Klara Kraus
Schattenspiele
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Impressum neobooks
Schattenspiele
Die ersten warmen Sonnenstrahlen der Frühlingssonne legten sich auf Judiths Gesicht, der Frühlingswind bewegte leise die Vorhänge.
Judith öffnete langsam die Augen und genoss diese Begrüßung des Tages. Sie hatte heute ihren freien Tag, nach langer Zeit einmal wieder, und fand, dass diese Frühlingsstimmung der richtige Start in einen freien Tag ist.
Das zarte Gelb der Vorhänge mit den kleinen Streublumen lies das Sonnenlicht noch lieblicher und wärmer erscheinen. Judith genoss diese Augenblicke und musste lächeln, wenn Sie daran dachte, welche Bewertung Hendrik wohl über die Blümchen auf sonnengelben Vorhängen abgeben würde.
Judith ließ den Blick durch Ihr Schlafzimmer streifen und fand, dass man sich hier einfach wohl fühlen musste. Das Bett war bequem und ausreichend groß für eine Person, kein Doppelbett wie Sie das zu Zeiten ihrer Ehe hatte, aber ausreichend. Gegenüber vom Bett stand der Kleiderschrank, ein ganz besonders schönes Stück, Kirschbaum, sie hatte lange danach gesucht, und als sie ihn endlich gefunden hatte, aufarbeiten lassen. Sein warmer Farbton gab dem Raum Gemütlichkeit und das Wissen, dass er eine eigene Geschichte hatte machte ihn besonders wertvoll für sie. Neben dem Schrank stand ein bequemer Armsessel, ebenfalls aus Kirschholz, bezogen mit einem maisgelben Stoff mit feinen Streifen. Außerdem gab es noch eine kleine Kommode und einen großen Standspiegel der seitlich kleine Arme hatte, an denen man Schmuck und Haarreifen drapieren konnte.
Sie wollte diesen Tag genießen und sich bewusst keine Termine und Verabredungen aufdrängend lassen.
Sie schlüpfte in eine Jogginghose, zog ein Shirt darüber und machte sich auf den Weg zum Bäcker um die Ecke um Brötchen, Croissants und die aktuelle Tageszeitung zu holen.
Sie brauchte nur ein paar Schritte zu gehen und hatte die Bäckerei schon erreicht. Sie liebte diese Bäckerei. Es war eine ganz besondere Atmosphäre. Ein junger Bäckermeister fertigte in der Backstube hinter dem Laden noch wirklich handgefertigte Brötchen, keine Normbrötchen, die niemals eine Bäckershand gesehen hatten, sondern alles Handarbeit. Mal fielen die Brötchen, oder die süßen Teilchen etwas größer, mal etwas kleiner aus und sie schmeckten unvergleichlich gut.
Die junge Frau des Bäckers stand im Landen und kümmerte sich um den Verkauf. Es duftete unwiderstehlich gut und die Kunden kamen selbst aus weiter entfernten Stadtteilen um dann am Wochenende Schlange auf dem Gehweg zu stehen bis sie an der Reihe waren. Während des Wartens kam man mit dem einen oder anderen Kunden ins Gespräch und machte hier und da auch noch nette Bekanntschaften.
Da heute ein ganz normaler Arbeitstagtag und kein Wochenende war, war der Andrang nicht so groß und Judith kam recht schnell an die Reihe. Sie nahm ein Mohnbrötchen, eine Roggenbrötchen, zwei Croissants und eine Tageszeitung mit. Bezahlte und stieß beim Verlassen des Ladens beinahe mit ihrer Wohnungsnachbarin zusammen, die ein schreiendes Kind im Kinderwagen und eines auf dem Arm hatte. Die junge Frau sah müde und blass aus, Judith hätte ihr gerne etwas Aufmunterndes gesagt, aber es hatte sich nicht ergeben. So blieb es auch bei dem Vorsatz ihr anzubieten künftig die Brötchen mitzubringen.
Judith machte sich auf den Heimweg und erfreute sich der ersten warmen Sonnenstrahlen nach langer Zeit. Es war Anfang Mai und der April war viel zu kühl und nass ausgefallen.
Beim Eingang zu ihrem Haus begegnete sie dem Postboten, der ihr ein fröhliches
„Guten Morgen“,
zurief und ihr einen schönen Tag wünsche.
In Ihrer Wohnung angekommen schaute sie die Absender der Briefe durch, die der Postbote ihr in die Hand gedrückte hatte, es war nichts wirklich Wichtiges dabei.
Sie packte sich Marmelade, etwas Käse, Butter, ein Glas Orangensaft, die Tüte vom Bäcker, eine Tasse Kaffee und die Zeitung auf ein Tablett und begab sich auf den kleinen Balkon, der in der wärmenden Morgensonne lag.
Die Wohnung hatte zwei Balkone, einer war vom Schlafzimmer aus zu begehen, auf dieser Seite hatte man Morgensonne und der zweite Balkon war auf der Seite des Wohnzimmers in Richtung Süd-West und somit hatte Judith beinahe den ganzen Tag die Möglichkeit einen sonnigen Platz zu genießen.
Judith dippte ein Croissant ins Marmeladeglas. Sie wusste, dass „man“ das nicht tut und genau das ließ ihr das Croissant noch besser schmecken.
Die Zeitungslektüre stand jetzt auf dem Programm. Sie las die Zeitung immer von hinten nach vorne, zuerst das örtliche Geschehen, dann das Weltgeschehen. Todesanzeigen, Anzeigen der Geschäfte vor Ort, der Polizeibericht und dann Ratsch und Tratsch über wichtige oder auch nicht so wichtige Leute.
Die Regionalen Seiten hatten nicht viel Aufregendes zu bieten, hier ein Fahrraddiebstahl dort einen Einbruch in eine Gartenlaube. Judith wollte die Seiten gerade schließen, auf Weltpolitik hatte Sie gerade keine Lust, als Ihr Blick auf eine Schlagzeile fiel:
Hochzeit des Industriellen Henrik Jacobsen, großes, Ereignis in der feinen Gesellschaft.
Am gestrigen Mittwoch hat der Industrielle Henrik Jacobsen, die Mutter seines Sohnes Jonas, Sabine Sommer, vor dem Standesbeamten der Stadt das Jawort gegeben. Die anschließende Feier auf Schloss Hohenstein hatte unter strengem Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Laut Presseabteilung des Unternehmens war viel Prominenz unter den geladenen Gästen……..
Darunter ein großes Foto des glücklichen Paares mit dem einjährigen Sohn Jonas.
Judith spürte einen alt bekannten Druck in der Magengegend. Sie konnte dieses Gefühl nicht beschreiben, es war kein Hass, es war keine Wut, es war ein dumpfer Schmerz, der sie ergriff.
Judith hatte ihr Abitur in der Tasche und sie fühlt sich, als würde ihr die Welt zu Füßen liegen.
Wenn ihr Vater auch ihren großen Wunsch nach einer Reise durch fremde Länder und Kulturen nicht erfüllte.
Judith und ihre Schwester Marion erlebten eine wunderschöne Kinder -und Jugendzeit.
Ihr Vater, Hans Kühnen, Professor für Biologie an der Uni, ein großer schlanker Mann, dessen volles, graues Haar sich in störrischen Locken um sein Gesicht legte, pflegte einen liebevollen wenn auch strengen Erziehungsstil.
Ihre Mutter Anna Kühnen, eine kleine zierliche und sehr hübsche Frau mit italienischen Vorfahren, war die heimliche Herrscherin in der Familie. Sie versorgte die Kinder, hielt das Haus in Ordnung und führte die Haushaltskasse.
Die Familie wohnte in einem Haus welches um die Jahrhundertwende erbaut wurde und direkt am Neckarufer stand. Eine große Wohnung mit 5 Zimmern und einer Wohnküche, in der sich das Leben der Familie abspielte, bot genügend Platz um jedem Bewohner seinen eigenen Freiraum zu lassen.
Aus der Küche trat man auf eine große Terrasse mit einer massiven Steinbrüstung und freiem Blick auf den Fluss. Die Einrichtung der Zimmer war sehr individuell. Die große Küche, Anna Kühnens Reich, war mit einem großen Herd, der eine richtige Feuerstelle barg aber auch einen Gasanschluss besaß, ausgestattet. Ein schwerer Tisch mit sechs Stühlen stand in der Mitte und bildete das Herzstück des Raumes. An diesem Tisch wurde diskutiert, gefeiert, gelacht, geweint, Schulaufgaben gemacht und die Mahlzeiten eingenommen.
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