Seine Frau: Schön verpatzter Abend, wärn wir zuhausgeblieben, aber du, du bist ja nicht zu halten –
Der Gebildete: Ich staune über deinen Egoismus, einen solchen totalen Mangel an sozialem Empfinden hätte ich bei dir nicht vorausgesetzt.
Die Frau: Du glaubst vielleicht ich intressier mich nicht, selbstredend intressier ich mich, im Volksgarten essen hat gar keinen Sinn, wenn sowieso keine Musik is geht man gleich zu Hartmann –
Der Gebildete: Immer mit deinem Essen, wer hat jetzt Gedanken – Du wirst sehn was sich da tun wird, Kleinigkeit –
Die Frau: Wenn man nur wird sehn können!
Der Gebildete: Ein Begräbnis wird das doch sein, wie es noch nicht da war! Ich erinner mich noch wie der Kronprinz – (ab.)
Poldi Fesch (zu seinem Begleiter): Heut wird (ab.)
Ein Wachmann: Bitte links, bitte links!
Ein Zeitungsausrufer: Reichspost! Zweate Oflagee! Die Ermordung des Thronfolgapaares!
Ein Kleinbürger: Leben und leben lassen! Also natürlich für den Wiener, für den kleinen Mann, war das nicht das richtige. Wofern, das kann ich dir also aufklären verstehst du. Denn warum? Der Wiener is gewohnt, daß man ihm seine Gewohnheiten loßt. Er herentgegen – der Hadrawa hat ihm einmal erkannt, wie er einmal, also natürlich im Kognito war, da is er sogar nach der Tax gfahren und hat Trinkgeld geben wie ein Prifater, aber nicht um a Sexerl mehr sag ich dir.
Zweiter Kleinbürger : Hör auf!
Der Erste: Und in die bessern Gschäfte hat er auch nicht mehr zahln wolln. Das war einer! Glaubst, der hätt sich von unseran überhalten lassen? Der hätt sich hergstellt mit unseran! Wo unseraner doch auch leben will! Nix hat er auslassn. Nicht um die Burg! Also das is Gefühlssache. I sag, leben und leben lassen und dafür stirb i. Denn warum? Der kleine Mann –
Ein Zeitungsausrufer : Extraausgabee –!
Der Kleinbürger: Her mitn Bladl! kost –?
Der Zeitungsausrufer : Zehn Heller!
Der Kleinbürger: An Schmarrn! Wurzerei. Steht eh nix drin. Du – pst – schau dir dös Madl an, sauber, wos? Die Gspaßlaberln! Da kann sich meine Alte also natürlich vastecken.
Zweiter: Hör mr auf, das is eine Protestierte!
Erster: Da schau her, vorm Bristol stehn Leut, gehma hin, da muß eine Persönlichkeit sein. (Ab.)
Ein Wachmann: Bitte links, bitte links!
Ein Reporter(zu seinem Begleiter): Hier nimmt man am besten die Stimmung auf. Wie ein Lauffeuer, sehn Sie, hatte sich am Korso die Nachricht verbreitet, wo sich die Wogen brechen. Das fröhliche Leben und Treiben, das sich sonst um diese Stunde zu entfalten pflegte, verstummte mit einem Male, Niedergeschlagenheit; das Gefühl tiefer Erschütterung, zumeist aber stille Trauer, konnte man von allen Gesichtern ablesen. Unbekannte Leute sprachen einander an, man riß sich die Extrablätter aus der Hand, es bildeten sich Gruppen –
Zweiter Reporter: Da möcht ich so vorschlagen: In den Alleen der Ringstraße sah man Gruppenbildungen von Leuten, die das Ereignis besprachen. Wachleute zerstreuten die Gruppen und erklärten, daß sie weitere Gruppenbildungen nicht dulden würden. Hierauf bildeten sich Gruppen und das Publikum begann sich zu massieren – sehn Sie, dort!
(zwischen einem Fahrgast und einem Fiaker, vor dem Hotel Bristol, hat sich ein Wortwechsel entsponnen, die Passanten nehmen Partei, man hört Pfui-Rufe.)
Ein Zeitungsausrufer: Extraausgabee –! Der Thronfolger und seine Gemahlin von Verschwörern ermordet!
Der Fiaker: Aber Euer Gnaden! An so an Tag –!
(Verwandlung.)
Café Pucher. An demselben Abend vor Mitternacht. Das Kaffeehaus ist beinahe leer; nur zwei Tische sind besetzt. An dem einen hat ein Prokurist des Bankvereins soeben Platz genommen. An dem andern sitzen zwei glatzköpfige Herren, die, jeder eine Zigarre mit Papierspitz im Mund, in die Lektüre von Witzblättern vertieft sind. Die Kassierin schläft. Ein Kellner fuchtelt zum Scherz mit dem »Hangerl« vor ihrem Gesicht. Ein anderer wird vom Kaffeekoch mit einem Fetzen aus der Küche gejagt, worüber der Zahlkellner und der Koch in Gelächter ausbrechen.
Der Zahlkellner Eduard: Seids in ein Tschecherl? Schamts euch! Die Minister lesen, schamts euch, und die Fräuln Paula schlaft!
Der Prokurist : Sie!
Eduard: Herr von Geiringer?
Der Prokurist: Eine Trabukko und eine Extraausgabe!
Eduard (zieht die Zigarrentasche und die Zeitung aus der inneren Rocktasche hervor und sagt): Ein Trabukkerl und etwas fürs Gemüt!
Der Prokurist: War niemand da? Wieso is heut so stier? Nicht einmal der Dokter Gomperz?
Eduard: Niemand Herr von Geiringer.
Der Prokurist: Hat wer telephoniert?
Eduard: Bisher nicht. Jedenfalls das schöne Wetter – vielleicht über die Feiertäg die Herrn einen Ausflug –
Der Prokurist: Was für ein Feiertag is denn heut?
Eduard: Peter und Paul, Herr von Geiringer.
(Während die beiden ihr Gespräch fortsetzen, ist ein Fremder eingetreten. Er hat an einem Tisch vis-à-vis den beiden älteren Herren Platz genommen. Ein Kellner bringt Kaffee.)
Der Fremde: Sie Markör, wer sind denn die beiden älteren Herren, die kommen mir so bekannt vor –
Franz(sich über den Gast beugend): Das is der Ministertisch. Der Herr mit dem Zwicker, der was das Kleine Witzblatt liest, is seine Exlenz der Minister des Innern, und der Herr mit dem Zwicker, der was den Pschütt studiert, das is seine Exlenz der Herr Ministerpräsident.
Der Fremde: So! Sind die nur heute da, wegen des Ereignisses, oder immer?
Franz: Jeden Abend bereits, na ja, die Exlenzen sind hauptsächlich Junggesellen.
Der Fremde: So! Und wer ist der Herr, der grad dazukommt?
Franz: Ah is scho da – das is Seine Exlenz der Direktor der Kabinettskanzlei.
Der Fremde : So!
(Franz stürzt davon und bringt dem Direktor der Kabinettskanzlei eine Limonade und das Interessante Blatt. Nach einer Weile sagt)
Der Ministerpräsident(indem er die Prchütt-Karikaluren beiseite gt): Nix besonderes heut.
Der Minister des Innern(gähnt und sagt): Fad!
Der Ministerpräsident: Überhaupt, bis so ein Tag vorüber is!
Der Direktor der Kabinettskanzlei : Man spürt scho die Hundstäg.
Der Ministerpräsident(nach einer Pause des Nachdenkens): Ein Communiqué denk ich wird halt doch nötig sein denk ich. Wegen der Maßnahmen, die die Regierung zu der durch die Ereignisse geschaffenen Situation ins Auge gefaßt hat, zu deren Besprechung die Mitglieder des Kabinetts in längerer Konferenz beisammen verblieben und so.
Der Minister des Innern : Tunlichst.
Der Ministerpräsident : Eduard!
Der Minister des Innern: Welche Maßnahmen werden wir denn treffen?
Der Ministerpräsident: Das wird vom Communiqué abhängen. Sie Eduard!
Eduard: Befehlen Exlenz?
Der Ministerpräsident: Gibts denn heut gar nix Neues? Bringen S' die – wie heißt's denn?
Eduard (unter den Witzblättern am Tisch suchend): Fehlt denn noch was Exlenz? Richtig!
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