatte. Dem Buch war ein Brief beigelegt, in dem ich gebeten wurde, mitzuteilen, ob ich noch irgendwelche Fehler finden würde oder Änderungen machen wolle. Natürlich nicht! Das war mein Buch! Mein allererstes Buch mit meinem Namen drauf! Ich rief gleich im Verlag an und gab mein OK.
Wiederum schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis ich meine Autorenexemplare bekam. Es waren zehn Stück, die ich in einem Paket zugeschickt bekommen hatte. Zehn Bücher mit meinem Namen drauf! War ich glücklich! Ich holte mir sofort eine Flasche besten Kognak und stieß mit mir selber darauf an. Langsam kam aber die Ernüchterung: „Du hast dein erstes Buch geschrieben, es wird verkauft und jetzt?“ Ich schaute noch einmal den Vertrag an und stellte fest, dass ich erst in einem Jahr die ersten Tantiemen bekommen würde.
Ein ganzes Jahr! So lange musste ich warten, bis ich meine Träume erfüllen konnte. Das konnte nicht sein! Das durfte nicht sein! Was nun? Was kann ich tun, um schneller an das große Geld zu kommen? Ich trank den kümmerlichen Rest aus der Flasche und besorgte mir neuen. Diesmal aber wieder einen billigen, denn das Geld reichte nicht für mehr. In mir wuchs der Trotz. Jetzt erst recht! Ich glaubte, zurecht, stolz auf mein Buch sein zu dürfen und dachte mir: „Was mit einem Kochbuch klappt, muss auch anders gehen! Es gibt so viele Schriftsteller, die gutes Geld verdienen. Warum sollte ich das nicht auch können?“
Ich war immer gut in der Schule, vor allem der Deutschunterricht gefiel mir und ich hatte auch entsprechende Noten. Also warum nicht einfach Aufsätze schreiben und verkaufen? Aber was und wo? Wer druckt einfache Geschichten? Wer bezahlt für einfache Geschichten? Gerade an diesem Tag kam ein Päckchen von meiner Tante. Darin waren, wie so oft, alte Zeitungen, die sie gelesen hatte und die sie mir immer wieder schickte, da sie wusste, dass ich die auch gerne las. Es waren Heimatzeitungen, auch Kirchenblätter waren dabei. Bei mir klingelte es sofort: „Da stehen auch Kindergeschichten drin! Warum schreibst du nicht einfach Kindergeschichten und schickst sie an die Zeitung?“ Gedacht, getan! Ich setzte mich also wieder an meine alte Schreibmaschine und tippte los.
Das heißt, ich wollte lostippen. Da kam mir aber der Gedanke: „Was schreibst du jetzt? Welche Geschichte ist für Kinder geeignet?“ Um meinem Hirn wieder Schwung zu geben, trank ich erst einmal einen großen Kognak mit Cola. Ich dachte: „Dann hast du mehr Fantasie!“ Mit der Fantasie war es dann nicht sehr weit her, denn ich legte mich auf meine Couch, schaltete den Fernseher ein und es dauerte auch nicht lange, da schlief ich.
Ich weiß heute nicht mehr, ob es ein Bericht im Fernsehen war, oder ob ich das geträumt habe, jedenfalls als ich später vom Rauschen des Fernsehers wach wurde, hatte ich eine Geschichte im Kopf. Sofort schenkte ich mir noch einen großen Kognak mit Cola ein, setzte mich an die Schreibmaschine und tippte los. Ehe ich mich versah, hatte ich vier Seiten getippt, als die Sonne aufging. Ich nahm eine der Heimatzeitungen, suchte mir die Kinderseite heraus und zählte, wie viele Wörter und Buchstaben so eine Geschichte haben muss, damit sie lange genug ist, um eine komplette Geschichte zu erzählen.
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