„Und wo ist der Haken an der Sache?“, fragte der Professor, der angesichts von so viel Großzügigkeit anscheinend misstrauisch geworden war.
„Aber ich bitte Sie!“, rief der andere aus. „Was denn für ein Haken?“
„Was geschieht mit meinem psychokinetischen Antrieb, wenn er dann funktioniert?“, wollte der Professor wissen.
„Nun, die Erfindung“, erklärte der andere betont harmlos, „die würde dann selbstverständlich mir gehören. Eine Verwendung dafür wird sich sicherlich finden lassen.“
„Sie wollen mich wohl für dumm verkaufen!“, brauste der Professor auf. „Ich werde mit meiner Erfindung viel mehr Geld verdienen, wenn ich sie selber vermarkte. Die gesamte Großindustrie wird sich darum reißen, sobald ich damit an die Öffentlichkeit gegangen bin. Sämtliche Energieerzeugungsunternehmen dieser Welt werden sie anwenden wollen.“
Die Stimme des Professors hatte einen spöttischen Klang, als er hinzufügte: „Die werden mir ein Mehrfaches von dem zahlen, was Sie überhaupt auf Ihrem Konto haben, verehrter Herr Konsul.“
„Wenn Sie sich da nur nicht irren, Professor“, erwiderte der Konsul. „Die Wahrheit ist, dass kein einziger Energiekonzern ein Interesse an Ihrem Psychokinetor haben kann.“
„Blödsinn!“, lachte der Professor.
„Denken Sie nur mal nach!“, fuhr der Konsul jetzt etwas energischer fort. „Womit wird auf dieser Welt das meiste Geld verdient? Mit Erdöl. Und warum? Weil man es so teuer verkaufen kann, wie man will. Und das ist deshalb so, weil die ganze Weltwirtschaft davon abhängt: die Autoindustrie, die Eisenbahn, die Schifffahrt, die Chemieindustrie, das Militär, einfach alles. Und wenn einmal ein arabisches Land nicht bereit ist, genügend Öl zu verkaufen, dann beschuldigt man es kurzerhand, irgendwelche verbotenen Massenvernichtungsmittel zu besitzen, und man hat endlich wieder einen Grund, Krieg zu führen. Denn durch Kriege lässt sich noch mehr Geld verdienen. Jeder abgestürzte Düsenjäger, jedes versenkte Kriegsschiff, jede explodierte Granate, jeder ausgebrannte Panzer, jede verschossene Gewehrpatrone muss schließlich ersetzt und neu gekauft werden. Das beschert der Waffenindustrie Milliardengewinne. All das verdankt man einzig und allein dem Erdöl.“
„Aber es geht doch dabei nicht einzig nur ums Geld“, wandte der Professor ein. „Schon allein die Umweltschäden, die durch das Öl…“
„Ach Professor, was sind Sie nur für ein naiver Träumer!“, rief der Konsul aus. „Die großen Ölmagnaten kümmern sich einen Dreck um die Umweltverschmutzung, solange nur ihr Profit gesichert ist. Und noch eins: Glauben Sie ja nicht, dass Sie der Einzige sind, der einen Ersatz für das Erdöl erfunden hat. Da gab es mal einen Kernphysiker, der hatte einen Reaktor entwickelt, der nur einmal mit Wasserstoff und Helium bestückt zu werden braucht, und der ähnlich wie die Sonne tausend Jahre und länger Energie hätte liefern können. Ein Biologe hatte eine Pflanze gezüchtet, die sogar in der Wüste wachsen und energiereiches Öl liefern kann. Ein Mechaniker konstruierte einen Generator, der ohne jeden Treibstoff Strom erzeugt, indem er die Schwankungen des Erd-Magnetfeldes nutzt. Der Beispiele gibt es genug.“
„Das sind doch bloß Phantasiegeschichten“, meinte der Professor abfällig.
„Mitnichten“, erwiderte der Konsul. „Ich weiß es aus glaubwürdiger Quelle. Natürlich wurde keine dieser Methoden jemals angewandt. Und warum nicht? Ich will es Ihnen sagen, Professor: Weil sich damit nicht annähernd so viel Geld verdienen lässt wie mit dem verfluchten Erdöl. Die breite Öffentlichkeit hat von keiner dieser Erfindungen jemals etwas erfahren, weil es ihren Schöpfern gar nicht erst gelang, sie bekannt zu machen. Der eine wurde zufällig von gleich zwei Lastwagen überfahren, als er seine Morgenzeitung holen wollte. Ein anderer ertrank unglücklicherweise beim Zähneputzen in einem Handwaschbecken, stellen Sie sich vor! Der Dritte allerdings zeigte sich einsichtig, denn er wusste von den anderen. Er ist zwar nicht reich geworden, aber er erfreut sich wenigstens bester Gesundheit, weil er eine Verpflichtung unterschrieb, zeitlebens über seine Erfindung zu schweigen, denn andernfalls…“
Der Konsul ließ eine kleine Gedankenpause verstreichen und sagte dann mit gedämpfter Stimme: „Denken Sie über mein Angebot nach, Heuretes.“
Dieser Satz klang wie eine furchtbare Drohung in Elisas Ohren.
„Ich muss es leider dankend ablehnen“, hörte sie daraufhin die entschlossene Antwort des Professors.
Urplötzlich sprang die Dogge bellend vorwärts. Elisa hätte vor Schreck beinahe die Luke zufallen lassen, weil sie im ersten Moment annahm, der Hund hätte sie entdeckt. Doch dann konnte sie sehen, wie seine Vorderpfoten wild an den Dielenbrettern kratzten.
„Satan!“, brüllte jemand. Der Mann mit den großen Schuhen, der am Eingang gestanden hatte, zerrte den Hund zurück.
„Ruhig, Satan!“, kommandierte er. Ein klatschender Schlag war zu hören. Das dröhnende Bellen endete in einem schmerzlichen Jaulen.
„Was ist denn mit dem Köter?“, erkundigte sich der Konsul unwillig.
„Verzeihung, Chef. Er muss irgendwas unter dem Fußboden gewittert haben“, antwortete der Mann mit den großen Schuhen. „Vielleicht eine Ratte?“
„Iiih! Ratten!“, kreischte eine Frauenstimme, die offenbar der Trägerin der eleganten Damenschuhe gehörte.
Nachdem sich die Situation wieder beruhigt hatte, sprach der Konsul erneut auf den Professor ein: „Überlegen Sie doch mal! Sie kommen endlich aus diesem elenden Stallgebäude heraus, wo es Ratten und Ungeziefer gibt, und in dem es ganz erbärmlich zieht. In meinen Laboratorien können Sie Ihre chronische Erkältung auskurieren. Sie brauchen sich dann auch nicht mehr von Tütensuppen zu ernähren. In unserer Kantine bereitet ein französischer Fünf-Sterne-Koch für Sie kostenlos die nahrhaftesten und leckersten Speisen. Und sonntags sind Sie mit Ihrer charmanten Frau Gemahlin bei uns zu Hause zum Essen eingeladen. Nicht war, mein Schatz?“
„Selbstverständlich“, ließ sich die Frauenstimme hören und bat: „Komm jetzt, Liebling, wir gehen, bevor uns hier noch die Ratten beißen.“
Die Frau erhob sich von ihrem Stuhl.
„Misch’ dich gefälligst nicht in meine geschäftlichen Angelegenheiten!“, wies der Konsul grob seine Frau zurecht. „Ob wir gehen oder ob wir nicht gehen, entscheide immer noch ich!“
Widerspruchslos setzte sich die Frau wieder. Sie hob diesmal aber ihre beiden Füße vom Boden ab. Der Konsul räusperte sich kurz und redete eindringlich weiter auf den Professor ein: „Mein lieber Heuretes, Sie werden in meinen Laboratorien konzentriert und zügig arbeiten können. Dort gibt es auch keine Kinder, die Sie mit überflüssigen Fragereien über Schafe oder Rosen von Ihrer eigentlichen Aufgabe ablenken.“
„Sagen Sie mal, woher wissen Sie das?“, horchte der Professor auf.
„Ich weiß viel mehr über Sie, als Sie ahnen“, gab der Konsul ungeniert zu. „Ich weiß genau, was Sie den Tag über machen, ich weiß, mit wem sich Ihre zauberhafte Frau Gemahlin trifft, wenn sie in die Stadt fährt, und ich kenne auch Ihre katastrophale finanzielle Situation. Sie sollten sich mein Angebot gründlich durch den Kopf gehen lassen.“
„Verlassen Sie auf der Stelle mein Laboratorium!“, brüllte der Professor unbeherrscht. „Verschwinden Sie, Sie elender Ganove!“
Die Dogge richtete sich knurrend auf. Der schlankere der schwarz-roten Schuhe stellte sich wieder neben den klobigeren. Knarrend und quietschend bewegten sie sich auf den Professor zu und blieben so dicht vor ihm stehen, dass sie fast dessen Schuhspitzen berührten.
„Ich gebe Ihnen genau sieben Tage Bedenkzeit“, sagte der Konsul leise. Seine hohe Stimme wurde dabei so scharf wie eine Rasierklinge. „Entweder Sie zahlen Ihre Schulden oder Sie nehmen mein Angebot an. – Komm Schatz, wir gehen. Guten Tag, Professor.“
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