Die Karten sind schnell besorgt, wir nehmen hinten die letzte Reihe. (An der Front und im Kino sind die besten Plätze hinten, vorne flimmert‘s, war ein häufig benutzter Ausspruch) Bevor der Hauptfilm kommt, gibt es noch jede Menge Werbung, erst Dias, dann kleine Spots, anschließend die "Fox Tönende Wochenschau" mit unserem Bundeskanzler Konrad Adenauer, der keine Experimente will und die Freiheit wählt, in der Hauptrolle. Endlich beginnt der Hauptfilm und es bleibt dunkel. Wir rücken näher zueinander und ich kann den Arm um ihre Schultern legen, sie kuschelt sich an mich. Mit der anderen Hand taste ich vorsichtig unter ihren Rock auf das Stück Niemandsland zwischen Strumpfende und Schlüpfer, nicht höher. Es gefällt ihr, mir auch. Der Film ist für meine Begriffe eine ziemlich an den Haaren herbeigezogene Komödie, lediglich die naiv aufreizende Marilyn Monroe macht das Ganze ein wenig lustiger und spannender. Vera ist hingerissen von dem Film. Nachdem der Vorhang gefallen ist, herrscht auch draußen schon fast Dunkelheit. "Was machen wir jetzt mit dem angebrochenen Abend", frage ich. "Wir gehen zu mir, sagte Vera, da ist es netter als bei dir im Hotel". Sie wusste, dass ich ein Doppelzimmer mit dem Kollegen teilen muss. "Bist Du alleine zu Hause, oder ist deine Mutter da", frage ich erwartungsvoll. "Wahrscheinlich nicht, aber ganz sicher ist das bei ihr nie, sie arbeitet bei der Zeitung, da gibt es nicht immer den gleichen Feierabend." Auf alle Fälle nehmen wir noch etwas zu trinken mit, im Kino ist eine kleine Bar mit Straßenverkauf, dort erstehe ich eine Flasche "Asbach Uralt" und zwei Flaschen "Kröver Nacktarsch". Aus Weißwein, besonders den so beliebten "lieblichen Frauensorten" mache ich mir eigentlich Gar nichts, ich halte gerade diese "Markenweine" alle für gepanscht. Bier ist mir weit sympathischer, das ist ein ehrliches Getränk, da wird nichts gepanscht, noch nicht, aber gegen einen Cognac, oder wie in diesem Fall einen Weinbrand, habe ich nichts einzuwenden.
Vera wohnt in einem noch nicht vollständig renovierten Altbau im Erdgeschoss. An den Hauswänden sind noch Einschläge von Granatsplittern und die mit weißer Phosphorfarbe gemalten Streifen und Pfeile mit den Buchstaben LSR ( Luft Schutz Raum) zu sehen, die auf den Luftschutzraum im Keller hinweisen. Die Wohnung besteht aus einer gemütlichen Wohnküche und einem sehr großen Schlafzimmer mit 3 Betten, einem Ehebett und einem separaten Bett an der längeren Wand. Dazu gibt es noch Flur und Toilette, kein Bad. Die Mutter ist noch nicht daheim, als wir ankommen.
Vera schmeckt der Wein, sie wird sehr zutraulich und verschmust. Ich halte mich lieber an den Asbach, nachdem Vera sogar einen richtigen Cognac-Schwenker, der noch aus der Vorkriegszeit stammt, anbietet, ahme ich das Gehabe mit schwenken, anwärmen mit den Händen und nippen, wie ich es vom Kino her kenne, nach um ein wenig erwachsener, weltmännischer zu wirken. Mit Alkohol halte ich mich seit meinem großen Rausch bei der Gautschfeier (Freisprechungsfeier für Buchdrucker und Schriftsetzer) immer ein wenig zurück und heute Abend besonders. Auf keinen Fall will ich mir einen Schwips antrinken. Wir unterhalten uns, sie setzt sich auf meinen Schoß, und gerade als ich ihr die Bluse öffnen will, kommt die Mutter nach Hause. Vera stellt mich vor, sie ist überhaupt nicht verlegen dabei, während ich schon wieder leicht erröte. Der Mutter ist mein Besuch anscheinend nicht so recht. Erst nachdem ich ihr erzähle, dass ich auch in der Druckindustrie arbeite, taut sie ein wenig auf, erzählt von ihrer Arbeit und nach dem zweiten Glas Wein, ist sie richtig nett und freundlich zu mir. Mitternacht ist längst vorbei, als endlich die Frage der Nachtruhe erörtert wird. Zu meinem Hotel fährt um diese Zeit kein Bus mehr, andererseits habe ich weder Schlafanzug noch Zahnbürste mit. Die Mutter entscheidet resolut: "Der Kollege Hans schläft neben mir im Doppelbett und du Kind ruhst im anderen Bett." Es gibt keine Widerrede, von mir selbstverständlich nicht und von Vera auch nicht. Ohne Frage hätte ich lieber mit Vera in dem Ehebett geschlafen, ist doch klar. Für eine Übernachtung bin ich gar nicht ausgerüstet, so lege ich mich nur noch mit meiner Unterwäsche bekleidet neben die ältere Dame, die mir sofort den Rücken zuwendet und soweit als möglich von mir wegrückt. Ich mache das Gleiche. Vera liegt mit einem bodenlangen Nachthemd bekleidet nur zwei Meter, aber scheinbar doch unerreichbar weit von mir entfernt. Es ist klar, dass ich da trotz aller Müdigkeit nicht schlafen kann, sie auch nicht. Ihre Mutter ist anscheinend weit entspannter und abgeschaffter als wir. Sie hatte einen langen schweren Arbeitstag hinter sich. Bald darauf schläft sie als Erste ein, was ein leises Schnarchen verrät. Vorsichtig, wie ich bin, warte ich noch eine Zeit lang zu, bis ich ganz sicher bin, dass die Mutter auch tatsächlich fest schläft, dann schleiche ich mich zu Vera. Sie hat schon darauf gewartet und heimlich, still und leise ihr Nachthemd so weit nach oben geschoben, dass es nur noch wie ein Schal um ihren Hals liegt. Das Bett, obwohl es ziemlich alt ausschaut, knarzt nicht, welch ein Glück.. Sie bietet mir unter der großen Bettdecke ihren ganzen wundervoll schlanken und jetzt beinahe nackten Körper dar. Als Erstes ist die Frage der Verhütung zu klären, ich habe wieder nichts dabei, also Koitus Interruptus? "Braucht's nicht, normalerweise krieg ich morgen oder spätestens übermorgen meine Regel." "Ist das wirklich sicher?" "Kannst dich drauf verlassen, das ist bei mir so sicher wie das Amen in der Kirche, brauchst keine Angst haben."
Ich bin einigermaßen beruhigt, denn ein Kind zu zeugen hätte für alle Beteiligten fatale Folgen, das mag ich mir gar nicht auszumalen, was da auf mich zukommen könnte. Nach dem gestrigen Erlebnis im Schlafwagen glaube ich auch, mich schon ganz gut mit Frauen auszukennen und zu wissen, was jetzt zu tun ist. Das war aber nur annähernd richtig. Vera hatte zusätzlich noch ganz andere Körperstellen, die empfindlich waren, als meine Lehrmeisterin in der Nacht vorher und suchte auch an mir sensible Partien, von denen ich noch nicht wusste, dass dort Berührungen einer zarten Frauenhand erotische Reize ausüben. Schon bald überkommt uns das Verlangen nach der endgültigen Vereinigung. Ich dringe in sie ein und sie zuckt leicht dabei. Dann ist es mit unserer Zurückhaltung vorbei, wie automatisch läuft alles ab. Aber es ist doch etwas völlig Anderes, als in der Nacht zuvor mit der Unbekannten, nur genauso leise müssen wir sein. Ich bin tatsächlich in Vera verliebt und sie in mich, dabei kennen wir uns erst ein paar Stunden und wissen so gut wie nichts voneinander. Unbewusst haben wir schon den ganzen Abend diese Vereinigung herbeigesehnt. Das macht den Unterschied. Eine tiefe Befriedigung, eine Zufriedenheit kommt in mir auf, ich bin zwar erschöpft, aber nicht müde. Wir bleiben fast regungslos ineinander verschränkt liegen, bis es uns erneut überkommt und wir uns nochmals vereinen. Jetzt bin ich wirklich glücklich. Ich habe ein Mädel gefunden, die mich liebt und die ich liebe. Jetzt kann ich ruhig die wenigen noch verbliebenen Stunden bis zum Morgen neben der "Schwiegermutter" schlafen und schleiche mich zurück in "mein" Bett. In der Frühe eilt es dann sehr. Nur noch Zeit fürs Zähneputzen mit der fremden aber immerhin fabrikneuen Zahnbürste und der ungewohnt scharfen Zahnpasta, das Gesicht nass gemacht, durch die Haare gefahren und fertig. Mit der S-Bahn ins Hotel. Nicht nur mein Bett blieb diese Nacht unberührt. Der Kollege sitzt aber bereits beim Frühstück und grinst uns zu, als wir ankommen. Jetzt noch schnell duschen, rasieren ist bei meinem blonden und nur mäßig ausgeprägten Bartwuchs nicht unbedingt nötig und eine Handvoll Pitralon ins Gesicht, damit sind die äußerlichen Spuren der Nacht beseitigt. Wir trinken noch schnell eine Tasse lauwarmen Kaffee, Hotelmischung, eine Buttersemmel nehme ich mir noch mit auf dem Weg zu der "Konferenz".
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