1 ...6 7 8 10 11 12 ...25 „Das ist ok, Quin, ich kann damit leben, wenn du‘s auch kannst“, grinst Yoav zurück.
„Die üblichen 5% für die Studenten-Kasse, Y“, legt Quincy fest. Dann zieht er bereits zur Eingangstür davon, um eine Gruppe wichtiger Gäste persönlich zu begrüßen.
Y , denkt sich Yoav, sie nennen mich hier Y, wie why. Das passt irgendwie.
Ein ungewohnter Zigarettengeruch entströmt den abgetragenen Kleidungsstücken, als Xavier sie sich in dem fensterlosen Bad seines Apartments endlich abstreifen kann. Es ist für ihn eigentlich abstrus zu rauchen, allein schon wegen seiner Stimme, doch als er den Jungen heute gesehen hat, draußen auf dem alten Schlachthofgelände, hat irgendetwas in ihm befohlen, Kontakt aufzunehmen. Eine starke Intuition. So etwas wie eine Vorahnung, vielleicht.
Dieser Junge ist etwas Besonderes , sagt sich X, während er jetzt das Teewasser für seine Zeremonie aufsetzt, für sein kleines Labsal, das er nach jedem dieser Ausflüge in die schmutzigen Gedärme der Stadt so dringend benötigt. Doch heute fühlt er sich enthusiasmiert durch einen Funken Hoffnung, den diese Begegnung für ihn gebracht hat, als sei sie eine Antwort auf seine sich immer wiederholenden Gebete gewesen.
„Ich hoffe, dass er wieder kommt“, flüstert X mit sich selbst. Nein, ich weiß, dass er wieder kommt, ermahnt er sich dann mental . Es ist sehr wichtig, eindeutig zum Ausdruck zu bringen, was man in sich spürt. In all den Jahren der Vorbereitung in seinem Orden hat er gelernt, die inneren Bilder und Emotionen, wenn sie so klar zu ihm kommen wie heute, nicht mehr zu hinterfragen und zu analysieren, bis nichts mehr von ihnen übrig ist, sondern sie für ein Wissen aus den tiefen Schichten seines Seins und aus den kollektiven Schwingungen des Universums zu halten. Für einen Fakt jenseits aller Logik und jenseits allen Trugschlusses des äußeren Scheins. Sat nam, truth is my name , bestärkt sich Xavier mit dem heiligen Mantra.
Dieser großgewachsene Junge hat auf ihn Eindruck gemacht, mit seiner selbstverständlichen Art, mit einem Penner eine Zigarette zu teilen, mit seinen wachen, wissenden Augen, seiner athletischen und doch sensiblen Gestalt und seinem äußerst intelligenten Kopf, der unter dem dunklen, gelockten Haarschopf hervor gelugt hat. Er hat etwas so Reifes an sich gehabt, eine Erfahrung vielleicht und eine Weisheit, die Jungen seines Alters sonst nicht haben, und auch eine Ernsthaftigkeit, die unüblich ist und die sich auch in der Art seiner Frage ausgedrückt hat. „Was bringt Sie hierher, an diesen Ort?“ , hallt es in Xaviers Erinnerung wider. Das war keine Floskel, sondern echtes, tief empfundenes Interesse.
Beruhigt streift sich X seinen schwarzen Kimono über, als er mit seinen Waschungen fertig ist, und schenkt sich eine Tasse Tee in die flache, dunkle Ton-Schale ein. Er nimmt einen tiefen, langsamen Schluck und spürt mit wachen Sinnen die wunderbare, feine und belebende Flüssigkeit in seinen Körper hinab sinken. Alles wird gut, bestätigt er sich selbst. Ich weiß, e r wird wiederkommen und dann werden wir gute, fruchtbare Gespräche miteinander führen. Und vielleicht, wenn ich ganz viel Glück habe, wird er mir dabei helfen können, sie zu finden.
Angespannt betritt Salomon das weitläufige Zentralforum, das er zuletzt vor einigen Jahren gesehen hat. Mein Name gilt hier noch etwas , stellt er erleichtert fest, als er mit aufrechter Brust auf die sieben Ältesten von Casta 3 zusteuert, welche er zu diesem besonderen Treffen hierher gebeten hat. Alle sind gekommen. Er setzt sein gewinnendstes Lächeln auf, schüttelt nacheinander die Hände der wichtigen Entscheidungsträger und investiert hier und da ein paar Worte der Anerkennung.
Dennoch fühlt er sich gespalten, vielleicht aus alter Erfahrung, denn die Ältesten wissen um ihre Wichtigkeit und können zuweilen eine nicht zu unterschätzende Dynamik entfalten. Sal hat dies schon am eigenen Leib erfahren müssen, wenn er auch hier, in Kishas Fall, solcherlei Probleme nicht erwartet. Wir kennen alle die Bedeutung der großen Mission , ermutigt er sich, und Kishas kleine, aber nicht unwichtige Rolle darin.
„Schön, Sie wieder zu sehen, Salomon. Wie geht es Ihnen?“, eröffnet Richard, das dienstältestes Ratsmitglied und Vorsitzender der Sieben, das Gespräch, sobald alle Teilnehmer an dem schlichten, halbrunden Konferenztisch Platz genommen haben.
„Danke, Richard, ich kann nicht klagen. Das sind spannende Zeiten, in denen wir leben.“
„Wohl wahr, wohl wahr“, erwidert Richard. Er blickt zur Bestätigung kurz in die Runde der weiteren Ältesten. „Wir haben uns gefragt, Salomon, welches so außerordentlich wichtige Thema Sie wohl heute zu uns führen mag.“
„Zunächst möchte ich Ihnen allen ausdrücklich dafür danken, dass Sie so kurzfristig Zeit gefunden haben, mich zu empfangen“, beginnt Sal. „Ich weiß, Sie haben sehr wichtige Aufgaben zu erfüllen, und schätze es deshalb außerordentlich, dass Sie für einen alten Akademie-Veteranen wie mich ein Stück Ihrer wertvollen Zeit erübrigen.“
„Zuviel der Ehre, Salomon, aber stellen Sie bitte Ihr Licht nicht unter den Scheffel“, pariert sogleich Avner. Er ist der schlaueste und einflussreichste Kopf der Sieben. „Wenn ich mich richtig erinnere, war der Anlass unserer letzten Begegnung nicht mehr und nicht weniger als die Verleihung des Sternordens zweiter Klasse an Sie, korrekt?“, setzt er mit spürbarem Amüsement hinterher.
„Das ist richtig. Ich fühle mich geehrt, dass Sie sich noch daran erinnern, und ich...“
„Und damals haben wir Sie meines Wissen auf eine vorbereitende Mission für unsere große Aufgabe entsendet, korrekt?“, fällt ihm Avner ins Wort.
„Richtig. Genau aus diesem Grund bin ich heute hier. Ich möchte mit Ihnen den Stand dieser Aufgabe, die für uns alle zentral ist, näher diskutieren“, entgegnet Sal selbstbewusst. Nicht, dass er Avners Auffassungsgabe und seinen scharfen Intellekt nicht schätzen würde, doch es kann auch gefährlich sein, ihm die Führung der Diskussion ganz zu überlassen. Die anderen Ältesten müssen langsamer auf den eigentlichen Punkt vorbereitet werden , beschließt Sal . Doch er hat die Rechnung heute ohne Avner gemacht.
„Grundsätzlich immer gerne, Salomon. Nur entnehme ich doch der Dringlichkeit Ihrer Anfrage und Ihrem persönlichen Vorsprechen hier, dass es sich vorwiegend um eine private Angelegenheit handelt. Oder liege ich da etwa falsch?“
„Sie täuschen sich nicht ganz. Dennoch hat die Sache auch eine weitaus größere Dimension, die uns alle betrifft.“
An diesem Punkt übernimmt Richard, wie üblich ein Fels der Diplomatie. Er wirft einen vielsagenden Blick zu Avner hin. „Warum nehmen wir nicht alle eine Tasse Tee, wo wir doch schon hier versammelt sind, und Sie, Salomon, erzählen uns in Ruhe, wie es zu der Thematik gekommen ist, die Ihnen am Herzen liegt. Mina? Würden Sie uns bitte den Tee hereinbringen? Danke.“
Mina, die gute Seele des Zentralforums, hat auf Richards Geheiß bereits einige Köstlichkeiten vorbereitet und stellt jedem nun eine Porzellantasse auf den Konferenztisch. „Sie bedienen sich“, meint sie und verlässt schnell den Raum, wobei sie die großen Flügeltüren hinter sich verschließt.
„Nun, Salomon, wie können wir Ihnen helfen?“, eröffnet Richard den Kern der Sitzung.
Sal atmet tief durch. Er rezitiert seinen sorgfältig einstudierten Text, der die Ältesten von Casta 3 zu der Aktivität seiner Wahl animieren soll. Die für einen Akademie-Absolventen typischen, präzisen Sätze strapazieren die Geduld der Sieben kaum. Am Ende von Sals Monolog wirken sie aufmerksam und engagiert. So wie ich es wollte, stellt er erleichtert fest, als er die Gesichter der Anwesenden studiert.
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