Nikos Stefanakis
War ja klar
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Nikos Stefanakis War ja klar Dieses ebook wurde erstellt bei
Wie alles begann
Termin im Personalbüro
Die Wahrheit über Drucker, Kopierer und Radiosender
Der Supermarkt
Zuhause
Britta
Männer und Frauen
Der Plan
Das Bembelsche
Das Oberbayern
Die Erinnerung kehrt zurück
Flug nach Griechenland
Die Überfahrt
Die Beerdigung
Der Plan, 2. Versuch
Agentur für Arbeit
Manni Koslowski
Der letzte Spieltag
Zwiegespräch mit Gott
Wieder zurück
Das Bewerbungsgespräch
Der Junggesellenabschied, die Planung
Guter Rat ist teuer
JGA M., die Reise, Teil I
JGA M., die Reise, Teil II
Vegas, Baby, Vegas!, Teil I
Vegas, Baby, Vegas!, Teil II
Vegas, Baby, Vegas!, Teil III
Autohaus Noll
Das erste Date
Der letzte Arbeitstag
Ein Käffchen mit Sarah
Das gemeinsame Abendessen
Das Abitreffen
Impressum neobooks
Als ich an diesem Dienstag aufwachte, begann der Tag mit einem Versprechen. Es war das Versprechen, dass auf einen so herrlichen Frühlingsmorgen nur ein phantastischer Tag folgen könne.
Der Morgen gab das Versprechen, indem er eine ausgesprochen gut aufgelegte Sonne enthusiastisch von einem Himmel strahlen ließ, dessen makelloses Blau nur von einer einzelnen, schneeweißen Schäfchenwolke unterbrochen wurde. Sie schien nur den einen Zweck zu haben, den Azur des Himmels noch zu betonen und gab sich darüber hinaus die größte Mühe, sämtlichen gängigen Wolkenklischees zu entsprechen. Derart inspiriert, wollten auch die Vögel (sie zwitscherten fröhlich), die Insekten (sie summten emsig), die Luft (sie duftete frühlingsfrisch) und die Blumen (sie, äh, sprossen tüchtig?) nicht zurückstehen und dazu beitragen, dass alles so war, wie es sich für einen Bilderbuch-Frühlingsmorgen gehört.
Nur wenig später sollte ich feststellen, dass der Morgen gelogen hatte.
Erste Zweifel an der morgendlichen Verheißung keimten auf, als sich in die gerade beschriebenen, durchweg positiven Eindrücke, die von meinem, noch im Standby-Modus des Halbschlafs befindlichen, Bewusstsein eher träge aufgenommen wurden, ein dumpfer Kopfschmerz zu mischen begann. Nach kurzer Analyse kam ich zu dem Schluss, dass es sich wahrscheinlich um die Sorte Kopfschmerz handelte, die sich in Folge unangemessenen Alkoholkonsums einstellt. Es fühlte sich in etwa so an, als würde jemand mit einem in rosa Zuckerwatte gewickelten Baseballschläger rhythmisch auf meinen Hinterkopf eindreschen. Unterstützt wurde diese erste Arbeitshypothese durch den Eindruck, dass sich die ersten vereinzelten Gedanken mühsam ihren Weg durch vier Pfund Hefeteig kämpfen mussten und sich dabei auch nicht der kürzesten Strecke bedienten. Ein weiterer Fingerzeig war das charakteristische Gefühl (und der entsprechende Geschmack), dass die Sorte Flora, die auf Milchprodukten ein sicheres Indiz für die Überschreitung des Mindesthaltbarkeitsdatums ist, über Nacht prächtig auf meiner Zunge gediehen sein musste. Ein gewisses allgemeines Unwohlsein und die Tatsache, dass ich, abgesehen von meinem linken Schuh, noch vollständig bekleidet im Bett lag, leisteten den Rest der erforderlichen Überzeugungsarbeit.
Da ich auf zusammenhängende Erinnerungen an den letzten Abend gerade nicht zurückgreifen konnte, gab ich mich für den Augenblick mit den vorliegenden Indizien zufrieden.
Schwerfällig wälzte ich mich herum, in der vagen Hoffnung, eine unbekannte Schöne neben mir im Bett zu entdecken, was sich jedoch dann, wie so oft, als unbegründet herausstellte.
Die geschilderten Überlegungen fanden in dem eher gemächlichen Tempo statt, das meiner körperlichen und geistigen Verfassung angemessen war, bis mich die Frage, warum ich zu offensichtlich schon fortgeschrittener Stunde an einem Werktag mit einem Kater und lückenhaftem Erinnerungsvermögen noch im Bett lag, dazu veranlasste, einen Blick auf die Uhr zu werfen.
Die Tatsache, dass es bereits 11:43 Uhr war, verwandelte mein diffuses Unbehagen in ein sehr konkretes. Um diese Zeit sollte ich mich eigentlich im Büro befinden und mich auf die Mittagspause vorbereiten. Der Schreck beschleunigte den Prozess des Wach- und Nüchternwerdens erheblich. Es war ganz und gar nicht meine Art, zu spät zur Arbeit zu erscheinen. Schon hatte ich mich aus dem Bett katapultiert und war auf dem halben Weg ins Bad mit dem nicht unkomplizierten Versuch, mich parallel zu entkleiden beschäftigt, als sich die Erinnerung an den vorangegangen Tag schlagartig wieder einstellte.
( Die Harfenakkorde, die Sie gerade hören und das Verschwimmen des Bildes kündigen, wie Sie sicher geahnt haben, eine Rückblende an. )
Am Tag zuvor.
Die Betreffzeile und Absender der soeben auf meinem Bildschirm erschienenen Mail sagten bereits alles. Wenn man um die prekäre wirtschaftliche Situation der Firma, bei der ich beschäftigt war, wusste, die in den letzten Monaten bereits zu zwei Kündigungswellen geführt hatte, erforderte es ehrlich gesagt auch keine Kombinationsgabe Holmes’schen Ausmaßes, um die Puzzlestücke ‚Termin vom Personalleiter‘ (unter Teilnahme des Vorgesetzten) und dem Betreff „Personalgespräch“ zur Vermutung zusammenzusetzen, dass es sich wahrscheinlich nicht um die Bekanntgabe einer Gehaltserhöhung handeln würde. Leider sollte ich recht behalten.
Das mittelständische Unternehmen aus der Automobilzulieferer-Branche, bei dem ich als Entwicklungsingenieur beschäftigt war, litt schon seit mehreren Monaten unter der wirtschaftlichen Entwicklung, die sich im Zuge der Finanzkrise von 2009, speziell im Automobilbau, ergeben hatte. Entsprechend der üblichen Reflexe der Fahrzeughersteller in Krisensituationen wurden Entwicklungsprogramme entweder ganz gestrichen oder zumindest auf unbestimmte Zeit verschoben, so dass neue Aufträge schlagartig ausblieben. Zudem sanken mit dem eingebrochenen Absatz an Fahrzeugen automatisch auch die Anzahl der verkauften Einheiten der Teile, die die Firma produzierte. Der Umsatz war demzufolge dramatisch zurückgegangen und drohte die Firma in existentielle Nöte zu bringen. Dies erforderte entschlossenes Handeln der Führungskräfte.
Die Tatsache, dass es sich um ein amerikanisches Unternehmen handelte, brachte es mit sich, dass die Geschäftsleitung wenig Zeit mit der Suche nach alternativen Lösungen vergeudete und sich umgehend zu schmerzhaften (nicht für die Führungskräfte) aber zwingend notwendigen Maßnahmen (der ein oder andere Betroffene zeigte sich verblüffenderweise uneinsichtig) entschloss. Diese bestanden im Wesentlichen aus „Freisetzungen“ sowie anderen Ausgabenkürzungen, allerdings jeweils begleitet von erläuternden Rundschreiben des CEO, so dass man zumindest gut informiert und nicht ohne tröstlichen Ausblick („Die schmerzhaften aber leider alternativlosen Maßnahmen werden das Überleben der Firma sicherstellen. Danke für Ihr Verständnis.“) seinen Job verlor.
Es ist in diesem Zusammenhang erstaunlich zu beobachten, welche Aktivitäten Krisensituationen in Unternehmen hervorrufen. Insbesondere die Kostensenkungsmaßnahmen trugen deutlich realsatirische Züge. Unter den Sparmaßnahmen waren neben nachvollziehbaren Aktivitäten wie Überstundenabbau, Ausgabensperre und Ähnlichem auch Geniestreiche, wie z.B. die Abschaffung der geleasten Kaffeevollautomaten (Ersparnis im Jahr ~ 400 €), Kündigung des Reinigungsservices für Arbeitsbekleidung, Streckung der Putzintervalle für die Gebäudereinigung sowie die Inzahlunggabe von Altpapier, für die sich der verantwortliche Manager auf die Schultern klopfen lies.
Читать дальше