Christina Maiia
Der Casta-Zyklus: Initiation
Roman
„Zwei Welten, auf geheimnisvolle Weise verbunden, zwei konvergierende Zeitlinien, nur durch einen Dimensionssprung entfernt: Für einen kurzen, fragilen Moment, der alles ändern kann, findet ein gefährliches Experiment statt, eine gewaltige, interplanetare Mission, über deren Ausgang Mut oder Angst entscheiden werden. In ihrem Zentrum: eine Handvoll Akteure, die unterschiedlicher nicht sein könnten, mit versteckten Motiven und Schicksalen, die mächtiger sind als ihr Selbst. Gelingt ihnen gemeinsam die Initiation?“
Christina Maiia lebt in München und arbeitet als freie Autorin, Schriftstellerin und Fotografin.
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Der Casta-Zyklus: Initiation
Christina Maiia
Published by: epubli GmbH, Berlin, www.epubli.deCopyright: © 2013 Christina Maiia ISBN 978-3-8442-6457-9
„Heutzutage ist kaum etwas realistischer als Utopien.“
Stille.
Kalte, einsame, verzweifelte Stille.
Kein Flackern, kein Zeichen von Restleben auf dem Display ihrer Raumkapsel, diesem im Sterben liegenden Kokon aus komprimierter, semipermeabler Energie. Nur ein letztes Pulsieren trennt sie noch von dem Nichts, das draußen bereits hungrig auf sie wartet.
Warum nur keine Antwort?
Seit Tagen versucht sie es schon auf allen Kanälen, doch nicht einmal ein zersplittertes Röcheln dringt aus dem Headphone, das unbeteiligt von der Kabinenkonsole herunter baumelt. Keine Reaktion, die ihr signalisiert, dass noch jemand da ist, der an sie glaubt, der sie nicht längst für lost in space (nette Umschreibung für tot) erklärt hat, nach den üblichen, vier definierten Tagen ohne jeden Kontakt. Jemand da draußen, in der Weite der Galaxie MX, von Zuhause auf Casta 3, von diesem friedlichen, langweiligen, himmlischen Planeten, den sie nicht schnell genug verlassen konnte und den sie jetzt, das erste Mal in ihrem Leben, schmerzlich vermisst.
„Mist!“, schreit eine seltsame Stimme in das sterbende Display, das noch einmal aufglimmt, bevor es sich erneut dem Ableben hingibt. Sie hört sich fremdartig und hoch an in ihrem schnell verklingenden Echo, diese Stimme, doch es muss ihre sein, sonst ist niemand hier.
Bilder sind in ihrem Kopf, ungefragt, schnell, aber so mächtig und ameisenhaft wie die Todesangst, die bedrohlich ihre Adern hinauf kriecht. Nonna mit ihrem verschmitzten Lächeln, ihr übliches Spiel, als habe sie nicht bemerkt, wenn sie heimlich ein Stück von dem Kuchen stibitzt, dieses simple Ritual, das sie jeden Sonntag zusammen zelebrieren, wenn Kisha von der Sternenakademie nach Hause rauscht und übermütig ihre Tasche in die Ecke wirft, um in epischer Breite von ihrer Woche auf Luna 5 zu berichten. Nonna. Wenn sie mich nur hören könnte. Ein letzter Versuch einer Transmission, doch die Schwingung erfährt kein Echo.
Seit Tagen ist schon dieses seltsame Gefühl in ihrem Bauch, ein harter Kloss aus Schmerz und ein Brodeln, das wie eine dickflüssige, beißende Suppe darüber liegt. Sie spürt es so heftig wie sie es noch nie zuvor in ihrem Leben gespürt hat, nur hier, an diesem fremden, seltsamen, unwirtlichen Ort, der alles so verwirrend macht und in gigantischem Ausmaß verzerrt. Wie kann das sein, wie kann er nur solch eine Wirkung auf sie haben?
Es ist so viel Wut in ihr. Wut über ihre eigentlich typische Hartnäckigkeit, diesen Auftrag unbedingt alleine ausführen zu müssen, und über ihren Stolz, diesen manchmal absurden Stolz. Doch sie musste sich einfach melden, war völlig besessen von der Chance, es allen zu zeigen, ganz besonders der Clique, den Konformen, die sie von Anfang an wie selbstverständlich ausgeschlossen haben. „Mist“, hallt die fremde Stimme ein weiteres Mal durch die Kapsel hindurch und verpufft an ihrer Hülle, „sollen sie doch an ihrer Arroganz ersticken!“
Selbst Doc T hat sie zunehmend ignoriert. Lieber, gutmütiger, genialer Professor Todd. Er hatte ursprünglich Kevin schicken wollen, ausgerechnet diese Nummer von den Konformen, no way in hell. Sicher würde Doc jetzt seine Augenbrauenbüschel hochziehen und sich über ihren Temperamentsausbruch wundern, über das Ei, das sie sich selbst ins Nest gelegt hat, für das sie ihn so lange bearbeitet hat, bis er nicht mehr nein sagen konnte, und an dem sie jetzt offensichtlich erstickt. „Kisha“, hallt es in ihrem Kopf detailgetreu wider, „Sie rauben mir noch den letzten Nerv.“ Lieber, brillanter, wohlmeinender Doc T. Hätte ich nur auf ihn gehört, nur dieses eine, einzige, verfluchte Mal!
Ihr ist bewusst, dass sie etwas unternehmen muss, losziehen und einen riskanten, vielleicht allerletzten Versuch wagen muss. Aufgeben ist keine Alternative. Doch zuerst muss sie sich irgendwie beruhigen und Kontrolle über dieses innere Chaos erlangen, das ihr völlig verrückt vorkommt. Was ist nur verdammt nochmal mit ihr los?
Die kleine, silbrige Apparatur, die neben ihr auf der Display-Ablage ruht, flackert leicht unter der energetischen Spannung, die ihr die Bereitschaft für einen letzten Außengang signalisiert. Sorgfältig streift sie sich den Ring über den Arm und beobachtet, wie er eine leicht fluoreszierende Hülle aufbaut, die sich wie eine zweite Haut um sie schmiegt. Dann aktiviert sie die Echtzeit-Verbindung zur Raumkapsel. Als der Portable Suit die gewohnte Schwingung kreiert, atmet sie erleichtert auf. Der unsichtbare Kontakt zur Kapsel ist noch in Funktion und die Anzeige des Lebenserhaltungs-Chips zeigt 12,5 Standard-Stunden, bei sparsamem Verbrauch und nicht zu viel Gedankenmüll. Die Sphäre ist zunehmend instabil und welche Systeme überhaupt noch funktionieren werden, steht unüberprüfbar in den Sternen. Im wahrsten Sinne des Wortes , denkt sich Kisha besorgt, weitere Transmissionen nach Casta 3 fallen jetzt flach, wenn ich es noch irgendwie schaffen will, wenn ich noch eine Chance haben will, die Quelle aufzuspüren und diesen Schrott von einer Raumkapsel flugfähig zu bekommen. Und ich muss es einfach schaffen.
Noch ein tiefer Atemzug, ein und aus, ein und aus, immer langsamer, tiefer, ruhiger. Ganz so wie Misses K es ihnen im Meditationskurs beigebracht hat, ein Universum von diesem Drecksplaneten entfernt. Nein , ermahnt sie sich erneut, nicht fluchen, nicht denken, nicht wegdriften. Beruhige dich, konzentriere dich, lass es fließen, einfach nur fließen, ein uns aus, ein und aus, ganz ruhig.
Das Display flüstert leise, ihr Herzschlag verlangsamt sich stetig und der Portable Suit summt beruhigend in seinem künstlichen Klima. Ihre Bewegungen und ihr Geist werden endlich wieder leicht und mit einem einzigen, beherzten Schritt tritt sie durch die Energiehülle der Raumkapsel nach draußen.
12,5 Stunden. Nur noch winzige 12,5 Stunden.
Teil 1 - Die Mission
Casta 3
Die holografische Bedienleiste surrt, als sie die Zeit auf 12 Standard-Minuten einstellt. Es ist ein altes, fast schon antikes System, eigentlich längst überholt von tonlosen und mental gesteuerten Geräten, doch Eve hängt noch an diesen Dingen wie sie noch an manch schönen Erinnerungen festhält.
Das Haus liegt heute ungewohnt still, es schimmert und schläft wie der klare, unberührte See, der sich direkt an die schlichte, holzverkleidete Terrasse anschließt, um sich dann in einem für das Auge unendlich scheinenden, milchigen Horizont zu verlieren. Die hohen, durchsichtigen Fronten schenken einen ungetrübt weiten Blick, der nur ab und zu von einem gleitenden Flügelschlag oder einem fallenden Blatt durchschnitten wird. Ein ockerfarbenes Schilf wiegt sich im Wind, der sanft über dem grüngelblichen Grasland weht. Aus der Ferne ist eine leichte Vibration zu spüren, wahrscheinlich aus einem der Generatoren, die ihre Speicher für die dunkleren Tage voll saugen, doch das ist kaum Eves Sorge in diesem Moment.
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