Brisbane, 11. Dezember 1917
Vor ein paar Tagen haben wir uns abends Vorträge über die Schulen in Brisbane angehört. Den Eltern wurden dabei die privaten Schulen vorgestellt, in denen Schulgeld bezahlt werden muss. Es klingt wohl verlockend. Es ist auch gar nicht so teuer, zumindest findet Vater, dass es nicht sehr teuer ist. Tom würde auch den ganzen Tag betreut und dies ist es, was ich eigentlich nicht mag. Es ist für meine Arbeit schon ganz gut, dass Tom an den Vormittagen betreut ist, aber dass ich ihn den ganzen Tag nicht sehen soll. Noch schlimmer ist ein Internat. Es waren auch Vertreter eines Internats bei den Vorträgen. Tom würde dann nur alle vier Wochen zu Hause sein, weil das Internat oben bei Landsborough liegt. Ich denke, Tom wird nächstes Jahr wohl auf eine staatliche Schule gehen. In New Farm, gleich in der Nachbarschaft, gibt es eine Grundschule und in Spring Hill sogar zwei, die auch nicht so weit entfernt sind.
Brisbane, 22. Dezember 1917
Über Weihnachten werde ich ein wenig arbeiten müssen. Die Anwaltskanzlei aus Neuquén hat mir einige Akten geschickt, die ich jetzt bearbeiten muss. Ich habe schon hineingeschaut, es wird nicht besonders schwer, es sind aber sehr viele, engbedruckte Seiten. Ich hoffe, ich werde bis zum Januar damit fertig. Die Sachen sollen nämlich bis Ende Januar wieder in Argentinien sein.
1918
Brisbane, 7. Januar 1918
Australische Truppen werden jetzt auch in Frankreich eingesetzt. Es berührt mich, dass jemand, den ich kenne, mein französisches Vaterland verteidigt. Ich sitze hier, so weit weg und jemand, der Frankreich nichts schuldig ist, gibt sein Blut für meine Nation.
Brisbane, 28. Januar 1918
Vater hat sich vor zwei Tagen auf den Weg nach Mackay gemacht und sich jetzt von dort gemeldet. Der Sturm hat große Schäden angerichtet. Mackay war seit dem 21. Januar für mehrere Tage von der Außenwelt abgeschnitten und niemand wusste von der Lage dort. Vater berichtet von abgedeckten Dächern und überfluteten Straßen. Für all dies ist kein einfacher Sturm verantwortlich, sondern ein Zyklon, der sehr starke Winde und Regenfälle gebracht hat.
Brisbane, 5. Februar 1918
Vater ist jetzt auf dem Rückweg nach Brisbane in einem Ort namens Rockhamton angekommen. Die Unwetter der letzten zwei Wochen haben auch dort zu schlimmen Überflutungen geführt, obwohl Rockhampton nicht direkt an der Küste liegt. Der Fitzroy River hat die Wassermassen vom Meer her mitgebracht. Der Fluss soll einen Höchststand von über dreißig Fuß erreicht haben. Vater erwähnt noch die Orte Yeppoon und Mount Morgan in der Nähe von Rockhampton, in denen es ebenfalls große Schäden gegeben hat. Ich habe wie immer meinen Atlas zur Hand und schaue mir die Orte auf der Landkarte an.
Brisbane, 7. Februar 1918
Tom kann sich auf ewig daran erinnern, dass er an einem Donnerstag eingeschult wurde. Er hat im ersten Jahr eine Lehrerin, wo er sich doch so sehr einen Lehrer gewünscht hat. In der Vorschule waren auch nur Lehrerinnen. Einige Kinder aus Toms Vorschule gehen in seine Klasse. Wir haben auch gleich Jimmy, Keith und Paul mit ihren Eltern getroffen. Es gab heute nur eine Stunde. Die Mütter und Väter durften im Klassenraum bleiben. Mrs. Lovegrove hat uns begleitet und sie war auch ganz stolz. Es wurde heute nicht gleich unterrichtet. Die Lehrerin hat sich vorgestellt und dann musste jedes Kind ein Namensschild basteln. Die Namen wurden dann von der Lehrerin darauf geschrieben. Tom konnte seinen Namen natürlich selbst schreiben und mit ihm noch drei oder vier andere Jungen.
Brisbane, 12. Februar 1918
Ich bin froh, dass Vater noch rechtzeitig wieder von seiner Reise zurück ist. Wir feiern heute schließlich seinen sechzigsten Geburtstag und ich habe einiges vorbereitet. Heute Abend kommen Gäste, Onkel Louis und Tante Maggie, einige Kollegen von der Zeitung und ich habe auch Helen und Olga und die beiden Johns eingeladen. Wir sind zu zwölft und Vater weiß noch von gar nichts davon, es soll eine Überraschung werden. Ich muss mein Büchlein gleich verstecken, dass er am Ende nicht noch liest, was ich mir ausgedacht habe. Das ist natürlich Unsinn, Vater würde niemals in meinem Tagebuch lesen. Es ist jetzt kurz nach vier. In einer Stunde geht Vater mit Tom in die Stadt zum Eisessen, dann habe ich Zeit alles heimlich vorzubereiten. Ich werde zusammen mit Onkel Louis kochen. Ich freue mich schon so auf die Überraschung.
In Frankreich, bei einer Stadt namens Amiens sollen australische Truppen sehr tapfer und erfolgreich gegen den Feind gekämpft haben. Dann noch die Nachricht, dass Paris bombardiert wurde. Es ist so schwer, sich ein Bild von den Schlachten zu machen. Vater und ich haben den Atlas und ein Stück Transparentpapier genommen und die Orte eingezeichnet, an denen von Kampfhandlungen berichtet wird. Amiens und Picardie liegen ganz im Nordwesten Frankreichs, nicht weit von Belgien entfernt. Verdun wiederum liegt östlicher und südlicher. Zwischen Amiens und Verdun liegen geschätzte hundertundfünfzig Meilen, von Amiens nach Paris sind es wohl weit weniger als hundert Meilen. Mir scheint, es kann schnell passieren, dass Paris von den Deutschen überrannt wird, nicht jedoch, wenn Australier und Neuseeländer weiterhin so tapfer kämpfen.
Nach den Herbstferien ist Tom heute das erste Mal alleine von der Schule gekommen. Es ist ja nur eine halbe Meile Fußweg. An der Ecke hat er sich von Jimmy verabschiedet, der eine Straße weiter wohnt. Ich hatte schon fast eine halbe Stunde am Küchenfenster gestanden und auf Tom gewartet. Heute Morgen habe ich ihn noch zur Schule gebracht, aber am Montag wird er auch den Hinweg ohne mich machen. Jimmy wird ihn begleiten und unterwegs werden sie auch noch Paul auflesen.
Eine neue Stadt, eine neue Schlacht, in der das Australian Corps den Feind zurückgeschlagen hat. Villers-Bretonneux ist ein Flecken in der Nähe von Amiens. Ich habe Vater gefragt, ob er noch weiß, wie es dort aussieht. Vater erinnert sich an Wälder, Wiesen und Äcker und an Frieden, genau das waren seine Worte. Er erinnert sich aber auch an Festungsbauten bei Verdun und Fort Douaumont, ein Name, den ich in den Zeitungen jetzt schon öfters gelesen habe.
In den letzten Jahren haben wir Bilder von Kanonen, von Schlachtschiffen und manch anderem gefährlichen Gerät gesehen. Jetzt etwas ganz Neues für uns, ein Ding ganz aus Metall, mit langen, umlaufenden Ketten anstatt der Räder. Es wird Tank genannt und es ist eine neue Waffe, die den Krieg vielleicht beendet. Wenn Hunderte dieser Tanks über die Schlachtfelder fahren, wenn sie über die Schützengräben fahren, natürlich unverwundbar, das ist die Voraussetzung, so können sie tief hinter die Front gelangen. Nur, was ist, wenn auch die Deutschen solche Tanks haben, dann wäre es doch wieder unentschieden, dann bliebe doch wieder alles stehen.
Die Vereinigten Staaten stationieren ihre Truppen schon seit Anfang des Jahres in Frankreich. Bisher haben nur Franzosen, Kanadier, Engländer, Australier und Neuseeländer gekämpft. In Cantigny waren es jetzt die Amerikaner, die den Deutschen gegenüberstanden. Wir hoffen, es werden viele, viele Amerikaner geschickt. Eine solche Übermacht muss doch einfach siegen.
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