Genau genommen hatte er die nüchterne Übersicht und die überlegte Kontrolle längst verloren. Und irgendwie wusste er nur noch eines „Diese Frau, alles an ihr, ist wie ein großer Magnet. Ich muss dieses faszinierende Wesen wieder in meinen Armen halten, sie fühlen, sie näher sehen und hören und sie küssen bis ihr die Luft ausgeht. Ich will es, ich will es, ich will es, immer wieder, die ganze Nacht und … Ich möchte ihre süßen Lippen spüren und ihre prallen Brüste, ihren ganzen erregenden Körper …!“ Es war wohl eine Mischung aus Sehnsucht und einem heftigen Begehren, wie er es so plötzlich auftauchend noch nie vorher erlebt hatte. Das in der Dunkelheit nur bedingt Sichtbare, die wenigen Kontakte, eben nur ihre Stimme, ihre Wärme, ihr Geruch, ihre Haut und ihr ganzes Verhalten hatten seine Gedanken regelrecht zu diesem Körper und vor allem zu diesem Menschen hin beflügelt und komplett gelähmt.
Angela beherrschte jetzt, dass hieß eigentlich schon die ganze Zeit, sein komplettes Denkvermögen „Könnte sie das sein, die Liebe auf den ersten Blick, die einen wie ein Blitz treffen soll, und die ich bisher immer für größten Unsinn gehalten habe? Ruhig Blut, am besten denkst du gar nichts, sonst ist alles kaputt, bevor es begonnen hat. Hör mit deinen Fantasien auf. Dieses bezaubernde Wesen ist ein Format, das dir völlig unbekannt ist. Da machst du ansonsten bestimmt alles falsch …!“ Er wusste, dass er solche Gedanken und Gefühle bisher noch niemals durchgemacht hatte. Sicher, er wollte ein paar Frauen möglichst rasch nach dem Kennenlernen auch besteigen. Mann brauchte das ja mitunter. Aber das war doch nicht so inbrünstig und so sehnsüchtig; er wollte sie nur ganz einfach in seine Arme nehmen und küssen, immer wieder küssen und nur streicheln, sie fühlen, mehr wollte er doch gar nicht. Das war hier alles ganz anders. Bisher war das immer mehr Routine, schnöde Befriedigung seiner Geilheit. Er benutzte die Damen halt, weil es sich gerade anbot, der Druck in seinen Samenblasen sehr hoch war, die Situation dafür geeignet war, sie sich anboten, willig ihre Schenkel spreizten und sich ficken ließen. Ja, genau, hier war alles anders. Er gierte nicht nach dem Ficken. Nein, er gierte nach jeder Berührung, nach ihrer Haut, ihre Pölsterchen, ihrem Geruch, ihrer Stimme, der Hitze ihres Körpers, die er durch das Nachthemd spürte, ihrem verschwitzten, offensichtlich schönen Körper, der so sehr nach Frau roch, nach diesem so reizenden, empfindsamen kleinen Wesen, das so zerbrechlich wirkte und doch scheinbar ganz handfeste und sehr attraktive Formen hatte. Das hätte ihm schon gereicht. Er dachte, „Mädchen. die nächsten Blitze kommen bestimmt …!“ und grinste in sich hinein. „Ich krieg dich schon. Das Gewitter ist noch lange nicht vorbei …!“
Und so war es dann natürlich auch. Sekunden später mit den nächsten Blitzen und sofort fogenden furchterregenden Donnergrollen flog sie wieder mit einem Aufschrei an seine Brust. Diesmal allerdings schob sie sich nur schnell rückwärts und kuschelte sich mit dem Rücken an seinen Körper. Sie dachte, „Da habe ich Schutz und bin gleichzeitig mit diesem Mann, diesem … Mann … diesem … zumindest nicht frontal konfrontiert. Dann kann er mich nicht mehr so anschauen! Und es kann jetzt ja nichts mehr passieren …!“
O, Angela, wie weit sollte doch jetzt dein ansonsten so brillantes Köpfchen hier an den Realitäten vorbei gedacht haben. Ihr Verstand funktionierte hier schon längst nicht mehr. Dass ihr die gesamte Gefühlswelt in Wirklichkeit einen ziemlichen Streich gespielt hatte und immer noch heftig spielte, war ihr in diesem Moment noch nicht bewusst. Ihre Gefühle und ihr Körper hatten die erneuten Blitze und Donner herbei gesehnt und ganz einfach die Gelegenheit der neuen Blitze genutzt, um sich wieder dorthin zu begeben, wo beides hinwollte. Ganz behutsam legte er seine Hand auf ihren Arm, der vor ihrem Körper lag, und streichelte sie ganz leicht über ihren eingezogenen Kopf. Leise sagte er „Bitte seien sie mir doch nicht böse! Ich reagiere nur, wie eben ein erwachsener Mann auf eine Frau wie sie, die er so spürt und sieht, eben reagiert, wenn er eben – wie ich - halbwegs normal ist. Ich tu ihnen ganz bestimmt nichts … Bitte, sie brauch bestimmt vor mir keine Angst zu haben, nicht geringste!“
Angela lief ein Schauer nach dem anderen den Rücken herunter. Ihre Beklemmung im ganzen Magen und Brustbereich schnürte ihr fast etwas den Atem ab. Eine unglaubliche Aufregung herrschte in jeder Körperzelle. Alles war in Aufruhr, alles fibrierte richtiggehend in ihr.
„Ja, ja, das kenn ich schon!“ flüsterte sie laut, und er konnte in der Dunkelheit ihr schelmisches Lächeln förmlich sehen, „Ich tue euch nichts, bestimmt nicht. Ich möchte nur nachsehen wie es bei euch da drinnen im Stall so aussieht'. Ja, genau so sprach der Fuchs zu den Hühnern, wie er in den Hühnerstall wollte, um sie dort alle aufzufressen. Halbwegs normal …? Na so was … Ich glaube Ihnen kein Wort … Eben, sie sind auch nur ein Mann. Konnte man ja eindrucksvoll bemerken. Wissen sie was sie sind? Ein Heuchler sind sie, ein ganz großer Heuchler sogar und ein Scheinheiliger sind sie auch! Ich hab es doch ganz genau gespürt … !“ Nach ein paar Sekunden Pause fügte sie noch an „Leider vielleicht auch ein nicht ganz unsympathischer. Ein schlechter Mensch sind sie ja vermutlich nicht. Sonst hätte mich der Senner bestimmt nicht zu ihnen ins Bett gelotst! Aber ein Mann sind sie und ich bin eine Frau …!“ Am liebsten hätte sie noch angefügt „Ein hübscher und sehr sympathischer Bengel …!“ Das ging ja nun ganz schlecht.
So foppten sie sich noch etliche Sekunden gegenseitig, und zwischen den Zeilen bewegte sich bei beider Wortspiele jeweils alles zielstrebig auf einen Punkt zu: ‚Mann mag Frau, und versucht ihr das verschlüsselt zu sagen, und Frau mag Mann, und versucht das ebenfalls verschlüsselt rüber zu bringen. Der andere sollte es merken, dass man … aber es sollte immer schön eine zweite Möglichkeit, eine zweite Türe, offen bleiben. Auf den Mund gefallen waren sie beide nicht. Das Gewitter war dabei völlig in den Hintergrund getreten.
Schließlich lachte Klaus bei einer ihrer Bemerkungen laut auf. Sein Herz hüpfte vor Freude über ihre Reaktionen. Ihres hüpfte auch und lief auch auf Höchsttouren. Sie bebte vor Erregung, ihr Herz raste und das Atmen fiel ihr sonderbarerweise immer schwerer, obwohl ihre Gedanken und Gefühle mittlerweile nicht mehr vom Gewitter vorrangig beeinflusst wurden. So zweideutig und doch eindeutig hatte sie sich noch nie mit einem Menschen unterhalten. Es war etwas völlig Neues für sie und es gefiel ihr unheimlich bei diesem Mann. Alles in ihr wollte es und mit nichts dachte sie mehr daran, dass sie ja eine Nonne war und solches Reden und Gedanken deshalb ja völlig unvorstellbar waren.
„Das mit der Sympathie beruht übrigens auf Gegenseitigkeit, wie Sie vielleicht schon ein klein wenig bemerkt haben, Frau Bettnachbarin, wenn ich es einmal ganz vorsichtig und unverdächtig ausdrücken darf? Heuchler und auch noch ein Scheinheiliger, iiiich? Das bin ich ganz bestimmt nicht. Ich tue keiner Fliege etwas zu leide, geschweige denn einem kleinen, schwachen Mädchen wie sie. Mein Gott, da müsste ich mich ja wohl der Sünden fürchten …!“ Mit einem Lachen sah sie ihn über die Schulter an. Bisher hatte sie es ständig vermieden, endlich einmal zu erwähnen, dass sie ja Klosterschwester war. Eigentlich hätte sie das schon längst tun müssen. Irgendetwas in ihr hatte sie davon abgehalten. Es war vermutlich die Befürchtung, dass dann dieses so faszinierende Spiel, das ihr bisher unbekannt geblieben war, abrupt zu Ende sein konnte. „Trotzdem“, dachte sie, „Ich muss es irgendwo mit einflechten. Das geht so einfach nicht weiter. Das darf ich nicht verschweigen .“ Sie wollte jetzt das Gespräch darauf hinlenken und es gelang ihr schlau. Lachend sagte sie: „Den lassen Sie mal schön aus dem Spiel. Sie, und der Sünden fürchten? Das glaube ich niemals. Sie sind bestimmt gegenüber Frauen ein ganz ein Schlimmer, und zwar ein ganz ein großer Schlimmer, ein kleiner Schlawiner, bei dem die Frauen gut aufpassen müssen. Irgendwie spüre ich das, und mein vorzüglicher Instinkt für männliche Wesen sagt mir das auch eindeutig. Wissen sie, auch in einem Kloster liest man Zeitungen, kennt die Medien und hat natürlich tagtäglich auch mit Männern zusammen zu arbeiten. Ganz weltfremd sind wir also bestimmt nicht, auch wenn nab das draußen vielleicht oft so meint, und wir im Kloster in Demut, Gehorsam, Armut und in absoluter Keuschheit leben …!“
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