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an und als sie nickten, folgte er dem Hauptmann nach. Amanoue saß am Ufer, zog seine viel zu großen Stiefel aus und leerte das Wasser aus ihnen heraus. Dann legte er sich einfach wieder zurück und schloss die Augen.
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IV
Endlich hatten sie wieder austrischen Boden unter ihren Füßen. Der König hatte befohlen, das Nachtlager gleich an Ort und Stelle errichten zu lassen, obwohl es erst später Nachmittag war. Die Sonne schien noch heiß vom wolkenlosen Himmel und Amanoue lag noch immer am Ufer im Gras und genoss die Wärme. Falco ging ihm nicht aus dem Kopf und während er vor sich hinträumte, kamen die ersten Soldaten zurück zum Fluss, zogen sich aus und liefen johlend ins Wasser. Amanoue setzte sich auf und sah ihnen dabei zu, wie sie miteinander scherzten und wie ausgelassene Kinder im Wasser herumtollten, als er einige bekannte Gesichter entdeckte. „He, Amanoue!“, rief Ravio ihm zu, „willst du nicht auch ins Wasser kommen? Es ist wirklich herrlich, na komm schon!“ Amanoue schüttelte den Kopf. „Ihr wisst doch, dass ich nicht schwimmen kann! Ich fürchte mich vor dem Wasser!“ „Meine Güte, du alter Feigling! Du siehst doch, dass wir hier noch stehen können! Nun komm schon und ich bringe es dir bei!“, erwiderte Ravio und winkte ihm zu. „Was willst du ihm denn beibringen?“, raunte Alecto seinem Freund zu. „Er ist ein kleines, geiles Luder und wenn er kommt, gehört er mir und es ist mir mittlerweile völlig gleich, wenn er tatsächlich ein Kerl ist“, antwortete Ravio, grinste ihn an und der schüttelte seinen Kopf. „Du bist unmöglich, aber der kommt sowieso nicht“, gab er schnaubend zurück und in diesem Moment tauchte ein Stück Flussabwärts, Brac auf. „Hallo Kleiner! Kommst du auch ins Wasser?“, rief er und lächelte Amanoue zu. Er stand und das Wasser reichte ihm gerade bis zu seiner breiten Brust. „Na komm schon, du Hasenfuß, oder traust du dich nicht?“, rief er lachend, während Finn hinter ihm vorbei schwamm. Amanoue stand zögernd auf und begann sich langsam auszuziehen. Erst das Hemd, dann zog er am Band seiner Hose und ließ sie wie in Zeitlupe, über seine Hüften, zu Boden gleiten. Ganz langsam, ging er auf den Fluss zu. „Siehst du, jetzt kommt er doch“, sagte Ravio leise und sog die Luft ein. „Meine Güte, sieh dir nur an, wie er aussieht! Das gibt`s doch gar nicht, ich kann nicht fassen, dass er tatsächlich ein Kerl ist!“ Amanoue verdeckte mit einer Hand seine Scham, die andere hatte er, wie ein Mädchen, über seine Brust gelegt und er war unglaublich schön. Sein Haar fiel ihm über die runden
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Schultern, bis hinab über den flachen Bauch und glänzte im Sonnenschein, kastanienbraun. Seine samtige Haut schimmerte wie Goldbronze und auf seinem schönen Gesicht lag ein sanftes Lächeln. Er machte den ersten Schritt ins Wasser, zögerte kurz und ging dann vorsichtig weiter, allerdings nicht auf Alecto und Ravio zu, sondern flussabwärts, in Bracs Richtung. Als ihm das kühle Wasser bis zu den Hüften reichte, blieb er erneut stehen und strich mit seinen Händen, über die glatte Wasseroberfläche. „Na siehst du, du kleiner Feigling, geht doch!“, rief Brac ihm zu und grinste. „Komm her!“, winkte er ihn mit beiden Händen zu sich. „Könnt Ihr wirklich dort stehen? Das Wasser ist nicht tiefer?“, fragte Amanoue unsicher. „Das siehst du doch!“, antwortete Brac und hob wie zum Beweis seine Hände. Amanoue nickte zart, ging lächelnd weiter, das Wasser reichte ihm jetzt bis über den Bauch und man konnte bereits eine deutliche Strömung erkennen. Dann machte er noch einen Schritt und war weg. Amanoue war so schnell untergetaucht, dass die Anderen zuerst gar nicht reagierten und erst als er nicht wieder auftauchte, gerieten sie regelrecht in Panik. Brac stand einfach nur völlig fassungslos da, Ravio und Alecto hechteten ins Wasser, schwammen sofort los und Finn kraulte an Brac vorbei. „Du Riesenidiot, stehst auf `ner Sandbank!“, schrie er ihn an. Ravio war als erster an der Stelle angekommen, an der Amanoue verschwunden war, tauchte sofort unter, kam wieder hoch und schüttelte den Kopf. „Scheiße, Scheiße, Scheiße!“, rief er verzweifelt, tauchte zusammen mit Alecto erneut nach unten und beide kamen prustend wieder hoch. „Das kann doch nicht wahr sein!“, rief Alecto, „der ist tatsächlich abgesoffen!“, meinte er ungläubig zu Finn hin und der sah weiter flussabwärts den Hauptmann im Wasser schwimmen und winkte ihm verzweifelt zu, bis der endlich auf sie aufmerksam wurde. „Was ist?“, rief er zu ihnen herüber und Finn sah ihn kreidebleich an. „Oh Gott, Hauptmann, der Asconier ist weg! Er war einfach weg!“, antwortete der junge Soldat und weinte fast dabei. Falco sah zuerst Brac an, der immer noch dastand und nur fassungslos den Kopf schüttelte, dann sah er, wie Alecto und Ravio immer wieder untertauchten. Augenblicklich wurde ihm schlecht vor Angst, er kraulte sofort in ihre Richtung und tauchte dabei selbst immer wieder unter. Er war noch etwa zehn Meter von ihnen entfernt, als er an einem im Wasser liegenden Baum vorbeischwamm. Wieder tauchte er unter und dann sah er ihn. Amanoue war von der Strömung unter die Zweige des Baumes getrieben worden, an denen er jetzt offensichtlich festhing. Falco tauchte auf, holte tief Luft, nur um gleich wieder zu Amanoue hinab zu tauchen und versuchte ihn aus dem Gewirr der Zweige zu befreien, doch dann ging ihm die Luft aus. Erst beim zweiten Versuch konnte er ihn endlich befreien und dem Baum entreißen. Er fasste ihm unter die Arme, zog ihn an die Wasseroberfläche,
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schwamm mit ihm die wenigen Meter zum Ufer, hob ihn hoch und trug seinen leblosen Körper an Land. Falco kniete neben Amanoue, streichelte sein Gesicht und strich ihm das lange Haar zurück. „Amanoue, bitte, mach die Augen auf“, sagte er voller Verzweiflung. „Bitte, bitte, nicht! Das darf doch nicht wahr sein“, raunte er, schüttelte Amanoues schlaffen Körper heftig und schlug ihm mit der flachen Hand, auf den Rücken. Dann ließ er ihn wieder auf den Boden sinken. „Holt Gregorius!“, rief er entsetzt. Inzwischen standen mehrere Soldaten um sie herum, er legte sein Ohr auf Amanoues Brust, konnte aber kein Lebenszeichen feststellen und schüttelte ihn erneut. „Wach auf!“, schrie er ihn an und schlug ihm ins Gesicht. „Du wirst nicht ertrinken, habe ich gesagt! Hörst du?“, rief er und seine Stimme zitterte dabei. Schließlich beugte er sich über ihn, legte seinen Mund auf Amanoues weiche Lippen und blies ihm seinen Atem in die Lungen, holte wieder Luft und wiederholte es wieder und wieder. Amanoues Brustkorb hob und senkte sich dabei leicht und Falco hörte nicht auf, wenn auch nur, um Amanoues kühle Lippen auf seinen eigenen zu spüren. Dann kam Gregorius durch die Menge und kniete sofort neben sie nieder. „Was tut Ihr da?“, fragte er entgeistert, „hört auf damit, Hauptmann und lasst mich sehen!“ Amanoues Gesicht war bereits leicht blau angelaufen und als der Heiler dessen Oberkörper anhob, fiel sein schönes Haupt wie bei einem toten Vogel, zur Seite. Er fühlte Amanoues Puls, legte sein Ohr auf dessen Brust und schüttelte schließlich erschüttert seinen Kopf. Schwerdurchatmend drehte er sich zu den Soldaten um. „Holt den König und sagt ihm, dass der Asconier tot ist“, sagte er bitter. Falco sank zurück und schüttelte kaum merklich den Kopf. „Nein, das darf nicht sein“, murmelte er vor sich hin, „er war mir anvertraut, das kann nicht wahr sein!“ Gregorius sah sich um, nahm einen Waffenrock, der im Gras lag, mit dem königlichen Wappen darauf und legte ihn über Amanoues zarten Körper. Es war Bracs und der Waffenrock war so groß, dass er ihn völlig bedeckte. Die Menge teilte sich und der König trat vor. Er stand da und sah ungläubig auf sie hinab. „Ich will ihn sehen“, sagte er tonlos. Der Heiler schlug das Tuch etwas zurück, so dass man Amanoues liebliches Gesicht sehen konnte und ein Zittern durchlief Henry. Er schluckte hart, dann taumelte er und musste sich auf Satory stützen, um nicht umzufallen. In diesem Moment packte Falco Amanoue erneut, schüttelte ihn wieder, presste seine Lippen auf dessen Mund, blies wieder und wieder seinen Atem in ihn und schlug ihm abwechselnd ins Gesicht. „Wach auf!“, schrie er dabei voller Verzweiflung und Henry starrte ihn an. „Hört auf!“, schrie er entsetzt, Satorius stürzte sich sofort auf Falco und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Beide begannen zu rangeln, doch dann fing Amanoue plötzlich an zu husten und
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