Auch im historischen Stadtkern der alten Hafen- und ehemaligen Hansestadt Stralsundmit seinen mittelalterlichen Straßenzügen, ebenfalls seit 2002 auf der Weltkulturerbelisteder UNESCO, reihen sich Bürgerhäuser aus vielen Jahrhunderten aneinander. Am Alten Markterhebt sich, weithin sichtbar, die kunstvoll gegliederte Fassade des Rathauses, ein prachtvolles Beispiel für die späte norddeutsche Backsteingotik, überragt von den markanten Doppeltürmen der ältesten Stralsunder Pfarrkirche St. Nikolai, der nördliche mit flachem Dach, der südliche besticht durch eine mächtige Barockhaube.
Nachdem wir all diese Sehenswürdigkeiten langsam mit kurzen Fotostopps abgefahren hatten, nutzten wir den uns noch verbleibenden Nachmittag für einen Ausflug auf die durch den Rügendammmit der Stadt verbundenen Insel Rügen. Kreuz und quer, zum Teil über holpriges Kopfsteinpflaster, erkundeten wir Deutschlands größte und wohl auch schönste Insel. Sie bietet einfach alles, was zu einer Ferienlandschaft am Meer gehört, lange Sand- und schmale Kiesstrände unter leuchtend weißen Klippen; auf einen Blick über die berühmtesten steil ins Meer abfallenden Kreidefelsenvom 117 m hohen Königsstuhlmussten wir wegen der weiten Wege vom Parkplatz aus allerdings verzichten, aber das haben wir inzwischen während eines Urlaubs auf dieser herrlichen Insel mit dem Rolli ausgiebig nachgeholt.
Es gibt quirlige Seebäder, aber auch stille Dörfer mit Reetdachhäuschen, mit alten Kastanien und Federvieh auf den Gassen. Man fährt durch weite Felder und Wiesen, Wälder, Heidelandschaften und Moore. Wie schön, dass diese Perle wieder allen deutschen und natürlich auch ausländischen Besuchern offen steht.
Gegen 18.00 Uhr kehrten wir nach
zurück, wo wir schon bald im Hotel Balticein ausgiebiges Abendessen genossen, zusammen mit einem jungen Pärchen aus Rostock, das sich zu uns an den Tisch setzte. Es wurde ein ausgesprochen lustiger Abend, sie war Gärtnerin, gebürtige Ostberlinerin mit entsprechender Klappe, und er ein grundsolider Mecklenburger Fischer mit herrlichem trockenen Humor. Ihre Ansichten zur Wiedervereinigung waren ein Feuerwerk an witzigen Sprüchen, vor allen Dingen bedauerten sie das EDV = Ende der Versorgung. Zuletzt verlegten wir unsere angeregte Unterhaltung in unser Mobi, wo wir bei Schokoladenostereiern, Keksen und Fruchtsaft den Fall der Mauer bis weit nach Mitternacht feierten. Geschlafen wurde auf einem schon vorher auserkorenen Parkplatz direkt am Fahrgasthafen mit Blick auf die ein- und auslaufenden Fähren und vom Fang zurückgekehrten Fischerboote.
Der ebenfalls sonnige Ostermontag brachte uns zunächst in die Universitäts- und ehemalige Hansestadt Greifswald,die Heimat des bekannten romantischen Malers Caspar David Friedrich, dessen berühmtes Bild von den Kreidefelsenauf Rügenwohl jedem Kunstkenner ein Begriff ist. Die Gute Stube dieser Stadt ist der Markt,umgeben von schmucken Giebelhäusern aus Gotik, Renaissance und Barock, darunter auch das markante rote Rathaus, zusammen mit dem legendären Fischmarktmit seinem Skulpturenbrunnenund den gemütlichen Caféterrassen; ebenfalls gut erhalten die Backsteinkirchen St. Jacobi, die Marienkircheund der imposante Dom St. Nikolai.
Weiter ging die Fahrt am romantischen Greifswalder Boddenentlang ,ein Randgewässer der südlichen Ostsee, hinüber zum Städtchen Wolgast,auf einer Brücke über die Peeneauf die Halbinsel Usedom, durch die kleinen Seebäder Heringsdorfund Ahlbeck,in denen wir inzwischen schon einen herrlichen Sommerurlaub genossen haben, bis an die polnische Grenze bei Swinemünde. Leider ließ man uns ohne Visum nicht rüber, ein sehr netter neugieriger Grenzbeamter kam jedoch zu uns an Bord, und bei angeregter Unterhaltung erfuhren wir auch seine durchweg positiven Gedanken zur Wiedervereinigung.
Wir verließen die Halbinsel über das am Oderhaffgelegene Usedom, wie fast alle Orte auch sehr renovierungsbedürftig. In Anklaman der Peene,durch die Schiffbarkeit des Flusses ein bedeutender Hafen für die See- und Binnenschifffahrt, zeugt ein 32 m hohes spätgotisches Steintorvon der einst mächtigen Stadtmauer.
Kurz hinter dem Städtchen nahmen wir einen Tramper mit, der sich als sehr aufgeschlossener Berufssoldat der ehemaligen Nationalen Volksarmee entpuppte. Interessant auch seine Meinung zu dem alle bewegenden Ereignis des Mauerfalls. Unter anderem erzählte er uns, dass er sofort am selben Abend mit seinem Trabbi innerhalb eines langen Konvois über die Grenze gefahren sei und dann heulend in seinem Wagen gesessen hätte, als die „Feinde der Deutschen Demokratischen Republik“, ein dichtes Spalier bildend, ihnen begeistert zuwinkten und Blumen in die geöffneten Fenster reichten. Das jahrelang aufgebaute Feindbild brach wie ein Kartenhaus zusammen.
In der City von Neubrandenburg, seinem Ziel, verabschiedeten wir uns von ihm. Die sehr schön am Nordufer des Tollenseseesgelegene, fast kreisrund gebaute Stadt, wurde im Mittelalter mit einer sieben Meter hohen Mauer aus Feldsteinen umgeben, in die 56 kleine Fachwerkbauten, so genannte Wiekhäuser,integriert wurden, die der Beobachtung und Verteidigung dienten. Die mehr als zwei Kilometer lange Ringmauerblieb trotz 85%iger Zerstörung des Stadtzentrums im Zweiten Weltkrieg fast vollständig erhalten und mit ihr ihre vier prachtvollen reich verzierten Stadttoreaus Backstein, davon am künstlerischsten gestaltet und mit 32 m das höchste, das Treptower Toraus der Mitte des 14. Jh.. mit seinem im 15. Jh. hinzugebauten Vortor. Wird die Innenstadt jetzt überwiegend von modernen Nachkriegsbauten geprägt, so hat man von den Wiekhäusern knapp die Hälfte originalgetreu rekonstruiert und wieder in Benutzung genommen (Galerien und Kunsthandwerksläden).
Mit Neustrelitzerreichten wir die gleichnamige Seenplatte. Alles überragend die neugotische Kircheaus gelbem Backstein mit ihren schlanken seitlichen Türmen, ein Relikt des ehemals riesigen Schlosskomplexesder Herzöge von Mecklenburg-Strelitz, die im 18. Jahrhundert hier residierten. Wir genossen die Fahrt durch dieses landschaftlich so wunderschöne Gebiet, umso erschreckender der Zustand der kleinen Örtchen, die zum größten Teil einen sehr verfallenen Eindruck machten, anscheinend herrschte großer Mangel an Farbe, alles war so grau und trostlos, nur ganz vereinzelt leuchteten bereits frisch gestrichene Fassaden. Besonders schlimm war die Situation an den Tankstellen, es gab sehr wenige, alle machten einen heruntergekommenen Eindruck; meistens lagen sie auch noch abseits, und wenn man endlich eine fand, stieß man auf lange Warteschlangen von Trabbis und Wartburgs, einige westdeutsche Automarken mit ostdeutscher Nummer waren allerdings auch schon darunter, der Gebrauchtwagenhandel blühte.
Um 19.00 Uhr entschlossen wir uns in dem kleinen Städtchen
ganz spontan, mitten auf dem dortigen verkehrsarmen Marktplatzzu übernachten. Inzwischen hatten wir die Grenze nach BRANDENBURGpassiert. Nach sehr ausgedehntem wohlschmeckenden Mahl im nahen Lindenhofschlummerten wir ruhig wie in Abrahams Schoß in den nächsten Morgen. Die Nähe zu einem Bäcker verführte mich dazu, frische Brötchen und leckeren noch warmen Frühstückskuchen zu besorgen. Erfreulich das umfangreiche Angebot und die Nettigkeit der Verkäuferin.
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