(Er geht zum Zeitungsschrank. Währenddessen nähert sich der Prokurist dem Ministertisch und zieht den Minister des Innern, der sich erhoben hat, ins Gespräch. Eduard winkt den Kellner Franz herbei, der eben mit einem Fetzen aus der Küche gejagt wurde und sich anschickt, der schlafenden Kassierin mit dem Hangerl vor dem Gesicht zu fuchteln.)
Eduard: Hörts denn no net auf? Seids in ein Tschecherl? Schamts euch! (Er sucht weiter im Zeitungsschrank.) Wo habts denn wieder die Illustrierten hinmanipuliert? Für den Ministertisch die Bombe!
(Verwandlung.)
Kanzleizimmer im Obersthofmeisteramt. Nepalleck, ein Hofrat, am Schreibtisch. Er telephoniert, sich dabei fortwährend vor dem Apparat verbeugend, fast in ihn hineinkriechend.
Nepalleck: Begräbnis dritter Klasse – Versteht sich Exlenz – Exlenz können unbesorgt sein – Durchlaucht hat sofort die Initiative ergriffen – wie? Pardon Exlenz wie? Man versteht heut wieder so schlecht – Kruzitürken, Fräulein, Hofgespräch, das is ein Skandal! – Pardon Exlenz, es war unterbrochen – ja-ja-ja – zu dienen – wird besorgt – aber natürlich – abgewunken – allen – selbstverständlich – Durchlaucht hat sofort die Initiative ergriffen – natürlich – Durchlaucht wird hocherfreut sein – Alles im Sinne von Seiner Durchlaucht – Exlenz können sich verlassen – nein, nein, keiner von die Monarchen – auch keine Mitglieder – nein, auch keine Verwandten – natürlich – Wie? – nein, alle wollten – keiner kommt – A Großfürst war schon reisefertig, aber wir haben es zum Glück noch rechtzeitig verhindern können – ginget uns ab, die möchten uns da mit Aufklärungen – daß' am End nur ja zu kan Krieg kommt – Wie? schon wieder unterbrochen, Kruzitürken, is das ein Pallawatsch! – ja, auch von England – nein, niemand – keine Katz von an Hof – nur die Botschafter und so Leut – selbstverständlich auch das mit Auswahl, wo man schon nicht nein sagen kann – wer mr scho machen – tüchtig gesiebt, tüchtig – nach Tunlichkeit – Raumrücksichten – mein Gott, die kleine Kapelle, ham mr an Gspaß ghabt – Der Wortlaut? Gleich bitte. (zieht einen Zettel aus der Tasche.) »Beschränkungen der Delegierungen auswärtiger Fürstenvertreter und militärischer Delegierter, die mit Rücksicht auf den verfügbaren Raum –« Wie? Natürlich, selbstverständlich, das wird die bitterste Enttäuschung sein, keine offizielle und keine allgemeine Beteiligung des Militärs – Wie, Exlenz? In Belgrad? No ja, die werns kurios finden – sehr richtig, solln s' draufhin nur noch mehr frech wern gegen uns – wir haben gar nichts dagegen, nicht wahr, Exlenz? – So ist es! – Sehr gut, Exlenz, famos, Begräbnis dritter Klasse Nichtraucher – famos, muß ich Durchlaucht erzählen, Durchlaucht wird sich kugeln – wir haben eh die größten Scherereien mit der Einsegnung – ja der böhmische Adel, bißl zudringlich von die Herrn – die Spezi und die Verwandtschaft – was wir geantwortet haben? Durchlaucht hat sofort die Initiative ergriffen. Ganz einfach, außer dem Allerhöchsten Hof und den Offiziellen hat höchstens noch der Vormund Zutritt – Wie? die Kinder? nein, Durchlaucht is dagegen wegen der Plaazerei – Wie? ja die Herrschaften wollen zu Fuß mitspazieren – natürlich sehr unangenehm für Durchlaucht, fast eine Demonstration – Sehr gut, die Arbeitslosen! Muß ich Durchlaucht erzählen, Durchlaucht wird sich kugeln – Wie meinen Exlenz? Wurscht? Und wie! Harrach, Morsey – Kämmerer des Erzherzogs und seiner Frau fahrt einen Polizeibeamten an, warum er einen von die Attentäter nicht verhaftet, no der hat ihm aber tüchtig geantwortet, Herr Leutnant kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten! – Die Polizei in Serajevo hat einfach ihre Pflicht erfüllt, nicht mehr und nicht weniger – Die Gendarmerie – wie viel da waren? Durchlaucht hat damals die Initiative ergriffen beim Conrad, na der wird jetzt – aber natürlich, das fressen s! Da muß doch eine Genugtuung sein, das sieht doch jedes Kind, wär net schlecht – ein Prestischpunkt, der sich gewaschen hat – wer' mr scho machen – aber ja – Wie? Aber natürlich, da reißen uns schon die Deutschen heraus – so is, wir sind für den Frieden, wenn auch nicht für den Frieden um jeden Preis – nein Exlenz, von Urlaub leider keine Rede, woher denn – is schon einmal so, noja, mir bleibt doch nichts erspart – nochmals, selbstverständlich, bitte unbesorgt – wer's bestelln – tänigsten Dank, korschamster Diener Exlenz!
Ebenda.
Diener: Bitt schön Herr Hofrat – einer is da.
Nepalleck: Was für einer?
Diener(verlegen): No, von die andern.
Nepalleck(herrisch): Es gibt keine andern! Die Zeiten sind vorbei! Hab ich Ihnen nicht gesagt, daß jeder, der kommt –
Diener: Bitt schön – er sagt, daß es nur wegen einer Erkundigung is.
Nepalleck: Möcht wissen, was es da noch zu erkundigen gibt, alstern herein mit ihm. (Diener ab.)
Ein alter Kammerdiener des verstorbenen Erzherzogs tritt auf.
Nepalleck(zischt hervor): Was wollen S'?
Der alte Kammerdiener: Zu dienen, gnädiger Herr Hofrat – also – ich weiß mir in dieser Beziehung – also diesfalls – also anderweitig –
Nepalleck: Was Sie wollen, möcht ich gern hören!
Kammerdiener: Nämlich das Unglück, das große Unglück, also nicht wahr, gnädiger Herr Hofrat – also wo ich schon unter kaiserlichen Hoheit – hochseligen Weiland – Herrn Erzherzog Ludwig, Gott hab ihn selig –
Nepalleck: Aha, also mit einem Wort, Sie sind ein vazierender Kammerdiener – Sie, mein Lieber, das schlagen S'Ihnen aus dem Kopf, Anstellungen werden hier nicht vergeben!
Kammerdiener(weinend): Aber nein, Herr Hofrat – aber nein, Herr Hofrat –
Nepalleck: Was, zudringlich wern S'?
Kammerdiener: Aber nein Herr Hofrat – nicht will ich – nicht will ich –
Nepalleck: Also was denn sonst?
Kammerdiener: Aber nein – wahr is, ein strenge Herr – aber strenge – und – gute Hoheit – aber – so –
Nepalleck: Sie Verehrtester erzählen S' uns hier keine Raubersgschichten – sagen S' was Sie von uns wollen!
Kammerdiener: Aber nix wollen, Herr Hofrat, nix, nix, gar nix wollen – nur sprechen – nur sprechen – nur sprechen – vor der Leich noch amal –
Nepalleck (seine Stimme erhebend): Sprechstunde hab ich für Sie keine, verstanden?
(Von rechts, durch den Lärm gerufen, stürzt Fürst Montenuovo mit wutverzerrtem Gesicht herein.)
Montenuovo: Was ist? Ah is schon einer da! Sie, schaun Sie, daß Sie weiter kommen! Hier findet keiner von euch einen Posten, verduften, gschwind!
Kammerdiener(mit großem Staunen): Ich – hab – Jesus – zu dienen, gnädigste Durchlaucht – (Ab.)
Montenuovo: Sie, Hofrat, Sie wissen, daß hier kein Asyl für Obdachlose ist – ich habe nun einmal die Initiative ergriffen, also – Ruh will ich haben!
Nepalleck: Durchlaucht können sich verlassen, es wird nicht mehr vorkommen, der Mensch wollte nur –
Montenuovo: Alleseins. Daß mir keine von den Belvedere-Visagen hier unterkommt! – Wie viel Einladungen?
Nepalleck: Achtundvierzig.
Montenuovo: Was reden S' denn?
Nepalleck: Ach so, bitte tausendmal um Vergebung, ich hab an morgen abends gedacht. Sechsundzwanzig.
Читать дальше