Der schnurrbärtige, mit Orden behangene General trat väterlich an mich heran und sprach: „Außerordentlich rührselige Verse. Einem echten Manne gar nicht recht und würdig.“
Ich versteckte die Hände in den Taschen, wo sie sich wieder zu Fäusten krümmten. Mit einem Herrn von solch hohem Range wollte ich mich in keinster Weise prügeln, erst recht nicht wegen Johanna, die zum Ausschank abmarschiert war.
„Die Verse kommen aus der Tiefe meines Herzens“, erwiderte ich.
Da räusperte sich der General: „Lasst Euch eines gesagt sein, werter Dichter. Euer weiches Herz wird Euch eines Tages noch ins Unglück stürzen. Hier in Preußen zählen Härte, Ordnung und Disziplin, auch was Herzensdinge anbelangt. Schaut Euch das Frauenzimmer an, das mich Euretwegen in dieses Etablissement geführt hat. Es hat das Herz eines Geiers, doch Unkraut vergeht nicht!“
Wie gerne hätte ich zustimmend genickt, stattdessen ließ mich mein viel zu weiches Herz antworten: „Sie ist die Quelle meiner Inspiration.“
Das Lachen des Generals hämmerte wie Donnerhagel durch das Wirtshaus. Die Gäste zuckten vor Schreck auf ihren Plätzen zusammen und Johanna stimmte prompt ins Gelächter mit ein. Ihr Lachen klang schrill und dreckig. Dann ölte sie diese Hexenstimme mit Schnaps und kletterte auf den Tisch, wo ich kurz zuvor noch aus meinem Werk gelesen hatte. Mit ihren schmutzigen Füßen fegte sie mein Buch zu Boden, stampfte auf und lallte: „Jetzt lasst uns saufen und lustig sein!“
Da ergriff mich eine Wut wie nie zuvor. Für gewöhnlich demütigten mich meine Mitmenschen auch selten so schändlich wie dieses heißgeliebte Wesen. In Rage packte ich Johanna, warf sie mir über die Schulter und schleppte sie zügigen Schrittes aus dem Lokal.
„Du Narr! Lass mich sofort runter!“, kreischte sie.
Ohne Gedanken an das, was die anderen Leute denken mochten, setzte ich meine Mission fort. Erst draußen vor der Tür gab ich Johanna den Boden unter den Fußsohlen zurück und zerrte sie am Arm bis zur Nikolaikirche. Sie versuchte sich loszureißen, schimpfte wie eine Wahnsinnige und warf mir Beleidigungen den Kopf, die ich nicht wiederholen möchte. Parolen dieser Art sind weder einer Dame noch einem gut situierten Herrn würdig und bewiesen, wohin Johanna in Wahrheit gehörte: in die Gosse. In einer dunklen Ecke drückte ich sie fest ans Gemäuer und stellte sie zur Rede: „Warum tust du mir das an? Mir, dem Mann, der dich so sehr geliebt hat und dich immer noch liebt?“
„Hör mir auf mit deinem Geschwafel von Liebe!“, polterte es aus ihrem Schandmaul, das mich im gleichen Atemzug anspuckte. „Du träumst von der Liebe, aber am Ende regiert nur die Lust! Die Lust, die meinem Leib zum zweiten Mal ein neues Leben geschenkt hat!“
Ich erstarrte und lockerte meinen Griff. „Was sprichst du da? Wer hat dich in andere Umstände gebracht? War ich es?!“
Erneut prustete Johanna wild los vor Lachen: „Was die Schelme nicht stehlen, das verderben die Narren! Ja, ein Narr bist du und nicht der einzige hier in Berlin!“
„Vermaledeite Dirne!“, schrie ich mitten in ihre verdorbene Visage, auf welche eine Sekunde später meine Fäuste eindroschen. Ich sah nur noch rot und zertrümmerte in meiner Wut Johannas liebreizendes, so oft von mir geküsstes Antlitz. Erst als sie regungslos vor meinen Füßen lag, ihr das Blut aus Mund, Nase und Ohren tropfte, kam ich zur Besinnung und registrierte, was ich angerichtet hatte. An meinen Fingern klebte ihr roter Lebenssaft, der aus ihrem einst so hübschen Kopf in die Gosse floss. Meine über alles geliebte Johanna! Ich hatte sie und ihr ungeborenes Kind tot geschlagen und konnte mich nur noch auf die Guillotine gefasst machen. Nein! Niemand sollte über meine Tat richten außer ich selbst. Entschlossen zog ich aus der Tasche mein Messer, welches mir sonst zum Schneiden von Fleisch und Brot diente, und rammte es mir ins eigene Herz. Ganz kurz glaubte ich, vor Schmerz zerspringen zu müssen, dann sackte ich über meiner Liebsten zusammen, während das Licht meines verpfuschten Lebens erlosch. Ehe wir auf getrennten Wegen voneinander abdrifteten, trat Johannas Silhouette noch einmal aus einer geißelnd hellen Nebelwand hervor.
„Sei gewiss, mein Lieber, wir sehen uns wieder. Zu einer anderen Zeit in anderer Gestalt.“
Das prophezeite sie mir zum Abschied und ich wusste nicht, ob ich mich freuen oder fürchten sollte.
(Für M. L.) Aus dem Reich der Schneekönigin hageln Eisraketen mit Liebesbotschaften Sie bombardieren ein Land voll Asche, wo einst Glut sie entflammte Polarfrost im Herzen hebt die kälteste Hand der Abwehr, Gespenster des Nordens heizen das Haus der Erinnerung
Ich tanze in einem Minenfeld,
werfe mich gegen Fässer voll Dynamit,
umarme die Flammen,
küsse den Rauch.
Was bleibt, wenn wir beide zu Asche werden?
Duftperlen deiner Lust
schmücken meine Haare
und beketten den Hals,
der unter deinen Küssen pulsierte.
Noch einmal inhaliere ich mein T-Shirt,
bevor dein Duft im Waschmittel stirbt.
Gedanken machen die Nacht zum Tag
Betten will ich mich im Haus der Lust,
mein Fleisch den Wölfen mit Soße servieren
und tausend kleine Tode leben.
In der schwärzesten Folterkammer der Kunst
markieren dich rot meine Lippen
Das Heer deiner Musen erkennt,
was mein Mund sich erkämpfte.
Wie Blut nach dem Fall
schlug dir mein Kuss ins Gesicht
Ein törichter Schlag ins Herz
meiner Masken.
Mein falsches Haar kreischt neonpink
im Duett mit meiner Stimme
Unter künstlichen Wimpern klimpern meine Augen
den Takt der Lieder,
für die mich die Muse küsste
Ich fühle dich, rieche dich und schaue dich nicht an,
zünde Arien-Raketen und denke:
„Demaskiere mich in der Dunkelheit!“
Ich schlage die Schmetterlinge tot
So bunt ihre Flügel auch schillern
So schmerzhaft schwingt ihr Flattern
Raupen aus Kopfeiern geschlüpft
krochen abwärts zum Herzen,
verpuppten sich in allen Gedanken
Kein Schutz im Insektenschutzanzug
Nennen wir es Art Affairs,
wenn auf meiner Bühne die Herzbombe detoniert
und Blutfontänen den Fotografen die Linsen beschmieren
Im Tod des Moments stürze ich in die Schusslinie,
hege noch im Fall die Gewissheit:
Meine Lieder hallen länger als die Blitzlichter
in meinen geblendeten Augen
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