„Keuschheit, wieso Kloster, wohnen sie dort? Niemand muss in Keuschheit leben, warum auch? Das ist doch weltfremd, wenn man gegen die menschliche Natur lebt. Tiefstes Mittelalter ist das. Ohne die Sexualität gäbe es keine Menschheit mehr. Die ist doch nichts Schlechtes, abgesehen von den perversen und verbrecherischen Praktiken. Außerdem macht sie unheimlich Spaß, ist was Schönes, zumindest für die Männer. Frauen sehen das bestimmt oft ganz anders. Ich war noch nie keusch und werde es hoffentlich auch nie sein, höchstens wenn man mir das Werkzeug dafür wegnehmen würde.“ Sie hörte es richtig, dass er dabei ganz unverschämt grinsen musste.
„Dann passen Sie mal schön auf. Ganz einfach, ich bin eine Klosterschwester …!“
„Was sind sie? Nein, das glaube ich nicht, eine Nonne, so ein richtiger schwarz gekleideter Vogel, so ein Pinguin? Sie leben in einem Kloster“ entfuhr es ihm lachend ganz impulsiv. „Entschuldigung! Ich wollte sie nicht verletzen. Das kann ich mir nicht vorstellen, niemals! Dafür sind sie viel zu hübsch, zu reizend, zu liebenswert, zu attraktiv … Mir fehlen einfach dafür die Worte, so entsetzt bin ich. Warum hat man sie denn da eingesperrt, in dem Kloster?“
„Papperlapapp … mein Lieber … ich dürfte solchen Reden gar nicht zuhören! Außerdem konnten sie mich ja noch gar nicht richtig sehen …!“
„Sehr schade, sehr, sehr schade, wäre sicher ganz schön, na ja … Einem Mann reichen da aber auch minimalste Eindrücke … und da gab es ja schon etliche, die einem den Blutdruck etwas steigern konnten, wie sie wissen …!“ grinste er.
„’Minimalste Eindrücke’, das kann ich mir denken. Euch Männern reicht es doch schon, wenn ihr wisst, dass neben euch eine Frau liegt. Und wenn dann noch die richtige Oberweite, und so weiter und so weiter dazu kommt, dann wandert das ganze Gehirn bei jedem Mann zwischen die Beine!“ Sie lachte dabei und freute sich über ihre eigene Schlagfertigkeit. „Tja, mein Lieber, ich bin eine Nonne, und lebe seit fast zwanzig Jahren in einem Kloster, seit meinem achtzehnten Lebensjahr ganz genau. Und ich bin es sehr gerne, ich bin dort glücklich und zufrieden, trotz Demut, Keuschheit, Armut, Gehorsam und viel, viel Beten …!“
„Zwanzig Jahre, nur hinter Klostermauern, so hübsch, so schön und aufregend wie sie sind? Das glaube ich einfach nicht. Das darf doch nicht wahr sein. Da müssen sie aber viel angestellt haben, dass man sie so hart bestraft und eingesperrt hat. Keusch müssen sie auch sein? Das ist ja furchtbar. Also ich könnte das niemals. Das mit dem Beten könnte ich ja gerade noch, wenn es nicht zu viel wird. Aber den Gehorsam, da hätte ich so meine liebe Not. So, so, Keuschheit, und wieso dürfen sie dann so alleine auf den Bergen hier herumlatschen, nachts sich zu fremden Männern ins Bett legen, und ihnen Verstand und die gesamte Gefühlswelt ziemlich heftig durcheinander bringen? Oder gilt die Keuschheit nur hinter den Klostermauern, wo sowieso keine Männer sind?“ meinte er lachend im scherzhaften Tonfall. Es entstand für etliche Sekunden eine Pause.
Angela musste nachdenken und durchschnaufen. Es fehlte ihr die Luft. Ihre Gedanken überschlugen sich förmlich. Ihre Gefühle liefen sowieso schon auf Maximal. Sie wusste nicht mehr so recht, was sie denken sollte „Das klingt mir alles schon wieder viel zu gefährlich, das ist viel zu gefährlich, viel zu nahe, viel zu persönlich, viel zu … Ich spiele doch hier mit Streichhölzern, hab längst ein Feuer in Gang gesetzt. Ich muss es stoppen, sofort austreten, sonst …!“ Überdeutlich fühlte sie, dass sie solchen Gesprächen, diesem komischen Knistern in der ganzen Atmosphäre, hier jetzt wirklich nicht mehr gewachsen war. Sie fühlte sich der Situation und diesem Menschen da total hilflos ausgeliefert und dachte „Wir rasen da auf etwas zu, was ich nicht kenne, mit dem ich nichts, rein gar nichts, anfangen kann …!“ Und sie spürte, dass sie schon wieder, oder besser noch mehr, die Kontrolle über sich selbst und die ganze Situation sowieso verloren hatte. Dieser nette Kerl da hatte längst ihren Kopf und die Reaktionen ihres Körpers total zu beherrschen begonnen. „Das Ganze gefällt mir aber doch auch sehr, sehr … macht richtig Spaß … ist schön und aufregend … Es ist nur leider sehr viel mehr, als ich darf und gut für mich ist“ dachte sie aber auch für ein paar Sekunden.
Sie durfte seine Bemerkung nicht scherzhaft verstehen und entgegnete ihm schroffer, als sie es wollte. Es sollte nur eine Spur beleidigt klingen. Er fand es nur süß, als sie sagte „Wenn sie meinen, ich kann ja auch im Stall übernachten. Dann können sie ungestört schlafen und brauchen nicht zu fürchten, dass jemand Ihre unanständigen Gedanken und unbeherrschten Gefühle fördert. Das wollte ich bitte auch nicht …!“
Er machte auf der gleichen Welle unbeirrt weiter und ging gar nicht darauf ein. Er flüsternd jetzt ganz nah an ihrem Ohr und sagte „Und wer soll dich denn dort vor dem Unwetter beschützen? Es ist aber schön, unanständige Gedanken und unbeherrschte Gefühle zu haben, vor allem, wenn es eine solche Ursache ist, wie du es bist. Es war ein Scherz, Schwesterlein. Das bist du doch? Muss ich doch zu dir sagen, oder? Bitte nimm es auch so auf und sei jetzt nicht beleidigt. Ich mein es wirklich nur ganz lieb und sag nur die Wahrheit. Ich kann doch dir gegenüber nicht einfach lügen. Eine Klosterschwester belügen, ja niemals könnte ich das. Außerdem lass ich dich ganz einfach nicht mehr aus. Ich kann dich doch nicht schutzlos dem Gewitter aussetzen …!“
Sie wollte seine Zwischentöne gar nicht hören und bemühte sich möglichst nüchtern zu klingen, wenngleich für ihn ihre unglaubliche Aufregung, die Aufruhr in ihrem ganzen Körper, unüberhör- und fühlbar war. Ihre Stimme zitterte förmlich, als sie laut flüsternd im bestimmenden Ton ihm zu antworten versuchte „Ja, mein Lieber, das bin ich, eine Klosterschwester. Hat der kleine Junge das jetzt endlich kapiert, oder muss ich Dir noch näher erklären, was Keuschheit, Armut, Demut, Gehorsam und Gebet bedeuten? Ich bin daran gebunden, und zwar für mein ganzes Leben, verstehst du? Da gibt es keine Ausnahmen. Außerdem bin ich bestimmt etliche Jährchen älter als du, mein Junge. Ich habe nämlich schon vor fünfzehn Jahren meine ewigen Gelübde abgelegt. Und ich gedenke sie auch nicht zu brechen, nur weil du zufällig in einer besonderen Situation an meinem Rücken liegst und zufällig auch noch ein Mann bist …!“ Nach ein paar Sekunden Pause fuhr sie fort „Wenn auch scheinbar ein, na ja … aber, lassen wir das besser …!“ Die letzten Worte klangen schon fast schmollend, sehr leise und sehr versöhnlich. Sie lächelte dabei.
Es war ein ganzes Gebirge, das ihm jetzt vom Herzen fiel. Er dachte „Sie mag mich also scheinbar auch und ist nicht mehr verärgert!“ Sein Herz jubelte „Und sie hat es doch tatsächlich nicht einmal bemerkt, dass sie auf mein absichtliches ‚Du’ sofort eingegangen ist …!“
Er täuschte sich. Sie hatte es sehr wohl bemerkt. Sie konnte nicht mehr anders. Sie wollte es jetzt auch, das Spiel mit dem Feuer. Ihre Hemmschwelle war bereits sehr weit unten. Sie tat es aus der totalen Emotionalität der Situation heraus und nicht bewusst. Es passierte ihr einfach so. Unbewusst hatte die Frau, die Angela in ihr die Schwester Margareta vollkommen ausgesperrt und komplett die Regie über ihre Gedanken und Gefühle übernommen.
„Und als Schwesterlein heißt du dann wohl ‚Margareta’. Der Name gefällt mir, klingt aber etwas nüchtern! ‚Angela’ passt viel besser zu dir …!“
„Findest du wirklich …?“
„Ja, finde ich … Weißt du, da kann man so schöne zärtliche Varianten daraus machen, ich meine jetzt natürlich nur gedanklich, meine ich …!“
„Aha, natürlich, nur gedanklich … meinst du. Versteh ich ja … Aber wieso zärtlich … die kenne ich ja gar nicht …? Was sind denn das für welche …?“ fragte sie spitzbübisch leise lachend fast schon zärtlich.
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