Thomas Plörer - Der Mann im Mond

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Als Angie Morrison an ihrem Geburtstag erschlagen wird, ist ihr Täter nicht allein. Was verbirgt sich hinter diesem Hut, der nur ein viel zu großes Grinsen preisgibt?
Jahre später macht es sich auf, das zu Ende zu bringen, was es begonnen hat.

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Der Mann im Mond

Der Mann im Mond

Thomas Plörer

Copyright: © 2014 Thomas Plörer

published by: epubli GmbH, Berlin

www.epubli.de

ISBN 978-3-7375-0514-7

Inhalt

Intro

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Nachwort

Outro

Intro

Wo beginne ich? Mit dem Aufgehen der Sonne an einem Dienstagmorgen, wo die Welt sich aus den Träumen hebt? Ein wenig simpel, keine Frage. Ein nettes Bild, aber doch zu einfach.

Vielleicht aber mit etwas schwierigerem. Dem Mord an der kleinen Angie? Schwere Kost so früh am Tag. Vielleicht, nein, ziemlich sicher nicht jedermanns Geschmack. Mord ist möglicherweise ihr Hobby, aber nicht meines. Ganz und gar nicht. Wo hört die Kunst auf und wo beginnt das Abstoßende, das Gefährliche? Der schmale Grat zwischen Kunst und Perversion, der dünne Streifen am Horizont wenn sich der Abend und der Tag die Hand schütteln und auf der anderen Seite weitermachen mit ihren Bahnen, Licht und Schatten, Leben und Schlafen.

Ich habe nicht viel Zeit. Sie haben sie vielleicht, aber ich nicht. Zeit ist ein kostbares Gut. Ein Sprichwort besagt, was man heute erledigen kann sollte man nicht auf morgen verschieben. Nicht wörtlich, aber das ist Ihnen bestimmt schon aufgefallen. Darauf kommt es auch gar nicht an. Aber worauf dann?

Wenn ich alle Hintergründe der Geschichte schon früher verstanden hätte, würde mir das nicht schwer fallen. Aber es war zu verzwickt. Sagt man das so? Verzwickt?

Man muss den Anfang kennen um das Ende zu verstehen, aber dabei sollte man auch Zwischendrin nicht zu viel übersehen. Oft sind es die Kleinigkeiten, die einen großen Unterschied machen.

Hätte Terrence Hillshaw seine Frau in den letzten Tagen mehr beobachtet, so wäre ihm bestimmt aufgefallen, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung war. Keine große Sache, vielleicht auch einfach nur Stimmungsschwankungen, die es bei Frauen nun wirklich oft genug gab. Terrence hatte nicht viele Frauen gehabt, drei um genau zu sein. Und eigentlich zählten die ersten beiden auch nicht wirklich. Das waren nicht mehr als aufgeplusterte Hühner gewesen, ohne Charakter oder dem, was gemeinhin als Intelligenz zu betrachten war. Keine Frage, sie würden es zu was gebracht haben. Frauen von diesem Schlag konnten vielleicht nicht den aktuellen Präsidenten bestimmen oder beantworten, was es mit diesem verflixten Krieg in Afghanistan auf sich hatte, aber sie waren dennoch in der Lage, die Wochentage anhand der Soaps im Fernsehen zu bestimmen oder den Preis eines netten Paar Schuhe in fünf verschiedene Währungen zu errechnen.

Im Kopf.

Nein, nicht förderlich für eine große Karrierelaufbahn, aber das Leben hatte für solche Frauen schon immer etwas anderes geplant. Früher waren es die dümmsten Frauen, die, wenn sie hübsch waren, den stärksten Jäger in der Sippe ergattert hatten. Heute wird ein Mann nicht mehr an der Größe seines Fanges gemessen sondern an der Größe seines Geldbeutels. Das Prinzip ist das gleiche geblieben. Sorgen machen mussten sich solche Frauen niemals, nein.

Terrence war nicht wachsam gewesen. Ein dummer Fehler, aber was macht das schon. Wieso? Weil Fehler dazu gemacht sind, dass man aus ihnen lernt. Und sind es besonders schlimme Fehler, dann erinnert man sich noch Jahre daran. Er kommt einem plötzlich wieder in den Sinn wenn man abends im Bett liegt. Oft in der Phase wenn man kurz vorm Einschlafen ist. Dann erinnert man sich an das eigene Versagen oder das Versäumnis, schreckt aus dem Halbschlaf hoch und tut es entweder mit einem Lächeln ab oder denkt noch länger darüber nach. Zeitraubend, ärgerlich. Der nächst Tag kann kommen.

Aber zurück zum Thema. Ich habe beschlossen, weder mit dem Mord an der kleinen Angie anzufangen noch mit dem Fehler von Terrence. Beides hat große Relevanz wie das ganze hier weitergehen soll, aber ich finde nicht, dass der Anfang so sein sollte. Schließlich fängt man beim Bau eines Hauses auch mit einem soliden Fundament an. Vielleicht kommen später noch kleine Spalten und Risse zum Vorschein, aber das feste Grundgerüst muss stehen. Das Grundgerüst in dieser Geschichte ist ein kurzer Anruf. Ja, mit diesem Anruf hat alles begonnen.

Damals, am 25. September 2009, vier Tage vor dem Geburtstag von Herbert Morrison.

Kapitel 1

Es waren die Geräusche in der alten Wohnung, die Sarah später in Erinnerung blieben. Die Geräusche der Wohnung, der Umgebung, der Menschen. Später würde sie sich nicht erinnern, an welchem Wochentag in welchem Monat in welchem Jahr der Nachmittag war, der ihr Leben verändern sollte. Nicht die Fakten, die man auf Papier bannen kann, sondern die unsichtbare Tinte der Erinnerung in ihrem Kopf sollte ihr immer wieder vor Augen erscheinen. Das helle Pfeifen der alten Ölheizungen und das gelegentliche Gluckern des Wassers in der Spüle. Draußen auf der Straße hupten die Autos. Irgendjemand hatte irgendjemand anderem die Vorfahrt genommen und einen Unfall verursacht. Ein kleiner Blechschaden, den Knall, die quietschenden Reifen. Schreiende Menschen, keine Verletzten. Nur die Wut und der Schock, doch mit dem Leben davon gekommen zu sein. Das Ticken der Uhr im Esszimmer. Das ständige Pendeln, hin und her, tick tack. Leise Musik aus einem Radio, vermutlich im Wohnzimmer wo ihr Vater saß und über einen Stapel Rechnungen, Belegen und Verträgen gebeugt leise vor sich hin murmelte. An den Song konnte sie sich nicht erinnern, aber das war auch nicht so wichtig. Hätte sie denn zu diesem Zeitpunkt jemals daran gedacht, dass dieser Moment so wichtig sein konnte? Das dieser Moment ihr später immer wieder im Traum erscheinen würde? Und nicht als guter?

Sarah Morrison war sechzehn Jahre alt. Fast siebzehn, nur noch zwei Monate. Sie hatte langes, blondes Haar, das ihr glatt bis über die Schultern fiel. Sie war groß, hatte sie von ihrer Mutter. Fast einen Meter und fünfundsiebzig. Sie schummelte gerne was ihre Größe anbelangte, machte sich häufig ein wenig größer. Was schadete es auch? Alle ihre Freundinnen waren kleiner als sie, sogar manche ihrer männlichen Freunde konnten ihr in dieser Hinsicht nicht das Wasser reichen. Sie war hübsch, auch wenn sie sich dessen in den jungen Jahren ihres Lebens noch nicht so bewusst war. Hätte sie ein Modellscout auf der Straße erblickt hätte er ihr bestimmt seine Karte mitgegeben. Aber eine Karriere als Modell? Sie hatte noch nie daran gedacht, wahrscheinlich hätte es ihr sogar gefallen. Ihre Mutter wäre nicht begeistert gewesen und ihr Vater hätte sie vermutlich auf ein Klosterinternat in die Schweiz geschickt (hätte er es sich denn leisten können). Ihre Vorstellungen waren andere. Vielleicht Tänzerin. Nicht an einer Stange in einem heruntergekommenen Club (denn auch das hätte ihr Vater mit allem was er hatte verhindert), sondern vielleicht Ballett oder einfach eine klassische Tanzausbildung, vielleicht mit einem eigenen Studio. Wettbewerbe, Reisen, Ansehen und Neider. Sie hatte mit ihrer besten Freundin Lucy darüber gesprochen und diese hatte ihr mit glitzernden Augen und rosigen Wangen gut zugesprochen, es doch wirklich zu probieren. Sie hätte das Talent, das Aussehen und den Willen dazu. Lucy war eine gute Freundin, das wusste Sarah. Aber sie hätte auch niemals erwartet, dass Lucy ihr irgendetwas ausredete. Dafür himmelte sie Sarah zu sehr an.

Es war Freitag. Sarah war bereits seit zwei Stunden zuhause. Ihr Vater schon etwas länger. Er war in den letzten Tagen immer sehr früh nach Hause gekommen und seine Laune von Tag zu Tag schlechter geworden. Wohl Probleme in seiner Firma vermutete sie. Ihre beiden Brüder Peter und Junior (eigentlich Michael, aber sie nannten ihn alle Junior, sogar die Lehrer) waren in ihrem gemeinsamen Zimmer und spielten eines ihrer seltsamen Playstation-Spiele. Sie hatte die beiden lachen und schreien hören, als sie aus ihrem Zimmer durch den Gang vorbei an dem Zimmer der Jungs gegangen war. Sie hatte Hunger, aß viel mehr als man ihr ansah. Ein gesegneter Stoffwechsel, das sagte ihre Mutter immer zu ihr. Musste wohl vererbt sein, schließlich war auch ihre Mutter so mancher feuchten Traumes Ursprungs.

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