„Wichtig ist doch, dass wir zusammen sind und ich möchte, dass es auch so bleibt.“
Ok, bisher waren die großen Geschütze stumm geblieben, aber die Eröffnung hatte machte mich nervös gemacht.
„Ja?“, fragte ich vorsichtig. „Geht mir ganz genauso. Was riecht denn da so verführerisch?“, fragte ich in dem verzweifelten Versuch, das verminte Gelände doch noch zu verlassen.
„Zum Essen kommen wir noch früh genug“, sagte sie, langsam etwas ungeduldiger werdend. „Wie Du weißt, werde ich dieses Jahr 32.“
An dieser Stelle ist ein kleiner Einblick in die weibliche Kommunikation hilfreich. Wie wir aus der Sprachwissenschaft wissen, enthält ein Aussagesatz in einer Konversation in der Regel neben der eigentlichen Aussage eine unausgesprochene Frage und eine unausgesprochene Aufforderung. Zur Verdeutlichung hier ein kleines Beispiel.
Person A: „Der Mülleimer ist voll.“
Ist Person A männlich, lautet die unausgesprochene Frage: „Warum haben wir keinen größeren Mülleimer?“ und die unausgesprochene Aufforderung: „Lass uns einen größeren Mülleimer kaufen!“
Ist Person A weiblich, lautet die Frage:
„Wie kannst Du nur so unaufmerksam sein und nicht bemerken, dass der Mülleimer voll ist? Ich schufte mir hier für Dich Tag für Tag in der Küche die Finger wund und Du bekommst es nicht einmal mit. Ist es wirklich zuviel verlangt, dass Du Dich auch mal für fünf Minuten an der Hausarbeit beteiligst, Deinen faulen Hintern vom Sofa hebst und den Müll runter bringst? Warum habe ich nicht auf meine Mutter gehört, als sie mich vor Dir gewarnt hat? Ist das der Dank dafür, dass ich Dir meine besten Jahre geschenkt habe? Womit habe ich das verdient? …“
Die Aufforderung lautet primär nicht etwa: „Bring endlich den Müll runter!“, sondern: „Lass Dir etwas einfallen, wie Du das wieder gut machen kannst!“ Im Grunde verdichten sich in der Kommunikation von Frauen mit Männern, die in einer Beziehung leben, die unausgesprochene Frage und Aufforderung schlussendlich sehr oft zum unausgesprochenen Vorwurf.
„Findest Du mich zu dick?“, heißt demnach im Klartext:
„Du sexistisches Chauvinisten-Schwein, nur weil ich nicht den typischen Männer-Phantasien entspreche, die ihr uns mit Hilfe der Medien aufzwingen wollt und die uns Frauen zu bloßen Lust-Objekten Eurer krankhaften Vorstellungen degradieren, hast Du kein Recht mich so herzlos zu behandeln. Im Übrigen siehst Du auch nicht aus wie Brad Pitt.“
Aber ich bin kurz abgeschweift, zurück zur Unterhaltung.
„Wie Du weißt, werde ich dieses Jahr 32.“
(Unausgesprochener Vorwurf: „Hoffentlich vergisst Du meinen Geburtstag nicht auch noch.“)
„Langsam möchte ich schon gern wissen, ob es Dir mit uns genauso ernst ist wie mir.“ (Unausgesprochener Vorwurf: „Du liebst mich nicht! Jedenfalls nicht so sehr, wie Du müsstest!“)
Frauen verfügen über unzählige Talente. Eines der ausgeprägteren davon ist die Fähigkeit, in uns Schuldgefühle dafür zu wecken, dass sich unsere Sicht der Dinge von der ihren unterscheidet.
„Äh, was genau stimmt denn nicht mit uns, so wie es jetzt ist?“, fragte ich zaghaft.
„Meinst Du nicht, dass es nach fünf Jahren langsam Zeit ist, sich zu entscheiden, gemeinsam den nächsten Schritt zu gehen?“
Suggestivfragen haben eine spezielle Wirkung auf mich. Sie provozieren fast automatisch die Antwort, die die Frage nicht vorsieht.
„Eigentlich nicht“, antwortete ich daher, ohne ausreichend darüber nachgedacht zu haben. Brittas Gesichtsausdruck ließ nur zwei Schlüsse zu. Entweder hatte sie gerade festgestellt, dass ich ihre lachsfarbene seidene Lieblingsbluse versehentlich mit der Kochwäsche gewaschen hatte, oder meine Antwort gefiel ihr nicht besonders.
„Irgendwie hatte ich mit so was gerechnet“, sagte sie.
„Du willst einfach nicht erwachsen werden. Deswegen will ich es Dir ganz leicht machen, weil ich glaube, dass Du eigentlich nur einen kleinen Schubser brauchst. Sag mir einfach hier und jetzt, ob wir dieses Jahr noch heiraten wollen, oder wir beenden die ganze Sache einfach.“
„Äh, noch vor dem Essen?“
Mein feines Gespür für Brittas Stimmungslagen verriet mir, dass ich wieder nicht die gewünschte Antwort gegeben hatte. Die fast unmerkliche Farbänderung ihrer blauen Augen, die immer eine Nuance dunkler wurden, wenn sie wütend war und der verhärtete Zug um ihren Mund sagten mir, dass ich es diesmal wohl übertrieben hatte. Das und die Tatsache, dass sie wortlos die vegetarische Lasagne aus dem Ofen nahm, sie samt Auflaufform in den Müll warf, ihre Jacke aus der Garderobe riss und beim Verlassen der Wohnung die Tür so zuknallte, dass der Putz von der Decke rieselte.
„Wir werden ja sehen, wie Du ohne mich zurechtkommst! (*)“, brüllte sie noch laut genug, um sie durch die geschlossene Tür (diejenige zwei Etagen über uns) mühelos zu verstehen.
(*): Zu meiner Verwunderung ist bei allen Mädchen, mit denen ich mal was hatte, die Überzeugung felsenfest verankert, dass Jungs ohne weibliche Obhut faktisch nicht lebensfähig sind und nach kürzester Zeit unausweichlich der völligen Verwahrlosung anheim fallen. Und das, obwohl ja im Falle des Zusammenlebens penibelst darauf geachtet wird, dass alle anfallende Hausarbeit so genau wie irgend möglich auf beide Parteien aufgeteilt wird und obwohl, sorry Mädels, keine der erwähnten jungen Damen auch nur annähernd so gut kochen konnte wie ich. Oder bügeln. Eure Weigerung, uns Jungs so zu verhätscheln, wie wir es von Mama gewohnt waren, hat uns eben zwangsläufig selbständig werden lassen. Allerdings hat diese panische Angst der Frauen, als unmündiges Heimchen am Herd dazustehen, im Grunde dazu geführt, dass das Zusammenleben oft zu einer Zweck-WG mit gelegentlichem Sex degradiert wird.
„Mist“, dachte ich, „das ist jetzt unglücklich gelaufen.“ Gut, dass ich nicht noch einen Versöhnungsquickie vorgeschlagen hatte. Und nach einer kurzen Pause:
„Was soll ich denn jetzt essen?“
Nachdem ich mir ein Bier aus dem Kühlschrank geholt hatte, setzte ich mich auf das Sofa, um über die jüngsten Ereignisse nachzudenken. Tausend Fragen jagten durch meinen Kopf. Lag es etwa an mir? War ich bindungsunfähig? Wäre dieses traurige Ende einer im Grunde nicht unglücklichen Beziehung vermeidbar gewesen? Ob die Lasagne noch essbar war?
Während ich über Geschehnisse nachsann, brach sich plötzlich folgende Erkenntnis bahn: Männer und Frauen sind verschieden. Zugegeben, dieser Gedanke wurde schon das ein oder andere Mal formuliert, aber ich war ja auch noch nicht fertig.
Als Mensch, dem in seiner Ausbildung eine analytisch-systematische Denkweise näher gebracht worden war, suchte ich nach einem Ersatzmodell, das in der Lage war, die weiblichen Verhaltensweisen in einer Beziehung zu beschreiben und wurde bei den Wirtschaftswissenschaften fündig. Frauen sind ganz offensichtlich Beziehungsökonomen.
Frauen prüfen permanent ihr aktuelles Portfolio (= Partner) auf seinen aktuellen und prognostizierten Marktwert und hinterfragen, ob die kurz-, mittel- und langfristigen Renditeaussichten die Erwartungen erfüllen können. Hierzu erfolgt ein kontinuierlicher Austausch mit den anderen Marktteilnehmern und der Abgleich zum Index (= Beziehung der Freundinnen und Bekannten). Die erwartete Rendite selbst kann hierbei ganz unterschiedlich sein (Heirat, Kind(er), Haus, Cabrio, oder alternativ Heirat UND Kinder UND Haus UND Cabrio, ...). Der bereits geleistete emotionale Invest wird hierbei ins Verhältnis zu den Renditeerwartungen gesetzt und im Falle einer negativen langfristigen Prognose werden nüchtern die Konsequenzen gezogen.
Bei der Assetbewertung verlässt sich die Beziehungsökonomin nicht allein auf das eigene Urteil, sondern zieht zusätzlich die Ratingagenturen (= Mutter, beste Freundinnen) zu Rate. Wir alle wissen was geschieht, wenn ein Papier auf Ramschstatus abgewertet wird…
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