„Na klar, deswegen bin ich hier.“ Am Tisch war es merklich kühler geworden. „Kommen sie schon “, sagte Back. und senkte ihren Kopf etwas. „Wir sind schließlich im Krieg. Außerdem sitzen sie hier nicht im Schlafanzug, also darf ich sie noch ansprechen.“ Verärgert kickte sie leicht gegen das Stuhlbein
„Haben sie keinen Partner, der ihnen zuhört?“
Engels hatte nicht gesehen ob der Ball bei den Roten angekommen war. Mit einer Hand begann er erneut seinen Oberschenkel zu massieren. Die Hüfte brannte immer noch wie Feuer.
„Derzeit sind wir etwas unterbesetzt.“ Back seufzte, verschränkte die Hände und schob sie zwischen die Knie. „Haben sie eigentlich noch Schmerzen?“
Als keine Antwort kam fragte sie einfach weiter. „Wo wollen sie ansetzen?“
„Ich steige gerade erst ein, Kollegin.“
Ein Raunen ging durch die Tischreihen. Engels hob den Kopf und versuchte, an Back vorbei einen Blick auf den Bildschirm zu werfen.
Schalke startete gerade einen schnellen Konter. Von der Mittellinie trieb Holtby den Ball nach vorne, aber warum, zum Henker spielte der Kerl nicht endlich ab? Huntelaar und der tolle Spanier warteten bereits auf den Ball und winkten mit den Armen wie Matrosen in Seenot.
Aber vergeblich. Erst als Müller fast in ihn hineinlief versuchte Holtby endlich den Pass zu spielen.
Auch die Zuschauer in der Kneipe brüllten.
„Ich dachte sie sind schon mittendrin.“
Sabine Back wollt noch etwas sagen, aber die Bedienung kam mit einem Tablett voller Getränke an den Tisch und stellte zwei tropfende Biergläser vor ihr ab.
Als die Frau wieder außer Hörweite war sagte sie: „Einbrüche ohne Betäubungsgas gibt es zurzeit gar nicht mehr. In den Villen an der Rheinpromenade oder in der Oststadt sind Gasmelder heute schon normaler als einfache Feuermelder. Es ist eine regelrechte Epidemie geworden.“
„Aber deswegen sind sie nicht gekommen.“
Engels blickte hoch und seine Haltung straffte sich.
„Alles deutet auf einen Einbruch hin“, sagte Back und ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. „Ich weiß das auch, aber ich glaube es nicht. Ich denke eher, dass es Tarnung ist um uns zu täuschen.“
„Ist das weibliche Intuition?“
Sofort wurde Back ruppiger.
„Jedenfalls kann ich es nicht belegen.“
„Trotzdem danke für den Hinweis. Ich werde daran denken.“
Sabine Back wurde ein wenig freundlicher. Und sie zeigte auch ein weicheres Lächeln.
„Jetzt habe ich noch etwas Zeit“, erklärte sie. „Sie wissen ja warum man mich abgezogen hat.“
„Ich weiß nur, dass es enorm wichtig ist und dann holt man immer die Besten.“ Engels Lächeln wurde verwirrend
„Danke für die Blumen“, antwortete Back. „Eine junge Frau wurde tot aufgefunden. Darum geht’s. Aber der Fall hier ist wichtiger.“
Die Kellnerin tauchte wieder auf, räumte den Teller ab und fragte ob sie noch einen Wunsch hätten.
Sabine Back sah auf ihre Uhr und schüttelte den Kopf. „Es war wieder mal die Geliebte eines sehr wichtigen Mannes“, sagte sie dann noch zu Engels hinüber. „Ein echtes Drama, und sowas wiegt manches auf, verstehen sie?“
„Eben fällt der Groschen.“
Engels sah sie wieder direkt an. „Ich habe von der Geschichte gehört, aber ich beneide sie nicht um den Job. Das kann echt haarig werden, und Freunde machen sie sich beim LKA damit auch keine.“
„Noch etwas?“
Die Stimme von Sabine Back klang plötzlich wieder verärgert. „Die Zeit vergeht und ich muss mich beeilen“, sagte sie. „Mein Zeitfenster ist in den nächsten Tagen arg eng.“
„Dann nehme ich das mal als Ansporn.“
Falscher Ton, und Engels wusste es sofort.
„Nichts ist einfach Max, und ich mein`s ernst.“
„Dann haben wir es nicht schwer miteinander.“ Engels räusperte sich noch einmal
„Oh Mann.“
Back schloss für einen Moment die Augen: „Aber jetzt erklären sie mir noch warum sie schon wieder Dienst machen.“
„Ich reise gern herum… “
„Schon klar.“
Back musste lachen.
„Was.“
Unvermittelt wurde ihr Blick wieder schärfer. „Ich habe gehört, dass sie vielleicht nicht mehr laufen können“, sagte sie, „und ich finde ehrlich, dass sie noch arg lädiert aussehen.“
„Ganz so schlimm ist es nicht“, versuchte Engels zu scherzen. „Aber falls die Halluzinationen wieder einsetzen gebe ich ihnen Bescheid.“
„Mein Gott!“
„Es ist ganz einfach“, sagte Engels. „Till Keller und ich sind alte Bekannte, und er hat mich um Hilfe gebeten. Deshalb bin ich dabei.“ Er kniff ein wenig die Augen zusammen. „Eigentlich hat er mir keine Wahl gelassen, aber das ist eine ganz andere Geschichte. Offiziell begleite ich die Ermittlungen nur…sozusagen.“
„Bingo.“
Back verdrehte die Augen. „Sie haben einige Geschichten zu erzählen.“
Engels sagte nichts.
„Till Keller steht augenblicklich auch gewaltig unter Druck“, sagte Back dann weiter. „Der muss unbedingt punkten, sonst kippt seine Karriere unter ihm weg.“
„Was meinen sie damit?“
Engels Stimme wurde um etliche Grade frostiger.
„Erinnern sie sich an den Fall Grosser?“
„Das Getöse war ja nicht zu überhören. Ich habe mehrmals darüber gelesen, damals.“
„Keller fungierte bei dem Prozess als Vertreter der Anklage, das wissen sie also?“ Back nahm einen kräftigen Schluck aus ihrem Bierglas. „Jetzt gibt es ein Wiederaufnahmeverfahren für Grosser.“
Engels zuckte mit den Schultern.
„Was sie nicht sagen…“
„Egal“, Back wischte sich etwas Bier vom Kinn. „Die Verurteilung von Grosser wurde für Till Keller jedenfalls zum Startschuss, und führte zu seinem Durchmarsch in der Staatsanwaltschaft. Jetzt kann das schöne Urteil aber kippen.“
„Autsch!“
„Genauso muss sich das anfühlen.“
„Was hat Keller denn falsch gemacht? Täusch ich mich, oder ging es bei der Sache um einen Doppelmord?“
Back nickte. „Ziemlich spektakulär sogar“, sagte sie. „Dieser Grosser wurde für schuldig befunden und verurteilt. Jetzt sind wohl einige Zeugen umgefallen, oder haben ihre Aussagen widerrufen.“
„Da wird Till sich aber freuen“, sagte Engels und stürzte sein Bier hinunter. „Kein Wunder, dass Erfolgsmeldungen … jetzt so wichtig werden.“
„Keller braucht jedenfalls dringend welche.“
Verkniffen lächelte sie über den Tisch. „Grosser wird sicherlich Haftentschädigung fordern, und für die muss auch einer den Kopf hinhalten.“
„Das wird teuer.“
„Sie sagen es.“
„Also zurück zu den Raubüberfällen hier in der Stadt, wer hat die bisher untersucht?“
„Das Einbruchsdezernat und Hauptkommissar Waechter von der Drogenfahndung“, antwortete Back schnell. „Aber momentan sind die Kollegen noch mit einer anderen Sache beschäftigt. Waechter und seine Leute haben vorige Woche in einem Lager im Handelshafen eine Ladung mit siebenhundert Kilo Kokain beschlagnahmt. Jetzt mischt die auch noch die Bundespolizei mit.“
„Warum übergeben die den Fall nicht ans LKA?“
„Was weiß denn ich.“ missmutig schnippte Back einen Weißbrotkrümel vom Tisch. „Bremsen ist immer schwierig.“
Max Engels warf einen Blick auf seine Uhr. „Man hört viel über Mafia-Mitglieder und Festnahmen“, begann er. „Ich habe gelesen der Rückzugsraum von denen reicht schon bis Heidelberg und wird immer größer. Ist das alles nur Übertreibung?“
„Wie man`s nimmt“, antwortete Sabine Back. „Hier gibt es über zweihundert kriminelle Organisationen, die alles Mögliche betreiben, von Cannabisanbau bis zu Kokainschmuggel und Autodiebstählen, Menschenhandel und illegalen Spielhöllen. Man geht von jährlich über zwanzig Auftragsmorden allein in Baden-Württemberg aus. Auch Die Sexindustrie ist enorm angewachsen, über vierzigtausend Personen sind dort beschäftigt. Es gibt Hunderte von Bordellen…“
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