Stüber nimmt einen Schluck. Lässt ihn genussvoll durch die Kehle fließen. „Lass mal, der Mehldorn ist schon ein Pfiffikus. Aber gehen wir lieber nochmal ans Buffet. Hast du schon von den Seppioline probiert?“
Waldemar hebt die Brauen. „Den was?“
„Den Minicalamari. Roberto füllt sie mit einer Tapenade aus getrockneten Tomaten, Oliven und einer Spur Knoblauch. Dann legt er sie auf den Grill. Sensationell!“
Waldemar bilden sich Pfützen auf der Zunge. „Mensch Stüber, von dir kann man aber wirklich genießen lernen.“
Wie besessen sticht Dora Krüger auf ihren Geliebten ein. Blind vor Wut und immer und immer wieder. Der reglose Körper wehrt sich nicht, nimmt geduldig jeden tödlichen Stoß hin. Als ihr Opfer kaum noch als Mensch zu erkennen ist, lässt sie das Messer fallen und rennt hinaus in den Garten, quer über den Rasen in Richtung Tor. Sie bemerkt nicht, dass ihr jemand hinterherruft. Es hatte sie auch nicht stutzig gemacht, als sie bei ihrem Eintreffen die Terrassentür geöffnet vorfand und Frank Wachsmuth wie tot auf dem Boden lag. Ja es kam ihr sogar entgegen, konnte sie doch ihrer Wut und ihrer Enttäuschung freien Lauf lassen.
Als Hauptkommissar Stüber wenig später eintrifft, sieht er ein Bild des Grauens. Das Opfer ist bis zur Unkenntlichkeit zugerichtet, überall Blut und die allzu offensichtliche Tatwaffe gleich neben der Leiche. Von seinem Assistenten erfährt er, dass es sich bei dem Opfer um Frank Wachsmuth handelt. Er war ein sehr erfolgreicher Immobilienmakler und Single. Dabei betrachtet sich Stüber den Tatort und verfolgt mit Argusaugen die Arbeit der Spurensicherung.
„Hast du schon was gefunden Waldemar?“, fragt Stüber seinen Freund, der in seinem Schutzanzug aussieht wie ein Marsmännchen.
„Noch nicht, Stüber. Der Typ war äußerst reinlich und wohl auch selten zuhause. Der Kühlschrank ist fast leer und außer zweier gespülter Gläser steht nichts herum. Hier ist es steril wie in einem OP-Saal,“ gibt der zurück, ohne innezuhalten.
„Steril“, äfft Stüber nach. „Wenn man mal von der Sauerei hier absieht.“
Er tritt aus der Terrassentür und stiefelt zu einem Beamten, der sich über den Gartenzaun mit einem Nachbarn unterhält.
„Hauptkommissar Stüber“, kommentiert er den gezückten Dienstausweis. „Haben Sie gesehen, was hier los war?“
„Oh ja“, gibt dieser zu Protokoll. „Da war eine Frau, so Mitte vierzig. Die kam hier über die Wiese gestürmt, überall mit Blut bespritzt. Ich habe sie gerufen, aber die war wie im Trance, hat mich überhaupt nicht registriert. Dann stieg sie in ihren Opel Corsa und raste davon.“ Mit einer Handbewegung deutet er die Fahrtrichtung an.
„Konnten Sie das Kennzeichen sehen?“, hakt Stüber nach.
„Aber klar doch. Habe es sofort aufgeschrieben.“ Er zückt ein Stück Papier aus der Latzhose und übergibt es.
„Sie sind ein Schatz“, bedankt sich Stüber und weist den Beamten an, die Personalien aufzunehmen.
Damit ist für ihn die Sache klar. Der Rest wird reine Routine sein. Der Morgen ist sonnig und klar und so entschließt sich Stüber zu einem ausgedehnten Spaziergang durch den Klarapark. Wozu hat er schließlich einen Assistenten? Er informiert Mehldorn und fordert ihn auf die Fahndung einzuleiten. Dann schreitet er frohen Mutes auf das nahe Ufer der Elster zu und entschwindet.
Es ist schon Nachmittag, als Stüber mit einem leckeren Saltimbocca da Vitello im Bauch wieder im Präsidium eintrifft, wo er von Mehldorn schon erwartet wird.
„Hallo Chef, da sind Sie ja endlich. Unser Onkel Doktor hat schon Sehnsucht nach Ihnen.“
„Auf die Sehnsucht vom Meyer-Krefeld kann ich gern verzichten“, knurrt Stüber zurück.
„Kann aber nicht schlimm sein, der war ganz gut drauf.“
„Dann kann er erst recht noch warten.“
Mehldorn schüttelt den Kopf. „Mensch Chef, Sie können es einfach nicht lassen. Müssen Sie ihn denn immer piesacken?“
„Macht doch Spaß, oder?“, grinst Stüber zurück.
„Naja, Sie werden schon sehen. Irgendwann kommt die Lawine zurück“, beendet Mehldorn das Thema. „Wir haben übrigens die Krüger gefunden. Sitzt schon im Verhörzimmer und wartet auf uns.“
„Das sagen Sie erst jetzt? Mensch Mehldorn, was haben Sie bloß für Prioritäten.“
„Zuallererst das Wohl meines Chefs. Wissen Sie doch.“
Dora Krüger sitzt gefasst auf ihrem Stuhl und lässt das Verhör geduldig über sich ergehen. Ja, sie hat ihren Geliebten Frank Wachsmuth erstochen. Er hat es verdient. Wegen ihm ließ sie sich scheiden, hat ihren Mann aus dem Haus gejagt und ihr gesamtes Leben auf den Kopf gestellt. Und dann hat er einfach Schluss gemacht. Ohne plausiblen Grund, einfach so. Nun wusste sie nicht mehr ein noch aus. Sie wollten gemeinsam in ihrem Haus wohnen. Doch sie allein konnte den Kredit nicht mehr bedienen und ihr ehemaliges Traumhaus wurde zwangsversteigert, alles Hab und Gut gepfändet. Ihr blieb nur die Privatinsolvenz. Sie hatte so große Pläne und dann das.
Stüber ist zufrieden. Einen Mord in rekordverdächtiger Zeit aufzuklären ist einfach spitze und ein toter Immobilienmakler ist auch nicht übel. Er hasst diese schmierigen Typen, die nichts anderes tun, als unbedarften Opfern viel zu teure Häuser und sonstige Bruchbuden unterzujubeln. Meistens überschulden die sich auch noch, während die Makler und Banker ihre fetten Honorare mit Schampus begießen. Ihm wird schlecht bei dem Gedanken.
Am nächsten Tag genießt er bei seinem Lieblings-Italiener Roberto, voller Hingabe seine Spaghetti Carbonara. Tiefentspannt nimmt er einen Schluck vom Primitivo und behält das edle Getränk geraume Zeit im Mund. Dabei überkommt ihn ein Gefühl, als würde ihm ein Engel auf die Zunge pinkeln. Während der Kommissar den Abgang des Weines genießt, bemerkt er an einem Tisch in der Nähe des Einganges zwei Typen, die er hier schon öfter gesehen hat, nur, dass sie sonst eher zu dritt tafelten. Meistens waren sie ziemlich gut drauf und aßen alles andere als Pizza von der Mittagskarte. Ihrem Äußeren nach müssen alle so was wie Banker, Anwälte oder Autoverkäufer sein, passen also zu Stübers Feindbild.
Heute verhalten sie sich deutlich anders, einer schaut sich immer wieder nervös um, während der andere betont leise und ernst auf sein Gegenüber einredet.
Stüber leert genüsslich sein Glas und mustert die beiden so unauffällig wie möglich. Dann kommt Roberto mit der Rechnung.
„Pronto Commissario, alles gut?“, erkundigt der sich.
„Molto buono, Roberto“, lobt Stüber seinen Freund und weist unauffällig in Richtung der beiden. „Sag mal kennst du die?“
„Ja doch Commissario, die kenne ich schon lange. Der mit den schwarz gegelten Haaren ist Peter Volkert von der Sachsenbank und der andere ist Jens Kauzer. Der ist Anwalt und hat hier in der Nähe seine Kanzlei“, antwortet Roberto mit verhaltener Stimme.
„Aber da fehlt doch noch einer, die sind doch meistens zu dritt“, hakt Stüber leise nach.
„Ja, der da fehlt ist Frank Wachsmuth, macht in Immobilien und so.“
Den letzten Teil des Satzes hört Stüber schon nicht mehr. Robertos Antwort schlägt ein wie eine Bombe. Frank Wachsmuth!
Stüber beeilt sich zu zahlen und lässt den irritierten Roberto mit kurzem Gruß stehen. Er hetzt ins Präsidium und startet seinen Computer. Doch, was der ausspuckt, lässt seine Stimmung schnell wieder abkühlen. Die beiden sind überhaupt nicht auffällig, nach Stübers Meinung einfach nur ganz normale Abzocker, deren Kumpel wegen einer Verrückten in der Hölle schmort. Er loggt sich aus und widmet sich dem täglichen Kleinkram, da fliegt die Tür auf und sein Chef Doktor Meyer-Krefeld stürmt herein. Ohne Gruß poltert der los, als wollte er Stüber an die Gurgel gehen.
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