Der einzige Grund, dass diese junge Frau so viel Aufsehen erregt, ist dass wir es so hart verkackt haben. Ihr wollt keine Jugendlichen ohne Erfahrung in der Debatte? Dann kümmert Euch halt selbst um den Mist. Solange Ihr das nicht tut, Euch null einbringt und zudem noch Parteien wählt, denen das offenbar recht egal ist, könnt Ihr Euch nicht beschweren. Man kann nicht morgens das eingeschaltete Bügeleisen auf dem Hemd stehen lassen und sich dann beschweren, dass abends die Feuerwehr mit großen Mengen Löschwasser das Wohnzimmer ruiniert.
Liebe SchülerInnen, lasst Euch nicht entmutigen. Ihr mögt nicht alles wissen und auch Ihr macht Fehler, aber wir hatten schon 20, 30 oder mehr Jahre Zeit und machen genauso viele Fehler und wählen seit Ewigkeiten Parteien, die gar nichts wissen wollen. Ihr frustriert viele Menschen, weil Ihr ein Symbol für deren eigenes Versagen seid. Zudem liegen die meisten Eurer Kritiker längst im Grab, wenn die Folgen Euch oder Eure Kinder richtig hart treffen, von denen solltet Ihr Euch nun wirklich nichts sagen lassen. Ach ja, und Ihr müsst auch nicht über Nacht vegan, flugfrei und autolos werden. Nur die Richtung, die sollte es schon sein, wenn Ihr mit Euren Kindern mal Kopenhagen ohne Taucherausrüstung besuchen wollt.
Ich mache auch mit. Menschen können sich nämlich ändern.
3 „Fünf nach Zwölf“ oder „Die letzte Chance“
Ein Text von Christian von Kamp:
Ich erinnere mich noch genau, wie es damals begann, vor gut zwanzig Jahren. Ohne diesen entscheidenden Schritt wären die Katastrophen noch weit schlimmer geworden, und statt der zu beklagenden 27 Millionen Opfer hätte es alleine bis jetzt hunderte Millionen Tote geben können, von den zahllosen Klimaflüchtlingen ganz zu schweigen. Auch meine Frau starb. Sie wurde bei der historischen Flut, in der vor fünf Jahren Hamburg fast vollständig versank, ins offene Meer gerissen, zusammen mit unseren Enkelkindern.
Als Staatssekretär begleitete ich im Spätherbst 2020 die Bundeskanzlerin zu dem Treffen in Reykjavik. Erst auf dem Flug weihte sie mich ein, worum es ging: Um das Überleben der Menschheit. Es hatte, berichtete sie mir, im Oktober bereits ein geheimes Treffen von Regierungschefs fast aller Staaten gegeben. Nur ein Thema hatte auf der Tagesordnung gestanden: der Klimawandel. Den meisten von ihnen war in den letzten Jahren klar geworden, dass ein gewaltiges Problem mit Riesenschritten auf die Menschen zukam. Die Bürger waren selbstverständlich nicht darüber informiert worden, denn dann hätte die Politik sich für Versäumnisse rechtfertigen müssen, vermutlich wäre es auch zu Unruhen und anderen unliebsamen Folgen gekommen, die man hatte vermeiden wollen.
Bei dem Treffen vor einem Monat, zu dem auch führende Klimawissenschaftler geladen waren, hatten diese erschreckende neue Daten präsentiert. Der Uhrzeiger hatte die Zwölf bereits überschritten. Die Naturkatastrophen waren nicht mehr aufzuhalten. Lähmendes Entsetzen im Saal. „Es wird viele Millionen Tote geben, unter den Reichen und unter den Armen, in Metropolen wie auf dem Land – wir können es nicht verhindern, nicht mit allen Geldern der Welt“, hatte Prof. James Laurel aus Sydney langsam gesagt. „Dennoch gibt es Hoffnung. Die Hoffnung, dass weniger Menschen infolge der Katastrophen sterben müssen – nicht eine Milliarde oder mehr schon in den kommenden Jahrzehnten, sondern vielleicht nur fünfzig Millionen. Denn die Anreicherung der Treibhausgase in der Atmosphäre durch den Menschen ist nicht blindes Schicksal; wir haben es in der Hand, diesen Prozess umzukehren. Ohne unser entschiedenes Handeln wird es zu immer mehr Dürren und Landüberflutungen kommen, Missernten ungeahnten Ausmaßes werden die Welt in Hunger stürzen, um nur ein paar Auswirkungen zu nennen, und letztlich steht das Überleben der Menschheit auf dem Spiel.“
Und dann, so die Kanzlerin, sprach Laurel die entscheidenden Sätze: „Der Konsum tierischer Produkte aus der Massentierhaltung einschließlich vieler damit zusammenhängender Faktoren wie der Umwandlung von Wäldern in Weideflächen oder der gigantischen Futtermittelproduktion ist für 70 bis 80 Prozent der Klimaerwärmung verantwortlich. Wenn wir es nicht schaffen, innerhalb der nächsten drei Jahre die Weltbevölkerung dazu zu bewegen, keine tierischen Produkte mehr zu konsumieren, dann ist es fast schon gleichgültig, ob wir den Verbrauch fossiler Brennstoffe reduzieren oder andere der vieldiskutierten Maßnahmen ergreifen.“
Und Dr. Ellen Schmidtberg aus München hatte mutig ergänzt: „Die Politik muss radikal beschleunigt werden und alle müssen an einem Strang ziehen. Die jetzige Situation der Entscheidungsprozesse ist die, dass jemand mit einem Baseballschläger Ihnen die Rübe einschlagen will, und was machen Sie? Sie lesen ihm ‚Die Erklärung der Menschenrechte‘ vor.“ Das kurz aufkeimende Lachen einiger Politiker war schnell erstorben. Fast alle hatten den Ernst der Lage erfasst.
Das – ebenfalls geheime – Sondertreffen aller Regierungschefs in Reykjavik, an dem auch der UNO-Generalsekretär teilnahm, sollte die Wende bringen. Ich erlebte, dass Politik auch anders ablaufen konnte als bisher. Zu Beginn wurde bereits nach wenigen Minuten fast einstimmig entschieden, dass die einfache Mehrheit alle Regierungschefs auf die Entscheidungen verpflichten würde. Ein Vetorecht gab es nicht. Nationale Sonderinteressen hatten zurückzustehen. Unabhängig von juristischen Regelungen galten das gegebene Wort und die Ehre der Anwesenden. Nur fünf Staatsführer verließen daraufhin die Versammlung; danach waren noch 97% der Weltbevölkerung dort vertreten.
Innerhalb eines einzigen Tages beschlossen die Anwesenden mit großer Mehrheit, dass in einem Zeitraum von zwei Jahren die Staaten vollständig zu einer veganen Lebensweise umgestiegen sein mussten. Der Fleischkonsum sollte im ersten Jahr auf die Hälfte reduziert werden, nach einem weiteren Jahr durfte kein Fleisch mehr angeboten werden. Da viele dadurch ihre Arbeit verlieren würden, sollten die Staaten u.a. den betroffenen Landwirten, der Belegschaft der Fleischindustrie, dem Handel usw. übergangsweise finanzielle Hilfen gewähren und Umschulungsmöglichkeiten anbieten.
Zur Reduzierung der Nutztiere war eine weitere Vermehrung durch Befruchtung zu vermeiden. Die nach Ablauf der Fristen noch vorhandenen Tiere waren artgerecht, z.B. auf großzügigen Weiden, getrennt nach Geschlechtern zu halten. Wälder, die für Tierfutteranbau abgeholzt worden waren, mussten möglichst schnell wieder aufgeforstet werden. Auch sollte der Obst- und Gemüseanbau, insbesondere klimafreundliche Anbaumethoden wie Permakultur und Bioanbau, durch kräftige Subventionen gefördert werden. Selbstverständlich mussten auch die anderen Klimaschutzmaßnahmen etwa im Verkehr, im Kohleverbrauch usw. weiterhin verfolgt werden.
Weitere Details wurden der Gesetzgebung der einzelnen Länder überlassen. Alle vertretenen Staaten sicherten einander gegenseitige Unterstützung zu, nicht nur finanziell, sondern vor allem auch politisch: Wenn fast die ganze Welt an einem Strang zog, würden regionale kontraproduktive Diskussionen die Anderswollenden ins Abseits stellen.
In seiner Schlussrede sagte der indische Premierminister: „Ich gratuliere der Welt, dass sie sich für diesen Weg zur Rettung der Menschheit entschieden hat. Doch es geht sogar noch um mehr, nämlich um das gesamte Leben auf unserem Planeten, und dabei auch um die so lange Zeit misshandelten Tiere. Schon die Jahrtausende alten spirituellen Schriften Indiens betonen immer wieder die Achtung und Einheit allen Lebens.“
Was tat sich nicht alles alleine in Deutschland. Als die Kanzlerin den Bundestag informierte, wozu auch alle bedeutenden Medien eingeladen worden waren, und sie dabei eine Handtasche neben sich stellte, auf der in großen Lettern stand: „Nur VEGAN kann die Welt retten!“, erntete sie einige spöttische Bemerkungen. Bei ihrem nächsten Auftritt, drei Tage später, griffen bereits viele Parlamentarier zu, als ihnen an den Eingangstüren als Snack Schälchen mit veganen Leckerbissen angeboten wurden.
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