Die Polizisten schauen sich an und zücken die Dienstausweise.
„Da irren Sie sich. Mein Geld haben Sie schon vernichtet“, so Stübers lapidare Antwort.
Zeidler starrt auf die Ausweise und wechselt von einem Extrem ins andere. „Was erlauben Sie sich, so einfach in mein Büro hereinzuplatzen! Wir sind schließlich ein seriöses Unternehmen und müssen uns nicht von Ihnen belästigen lassen.“
„Das ist ja interessant“, entgegnet Stüber mit süffisantem Tonfall.
„Darf ich fragen, was Sie denn so interessant finden“, regt sich Zeidler immer mehr auf.
„Naja, das sind eigentlich zwei Dinge. Einmal, dass Sie sich als ‚seriöses Unternehmen‘ bezeichnen und zum anderen, dass Sie sich von der Polizei belästigt fühlen.“
Und Mehldorn: „Wo Sie unseren Job ja mit Ihren Steuern finanzieren.“
„Das ist genau der Punkt. Ich zahle auch noch dafür, mich von Ihnen beleidigen zu lassen.“ Dazu fuchtelt Zeidler in der Luft herum, als wolle er Fliegen verscheuchen.
Stüber steckt eine Hand in die Hosentasche, setzt sich unaufgefordert in den schmucken Designersessel und wartet, bis Zeidler alles Ungeziefer erledigt hat.
„Sind Sie eigentlich immer so aufbrausend? Also wenn es sich nicht gerade um ihre Opfer - ähm, Pardon - ich meine, ihre Kunden handelt“, kommentiert Stüber seine fichelante Handbewegung.
„Immer dann, wenn ich so provoziert werde wie zum Beispiel von Ihnen ...“
„... oder von Frank Baumann“, fällt ihm Mehldorn ins Wort.
„Was hat den Baumann damit zu tun. Das ist doch hier gar nicht relevant.“
Stüber wird schlagartig ernst, springt auf und geht zum Fenster. „Oh doch, Herr Zeidler. Das ist sehr wohl relevant. Besonders wenn man bedenkt, dass ihr Kollege tot da unten liegt und es noch nicht lange her ist, dass Sie ihm den Tod gewünscht haben.“
Stille. Zeidler starrt die Kommissare verunsichert an, folgt Stüber zum Fenster, das bis auf den Boden reicht. Unten immer noch jede Menge Gaffer und die Kollegen der Spurensicherung, die mit ihren weißen Schutzanzügen einer Schar Aliens gleichen. Zeidler schaut hinunter und verfolgt, wie ein Blechsarg in einen Transporter gehievt wird. Dann findet er seine Sprache wieder.
„Ja ich kann mich nur bei Ihnen entschuldigen. Ich konnte ja nicht ahnen, dass ...“
Wieder unterbricht Mehldorn „... wir so schnell bei Ihnen auf der Matte stehen.“
„Nein, doch“, jetzt schaut er mit dem Blick eines geschlagenen Hundes zu Stüber. „Aber das habe ich doch nicht so gemeint.“
„Was haben Sie nicht so gemeint?“
„Na vorhin. Der Baumann hat mich mit seiner arroganten Art so auf die Palme gebracht, da ist mir das halt rausgerutscht. Ich bringe doch keinen um!“, hebt Zeidler dann doch wieder die Stimme.
„Na gut“, lenkt Stüber ein. „Dann bleibt immer noch die Frage, wie ihr Kollege so tief fallen konnte?“
Zeidler kehrt allmählich zu seinem gewohnten Tonfall zurück. „Woher soll ich denn das wissen. Da müssen Sie mal diejenigen fragen, die sich mit ihm immer auf der Dachterrasse rumtreiben.“
„Die da wären?“
Zeidler sucht nach Worten. „Na zum Beispiel die Frau Heinze. Die verbringen doch mehr Zeit da oben, als andere arbeiten.“
„Sie meinen, die sind ein Paar und genießen beim Knutschen die schöne Aussicht?“, hakt Mehldorn nach.
„Ich weiß es nicht. Geben vor zu rauchen und dabei - naja, Sie wissen schon, was so geredet wird.“
„Und wo finden wir die Frau Heinze?“
Der Weg dorthin führt an Hirschs Büro vorbei, wo inzwischen auch die Spurensicherung aktiv ist. Waldemar schüttelt den Kopf. „Bis jetzt noch Nichts.“
„Sind deine Leute schon auf dem Dach?“, will Stüber wissen.
„Kommt als Nächstes dran.“ Stüber hebt den Daumen und tritt hinter Mehldorn ins gegenüberliegende Büro von Sales Assistent Carolin Heinze.
Deren Aussehen verschlägt beiden augenblicklich die Sprache. Ihren scheinbar makellosen Körper, Marke Claudia Schiffer, versteckt die Mittdreißigerin in einem Outfit, bei dem jedes Teil in verschiedensten Rosatönen brilliert. Dazu eine Ausstrahlung, bei der jeder Mann nur so dahin schmelzen muss. Mehldorn schaut wie ein Junge, der eine Zauberschau verfolgt. Ja, sie kann für wahr als Fleisch gewordener Männertraum durchgehen.
Auch Stüber ist ganz hingerissen, hat aber sein Testosteron mehr unter Kontrolle als sein Assistent. „Wir sind von der Mordkommission und haben ein paar Fragen.“
„Mordkommission? Um Gottes willen, was ist denn passiert? Und was suchen denn diese Leute in Herrn Baumanns Büro?“
„Das wollen wir und ‚diese Leute da‘ gerade herausfinden. Waren Sie mit Herrn Baumann liiert?“
Die Schöne erschrickt. „Sie sprechen in der Vergangenheit? Wollen Sie damit sagen, dass Frank, ähm, ich meine Herrn Baumann etwas zugestoßen ist?“
„Kann man so sagen. Zugefallen wäre aber trefflicher ausgedrückt“, entgegnet Mehldorn, dessen Blick immer noch an ihren Lippen klebt.
Die Heinze fingert von einem leisen ‚Oh mein Gott‘ begleitet nach einem Tempo und ringt um Fassung.
„Na schön, ähm, oder eben nicht schön“, räuspert sich Stüber. „Der Herr Baumann war doch mit Ihnen recht häufig auf der Dachterrasse. Das stimmt doch, oder?“
„Ja, das ist richtig. Wir sind beide Raucher und gehen unserem Laster da oben nach.“
„Und wann waren Sie das letzte Mal Ablastern?“
„Heute Vormittag, so etwa elf Uhr. Ja es war kurz vor elf“, sinniert sie weiter. „Ich wollte noch kurz vor meinem Kundentermin eine rauchen und da hat sich Frank angeschlossen.“
Stüber wendet sich an Mehldorn. „Wann hatte Waldemar gesagt, war der Todeszeitpunkt?“
Plötzlich wird die Schöne laut. „Was, Todeszeitpunkt? Höre ich da richtig: Der Frank ist tot?“
Mehldorn geht auf sie zu und erklärt, was passiert ist. Jetzt verliert sie endgültig die Fassung, lässt sich auf ihren Stuhl fallen und weint herzzerreißend. Selbst das geschieht in einer Art, dass Mehldorn sie am liebsten in den Arm nehmen und trösten würde.
Stüber macht den Vorschlag, doch auf die Dachterrasse zu gehen und frische Luft zu schnappen. „Das wird Ihnen bestimmt guttun.“
Als Carolin Heinze voran die Wendeltreppe erklimmt, muss Mehldorn sich zwingen auf die Stufen zu achten. Und beinahe rutscht er auch aus. „Mensch Mehldorn reißen Sie sich doch zusammen“, zischt Stüber seinen Assistenten an.
Oben angekommen werden sie von strahlendem Sonnenschein und einer leichten Brise begrüßt. Die Schöne zündet sich immer noch mit zittrigen Händen eine Zigarette an und nimmt auf dem kleinen Dach eines Lüftungsschachtes Platz. Stüber schaut nach vorn und registriert, dass es kein Geländer gibt.
„Ich nahm an, dass es sich hier um eine richtige Dachterrasse handelt. Aber das ist doch nichts weiter wie ein stinknormales Dach mit Antennen, Lüftungsschächten und Abgasschloten“, kommentiert er seine halbkreisförmige Handbewegung.
Nach einem tiefen Zug an ihrer Davidoff erklärt die Heinze, dass jeder hier oben raucht. Erstens ist man an der frischen Luft und kann die Aussicht genießen und zweitens ist in den Büros das Rauchen verboten. „Auch hier ist uns der Aufenthalt verboten, aber dran halten tut sich keiner. Bisher ist ja auch nichts passiert.“ Wieder muss sie schnäuzen.
Während dessen wird Mehldorn von den irre langen Beinen abgelenkt. Man steckt die gut in den Strümpfen! Übereinandergeschlagen sehen die noch besser aus, als zuvor. Zum Glück schaut sich Stüber wieder an der Dachkante um. Sie hat den Ellenbogen auf ihren Oberschenkel gestützt, die flache Hand vor den Augen. Mehldorn ist hin und hergerissen, kann sich nicht losreißen. Als er zum x-ten Male die sexy Formen fasziniert in sich aufsaugt, entdeckt er etwas, das ihn schlagartig ablenkt.
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