Unter Umgehung von Berlin, das wir ja schon so oft besucht hatten, gelangten wir nach Potsdam, der Hauptstadt von Brandenburg, wo ich einen kurzen Besichtigungssprint in den herrlichen Park unternahm, um wenigstens das wunderschöne Schloss Sanssoucivon außen zu fotografieren, das sehr dekorativ oberhalb herrlicher Weinbergterrassen thront; zu einem späteren Zeitpunkt haben wir dort einige Stunden mit dem Rollstuhl zugebracht und natürlich auch das prächtige Innere des Schlosses gebührend besichtigt. 1745-47 ließ Friedrich der Großees als seine Sommerresidenz errichten, einen Ort „ohne Sorge“, auf den er sich gern zurückzog. Im 19. Jh. wurde die Anlage durch Friedrich Wilhelm IV.(1840-1861) erweitert. Die Schlösser und ihre Gärten in Potsdam, sowie auch in Berlin wurden 1990, 92 und 99 in die Liste der Welterbestättender UNESCOeingetragen.
Die weltberühmte Schlosskirchein Wittenberg,an die Martin Luther, bis dahin nahezu unbekannter Augustinermönch und Theologieprofessor, 1517 seine 95 Thesen schlug, war das nächste Motiv, nachdem wir nach etwa 38 Kilometern die Landesgrenze nach SACHSEN-ANHALTüberfahren hatten; 1760 während des Siebenjährigen Kriegeszerstört, wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts im neugotischen Stil wieder aufgebaut. Alle Martin Luther Stättenin Wittenbergund in seiner Heimatstadt Eislebenstehen seit 1996 auf der Weltkulturerbelisteder UNESCO.
Unser Tagesziel war das in SACHSENgelegene
auch dort Verfall und langsamer Wiederaufbau. In der Altstadtfindet man noch reizvolle kleine Gassen rund um den Markt.Das Alte Rathausund dicht daneben die Alte Waage,in der früher vor jeder Messe die Waren geprüft, gewogen und verzollt wurden, sind sehenswerte Renaissancebauten.
Da wir in der letzten Nacht so gut auf dem Marktplatz geschlafen hatten, wollten wir es in Leipzig nochmals versuchen. Zuvor mussten wir uns jedoch um unser leibliches Wohl kümmern. In einer kleinen Seitengasse entdeckten wir ein uriges kleines Lokal. Es war wie immer sehr voll, zusammen mit drei Herren mittleren Alters wurden wir an einen Tisch gewiesen. Wie sich herausstellte, waren es Pädagogen aus Leipzig, ihre Fächer Physik, Chemie und Mathe. Nochmals drei Meinungen zu dem spektakulären Ereignis, genau wie bei den vorherigen Kontakten alle positiv gestimmt, es konnte ja nur besser werden. Momentan waren sie auf der Suche nach einem westdeutschen Auto, die Marke Opel war der große Favorit. Im Verlauf des wieder sehr lustigen Abends stießen wir alle gemeinsam auf die glückliche Wiedervereinigung an.
Als wir am nächsten Morgen nach doch etwas unruhigerer Nacht unsere Vorhänge beiseite zogen, glaubten wir an eine Fata Morgana. Rund um uns herum Marktstände und reges Leben. Wir mussten doch sehr tief geschlafen haben. Ohne uns dadurch stören zu lassen, nahmen wir in aller Ruhe unser Frühstück ein, erweitert durch frisches Obst von einem nahen Händler. Plötzlich große Unruhe vor unserem Wagen. Eine ältere Frau war zu Boden gestürzt und wand sich in epileptischen Anfällen, neugierige Gaffer rundherum. Ich schnappte eine unserer Wolldecken und ein Kissen, rannte hinaus, lagerte den hin- und her schlagenden Kopf auf die weiche Unterlage und deckte die Ärmste zu. Der Notarzt war bereits benachrichtigt, ich streichelte sie und redete beruhigend auf sie ein. Es dauerte allerdings eine ganze Weile, was einen sich als schlauen Wessi entpuppenden Umstehenden zu der Aussage veranlasste: „Da schicken wir denen schon unser gutes Geld rüber zum Anschaffen von neuen Krankenwagen, und dann kommen sie noch nicht mal, bei uns geht das viel schneller, in wenigen Minuten ist Hilfe da!“ Ich machte meinem Ärger über diese völlig überflüssige und dumme Bemerkung Luft. Gott sei Dank kam in diesem Moment die Ambulanz, und die Kranke wurde sofort medizinisch versorgt. Ich brauchte eine Weile, bis ich mich beruhigte, manchmal muss man sich wirklich für seine Landsleute schämen!
Nach einem kurzen Bummel über den Markt, so weit die Füße trugen, ließen wir uns auf einer Bank in der Sonne nieder und schauten dem bunten Leben und Treiben zu. Auch einige Händler aus dem Westen boten ihre Waren an, allerdings, wie wir leider feststellen mussten, zu weit überhöhten Preisen. Die Nähe zu Auerbachs Keller, dem Goethein seinem Faustein Denkmal setzte, verführte uns dazu, mittags in dem geheiligten Gewölbe mit großem Appetit leckere Leber mit lockerem Kartoffelpüree und gerösteten Zwiebelringen nebst Apfelspalten zu verzehren.
Danach brachen wir sofort auf. In Naumburgan der Saale,im südöstlichen Zipfel von SACHSEN-ANHALTgelegen, war es zunächst der imposante, größtenteils aus der ersten Hälfte des 13. Jh. stammende Dom St. Peter und Paul, den wir ansteuerten, durch seine vier hoch aufragenden Türme, die sich sehr eindrucksvoll vor den zum Teil mit Wein bebauten Hängen erheben, ist er schon von weitem sichtbar. Sein eindrucksvolles Inneres, wie z.B. die weltberühmten Stifterfiguren, 12 lebensgroße Steinskulpturen, und vieles andere mehr besichtigten wir in aller Ruhe zu einem späteren Zeitpunkt, als der Rollstuhl uns zu mehr Bewegungsfreiheit verhalf.
In der Altstadtsäumen attraktive Bürgerhäuser, meist aus der Zeit des Barock und der Renaissance, die schmalen Gassen und umrahmen ebenso den weiträumig angelegten Marktplatz,sehr schön das Rathaus,ein spätgotischer Bau mit repräsentativem Renaissanceportal. Auf der anderen Seite des Platzes erhebt sich die alte Residenzmit ihren zwei spitzen Giebeln ,die 1652 aus drei benachbarten Häusern entstand und für Herzog Moritz von Sachsen-Zeitzerrichtet wurde. Daneben steht das älteste Haus der Stadt, das so genannte Schlösschen,von 1542-46 Sitz des einzigen evangelischen Bischofsin Naumburg, überragt von der wuchtigen Stadtkirche St. Wenzel,eine spätgotische Hallenkirche, genannt nach dem heiligen Wenzel, dem Schutzpatron der Stadt..
Die in Weimar- inzwischen waren wir also in THÜRINGEN -der Stadt von Goetheund Schiller, geplante Sightseeing-Tour per Mobi musste leider ins Wasser fallen (sie wurde später per Rollstuhl ausgiebig nachgeholt), weil die Innenstadt völlig gesperrt war, und alle Sehenswürdigkeiten lagen nun einmal dort, wie z.B. das Goethe-und das Schillerhaus,das im klassizistischen Stil erbaute Deutsche Nationaltheater, die spätgotische Stadtkirchemit dem wertvollen Flügelaltar von Lucas Cranach dem Älterensowie dessen Sohn, das Schloss,Palast der Herzöge von Sachsen-Weimarund vieles andere mehr. Die Bauhaus Stättenin Weimargehören seit 1996 und das klassische Weimarseit 1998 zu den Weltkulturerbestättender UNESCO.
Bei dem späteren Besuch besichtigten wir auch das 1937 auf dem Ettersbergim Norden der Stadt angelegte berüchtigte Konzentrationslager Buchenwald. In dem weit angelegten Museum, einige alte Gebäude und düstere enge Gefängniszellen sind noch vorhanden, wird der mehr als 56.000 Menschen gedacht, die hier unter großen Qualen den Tod fanden. Ein eindrucksvolles Mahnmalmit Glockenturm erinnert an die überlebenden Häftlinge, die sich am 11. April 1945 selbst befreiten. Erschüttert und mit einem dicken Kloß im Hals verließen wir diese Stätte, von der wir hoffen, dass sich noch sehr viele Menschen dort vor Ort über die unfassbaren Gräueltaten informieren, damit Derartiges sich niemals wiederholen kann.
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