Es ging jetzt weiter per Großkreisnavigation gen Westen in Richtung Karibik der Wärme entgegen. Na ja, und wenn plötzlich die Sonne mit ihren UV-Strahlungen zwölf Stunden lang das Schiff bombardierten, dann wurde man regelrecht zum Sonnenbaden eingeladen und verführt. Ich wollte nur etwas Farbe bekommen. Spätestens am Nachmittag kurz vor Wachwechsel hatte ich mir dann während der Freiwache einen verdammt schmerzhaften Sonnenbrand zugezogen. Das Ergebnis, vor lauter schmerzhaften Sonnenbrand konnte ich dann ab 20:15 Uhr nur noch auf dem Bauch in der Koje liegen und schlafen. Ich glaube, irgendwo in der Bibel steht: „Dummheit muss bestraft werden.“
Am 19. Februar 1959 passierten wir die Durchfahrt zwischen der Dominikanischen Republik und Puerto Rico, in der Schifffahrt auch als Mona-Passage bekannt. Am 21.Februar erreichten wir Willemstad auf Curaçao, um unsere Bunkervorräte aufzufüllen.
Willemstad, Hauptstadt von Curaçao – Quelle: Jürgen Coprian
Vor der Einfahrt wartete bereits der Hafenlotse auf uns. Kaum war er an Bord, öffnete sich die Pontonbrücke, welche die Ostseite mit der Westseite von Willemstad verbindet. Der Fahrzeug- und Fußgängerverkehr wurde für 10 Minuten unterbrochen, damit wir einlaufen konnten. Endlich waren wir am Bunkerplatz angekommen, konnten einklariert werden, und die Maschinengang konnte den Bunkerschlauch übernehmen und am Bunkerstutzen anschlagen. Da ich in Hamburg nicht zum Schreiben gekommen war, konnte ich mich für eine Stunde in meine Kammer zurückziehen und die private Post erledigen. Meine damalige Postanschriftenliste sah wie folgt aus:
M/S KARPFANGER
Voraussichtliche Abfahrt Agenturanschrift
und Ankunft im Zielhafen
Hamburg, ab 04.02.1959: Karl Bock & Co., Alstertor 1, Hamburg 1
Curaçao an: 19.02.1959: Curaçao Trading & Co., Willemstad
Netherlands Antilles, Curaçao N.W.1
Cristobal an: 21.02.1959: Payne & Wardlaw, P.O.Box 5027
Panama Canal Zone
Balboa an: 21.02.1959: Payne & Wardlaw, P.O.Box 2007
Panama Canal Zone
Los Angeles: 02.03.1959: Williams Dimond & Co. 6th Street
Wilmington 530 West, California, USA.
Seattle an: 09.03.1959: Williams Dimond & Co. 206, Hoge Building
2nd & Cherry Street, Seattle, Washington, USA
Vancouver: 12.03.1959: Dingwall, Cotts & Co., West Hastings Street,
Vancouver, British Columbia, Canada
Honolulu an: 22.03.1959: Oahu Railway & Land Co. Ltd.
Paren, P.O.Box 3288, Honolulu, Hawaii Island.
San Francisco: 2.04.1959: Williams Dimond & Co., 225 Battery Street,
San Francisco, California, USA
Diese Postanschriftenliste schickte ich von Willemstad nach Cuxhaven, damit jeder Freund oder Freundin mich mit Post beglücken konnte. Man war ja optimistisch in meinem Alter.
Nach der Erledigung der privaten Angelegenheiten hatten wir noch drei Stunden Liegenzeit. Mit Genehmigung des Kapitäns und des 1. Offiziers nahmen wir, also der 2. Offizier, ein Teil der Jan Maaten und ich ein Angebot der Bunkergesellschaft an, die uns mit einem Shuttlebus zu einen Badestrand für Touristen brachten, wo wir sowohl sonnenbaden als auch baden konnten. Ich zog das Baden und Tauchen vor, weil ich immer noch mit den Nachwirkungen des Sonnenbrands zu kämpfen hatte. Das Meerwasser war superklar, von der Wasseroberfläche betrachtet. Allerdings beim Tauchen sah man den Meeresgrund mit den Korallen und sonstigem Getier bedingt durch die hohe Salzkonzentration etwas verschwommen. Durch diese Sehschärfeneinschränkung hatte ich eine Kolonie Seeigel übersehen und war beim Tauchen voll in einen hinein getreten. Das tat verdammt weh, da von dem betreffenden Seeigel zirka zehn Stacheln in meiner Fußsohle stecken geblieben und abgebrochen waren. Bis der Shuttlebus der Bunkerfirma uns zurück an Bord brachte, mussten wir, also der 2. Offizier, die Jan Maaten von der Deckscrew und ich noch eine Stunden warten, waren also gezwungen, uns von der Sonne grillen zu lassen, denn sonnengeschützte Strandbauten gab es dort nicht. Trotz schützendem Badetuch bekam meine ausgelaugte Haut noch eine weitere Portion UV-Strahlen zu dem vorangegangen Sonnenbrand hinzu. Das war natürlich alles andere als erfrischend. Endlich kam der Bus, um uns aufzupicken, und unsere Sonnengrillparty war Gott sei Dank zu Ende. Mit schmerzverzerrtem Gesicht humpelte ich zum Shuttle und stieg mit den anderen ein. Zurück an Bord konnte ich feststellen, dass, „wer den Schaden hat, für den Spott sich nicht zu sorgen braucht“. Der Kapitän und der 1. Offizier wollten nicht aufhören zu lästern. Mit der Masche „krankfeiern“ brauche ich erst gar nicht kommen. „Seewache kann man auch auf einem Bein humpelnd oben auf der Brücke gehen.“ Und „beim Leinenloswerfen muss man ja auch nicht unbedingt wie ein junger Hirsch auf der Back herumspringen“, war Kapitän Herbsts Meinung. Ich war wieder einmal geläutert.
Auslaufen war also am 21. Februar im schönen Jahr 1959. Vor uns lag der Panamakanal, ganze 666 Seemeilen entfernt, eine Distanz, die wir in zwei Tagen bewältigen sollten. Es wurde mein erstes Passageerlebnis auf der KARPFANGER.
Mit MS KARPFANGER durch den Panamakanal
Einige geschichtliche und technische Anmerkungen zum Panamakanal:
Der Panamakanal hatte eine sehr erwähnenswerte Historie, die ich dem Leser unbedingt darstellen möchte. Dank der technischen Entwicklung des Computers und der elektronischen Weiterentwicklung des Internets ist es heute im Jahre 2010 jedem Computerfreak möglich, zu jeden Stichwort über Google und Wikipedia vielfältige und exakte Beschreibungen zum jeden Thema zu bekommen, so auch zum Thema Panamakanal. Seit dem Zeitalter der Segelschifffahrt gab es für den Gütertransport von der Westküste sowohl Nord- als auch Südamerikas zur Ostküste Nord- und Südamerikas nur eine Möglichkeit: die Umrundung Cap Horns am Südzipfel von Südamerika. Zwar hatte der spanische Eroberer Vasco Nunez de Balboa 1513 als erster Europäer die Landenge unter großen Strapazen vom Atlantik zum Pazifik per Pferd und zu Fuß überquert, aber das war es auch schon. Der Dschungel forderte von den Eroberern hohe Opfer. Gelbfieber, und andere unbekannte Krankheiten dezimierten die Mannschaftsstärken der spanischen Schiffsbesatzungen von Vasco Nunez de Balboa stark. Die Landenge war damals noch keinen Gedanken für eine künstliche Wasserstraße wert. Über drei Jahrhunderte sollte es so bleiben, ehe amerikanische Politiker und hohe Militärs sich Vorstellungen von einer künstlichen Passage an der engsten Stelle machten.
1835 hatten US-amerikanische Militärs im Auftrag der US-Regierung das Gebiet des heutigen Panama mit dem Ziel ausgekundschaftet, ob es eine Möglichkeit für den Bau eines schiffbaren Kanals geben würde. Sie kamen zu dem Schluss, dass diese Idee absurd wäre. 1875 entwarf der französische Suezkanalbauer Ferdinand de Lesseps einen Plan für den Bau eines zukünftigen Kanals. 1881 begann er mit dem Bau, der zwanzig Jahre dauerte, also nur langsam voran schritt, obwohl er ständig 20.000 Bauarbeiter angeheuert hatte. Sein Kalkül, den Kanal genauso schnell voran zu treiben, wie zuvor durch die Wüstenlandschaft Ägyptens, ging nicht auf. 22 000 Arbeiter wurden durch Gelbfieber und andere tropische Krankheiten dahin gerafft. Weiterhin hatte er die technischen Schwierigkeiten der Berge unterschätzt. Das französische Kanalbauunternehmen gab die Idee am Ende auf. Ferdinand de Lesseps war finanziell pleite.
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