Mit diesem Band, verehrter Leser, möchte ich Ihnen über meine Fahrzeiten bei der Hanseatischen Reederei Emil Offen & Co. KG. berichten, bei der ich in der Zeit vom 20. Januar 1959 bis zum 10. Juni 1963 auf den Schiffen KARPFANGER, KERSTEN MILES, danach ein paar Werfttage wieder auf der KARPFANGER, anschließend auf der KLAUS SCHOKE, Dampfer DITMAR KOEL und zum Schluss wieder auf der KLAUS SCHOKE gefahren habe. Fast alle Schiffe fuhren in der Linienfahrt nach Westküste USA, British Columbia und zu den Hawaiian Islands. Ich war damals jung, nicht gebunden, hatte nur gegenüber meinen Vorgesetzten Verantwortung für die Sicherheit des Schiffes und dessen Ladung und fuhr gerne zur See. Natürlich führte das Leben an Bord und besonders das Zusammenleben mit den Kollegen manchmal auch zu Spannungen. Es war nicht immer alles eitel Sonnenschein. Der Schiffsbetrieb kann aber nur laufen, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Bis auf wenige Ausnahmen klappte die Zusammenarbeit in der Regel immer. Natürlich war die Besatzung schon mal schlecht gelaunt, wenn der Koch im Hafen erst morgens im Brand von Land kam und die Stewards improvisieren mussten, damit wir mittschiffs in der O-Messe und unsere Männer achtern in der M-Messe das Frühstück zubereitet bekamen. Aber solche Schnitzer passierten in der Regel sehr selten und waren aus meiner Sicht auch nur menschlich. So etwas sollte allerdings nicht im Dienst passieren.
Die Seefahrt bestand nicht nur aus Schönwetterfahrten wie beim Segeln auf der Außenalster. Ab Herbst, Winter bis ins Frühjahr hinein gab es in europäischen Gewässern und im Nordatlantik oft Nebel, und die See war oft verdammt rau. Wenn man auch noch verdonnert war, unter diesen Umständen einen dicken Orkan abzuwettern, Rasmus ständig über die Back, weiterhin über die Verschanzung stieg, der alte Wurstwagen nur noch mit den Masten und den Mittschiffsaufbauten aus den Wassermassen herausragte, kaum von der Stelle kam, eher rückwärts als vorwärts lief, dann bekam man doch schon Magenbeklemmungen, und manchmal fiel einem das Mittagessen wieder aus dem Gesicht. Das geschah, wenn das Schiff bis zu 30° nach jeder Seite überholte und die Seekarte auf dem Kartentisch festgenagelt werden musste, damit sie nicht über Stag ging. Bei so einer Wetterlage verrutschte dann auch schon mal etwas in den Laderäumen und ging zu Bruch. Wir begründeten diese Vorkommnisse in unseren Damage-Reports für die Empfänger dann mit der „bad-weather-permitted-damages“-Umschreibung. Wir lebten damals noch in der guten alten „Stück- und Massengut-Ära“. Es gab sie in der Regel noch nicht weltweit, diese Blechkisten, die die Amerikaner erfunden hatten, zunächst nur für Transportschiffe der US-Navy, die die US-Army-Bases mit Nachschub versorgten. Ich hatte sie, also die „TEUs“, (twenty-equel-units oder 20 Feet Units) 1959 das erste Mal in Honolulu gesehen, diese Container, die von allen US-Schiffen der Baer- und der President-Line in Honolulu für die Navy in erstaunlich kurzen Zeiten, genauer gesagt in Stunden, gelöscht und wieder beladen wurden. Jahre später breitete sich dieses Transportwunder in allen Häfen der ganzen Welt aus. Also bei uns an Bord gab es noch keine Hektik, wir hatten bei unserer alten guten Stückgutladung immer noch die Übersicht. Auf den heutigen Dinosauriern, die bis zu 10.000 TEUs mitnehmen können und nur Stunden im Hafen liegen, werden die Schachteln sogar an Deck in fünf bis sechs Lagen gestapelt. Nur die Brücke guckt dann noch aus den Schachteln hervor, mit einer Rundumsicht ab einer Seemeile. Und oben auf der Brücke steht nur ein Wachoffizier, der auch bei schönem Wetter mit runden Augen ständig vor dem Radar steht, wie während der Nebelfahrt im Englischen Kanal. Ick wet nich recht, dat is gewöhnungsbedürftig. Und mit diesen Blechkisten dann auch noch durch den NO-Seekanal! Oh haue, haue, ha! Nix för mi! Damals jedenfalls um 1959 noch nicht. Aber man glaubt es nicht, wie schnell diese Transportrevolution die Handelsschifffahrt, den Schiffbau und die Hafenumschlagsanlagen weltweit aufgerollt und überholt haben, sogar ganz neue spezielle Schiffstypen hervorgebracht hat. Heute schnackt kein Mensch mehr darüber. Heute spricht jeder nur noch vom „Post-Panamax-Frachter“, von riesigen Container-Schiffen mit einer Kapazität bis zu 10.000 TEUs. Stückgutfrachter, wie wir sie damals noch erlebt hatten, sind heute fast passé. Hin und wieder trifft man so ein Museumsschiff. Wir von damals sind natürlich auch schon fast ausgestorben.
Ihr Autor Klaus Perschke
Autor Klaus Perschke mit Frau
Die Hanseatische Reederei Emil Offen
Vorbemerkungzu meinen Reisenauf Schiffen der Hanseatischen Reederei Emil Offen& Co., in Hamburg, Ballindamm 8
Diese Kopie des Fotos von Herrn Emil Klaus Offen bekam ich bei einem Besuch der Reederei Claus-Peter Offen. Genauso, wie er hier in seinem Bürosessel sitzt, habe ich ihn aus den Jahren 1959-1962 heute noch in guter Erinnerung.
Zufällig entdeckte im Internet via Google einen Artikel vom 11. November 2003 im Hamburger Abendblatt mit der Überschrift „Reederei mit Tradition“, der eine Huldigung an Herrn Emil Claus Offen beinhaltete und ihn als einen echten hanseatischen Reeder und Familienpatriarch pries, der eine bewegte Karriere hinter sich hatte.
Ich entnehme dem Inhalt dieses Artikels nur Auszüge und füge ihm einige Zitate des damals dienstältesten Chief-Ingenieurs der Reederei, Herrn Willi Hoffmann, bei, mit dem ich unter anderem zusammen auf der „KIRSTEN MILES“ gefahren war.
Also: „Mit 14 Jahren riss Emil Offen aus der behüteten elterlichen Umgebung aus und suchte sich allein eine Lehrstelle“ Sein Traumberuf war der des Schiffsmaklers. „Er bekam einen Ausbildungsvertrag bei der Firma G. J. H. Siemers & Co., wo er bald avancierte. Und er hatte ein Ziel vor Augen: Er wollte selbstständiger Reeder werden. Dieses Ziel erreichte er 1926, als die in Konkurs gegangene Reederei Wilhelm Hemsoth ihm gegen Übernahme der Schulden vier Schiffe umsonst überließ. Es war ein hohes Risiko, doch mit Hilfe von Siemers & Co. gelang es ihm trotz der Wirtschaftskrise, alle vier Schiffe in der weltweiten Trampschifffahrt gewinnbringend zu beschäftigen.“
In den zwanziger Jahren brach in Deutschland nach dem verloren gegangenen 1. Weltkrieg das Chaos aus. In den USA und in Europa brachen durch den „Schwarzen Freitag“, dem Börsencrash an der Wallstreet, viele große Banken und Wirtschaftsunternehmen, zusammen. Die Generation unserer Großeltern geriet durch falsche politische Entscheidungen sturer Finanzminister der Weimarer Republik in die Arbeitslosigkeit und in eine fürchterliche Not. Die rasch wachsende politische Rechte, die Nationalsozialisten, gewannen dann Anfang der 1930er Jahre an Boden, und im ganzen Land liefen tief enttäuschten Wähler zu ihnen über. Es wuchs damals der Hass auf die Banker, auf die Spekulanten (heute nennt man sie Investmentbanker) und auf bestimmte Minderheiten. Viele von denen sahen ihr Leben und ihre Existenz gefährdet und gingen, solange sie noch konnten, ins Ausland, so auch ein Herr Siemers, der mit seiner Familie nach London übersiedelte. Dort war er mit seiner Familie in Sicherheit vor den brauen Fanatikern, wie auch viele andere.
Читать дальше