„Finde ich auch. Außerdem habe ich mir den nicht ausgedacht. Alle in seine Freunde nennen ihn so.“ Überrascht verzog Jenna das Gesicht. Nie machte sie einen großen Hehl daraus ihre Gedanken zu verstecken. „Schlimm genug! Zu ihm passt eher John oder Jonny-boy.“ Immer wenn sie aufgeregt war wippte Jenna auf und ab, was Shana jedes Mal nervös machte. Genauso wie jetzt. „Jonny-boy? Ernsthaft? Da bleib ich lieber bei Jonah.“ Und schon gings wieder los. Spaßeshalber begannen die Mädchen zu kebbeln wobei dieses Mal Amy die Nase vorn hatte. Gedanken versunken musterte Shana ihre Freundinnen. Es war wirklich etwas Besonderes sie so strahlen zu sehen. Aus einmal fiel ihr auf, dass sich Amy auch etwas verändert hatte. Es waren nur kleine, kaum wahrnehmbare Dinge doch alles in allem sah sie auf einmal… weiblicher aus! Ihre Rundungen kamen besser zur Geltung. Shana spürte, wie sie ihre Freundinnen um diese besondere Ausstrahlung beneidete. Sie hätte auch gerne jemanden, mit dem sie so intime Dinge erleben könnte… „Erde an Shana!“ „W-was?“ Schreckte sie hoch. In ihrem Gedankenchaos hatte sie gar nicht mitbekommen wann die beiden aufgehört hatten sich gegenseitig zu schubsen. Schon wieder nicht! „Hast du nicht zugehört? Da nun das Entjungferungsthema vom Tisch ist, würden wir gerne hören was du jetzt vorhast. Meinst du die eine Nacht reicht, damit du deinem Vater vergibst und alles wieder Friede, Freude, Pfannkuchen ist?“
Was hatte sie eigentlich vor? Konnte sie ihrem Vater wirklich all die schmerzlichen Lügen so schnell vergessen? Und vor allem, wollte sie ihre Mutter wirklich irgendwo da draußen ihr Leben leben lassen?! „Nein.“ Beantwortete sie sich ihre Frage laut. Für die anderen beiden musste sie heute einen ziemlich Wirren Eindruck machen. „Ich kann nicht so tun als wäre alles gut, denn das ist es nicht! Nichts ist gut, mein Leben ist ein einziges Chaos!“ Es war als läge ihr ganzes Leben als Scherbenhaufen vor ihr und blockierte ihren Weg.
Sie musste sich entscheiden.
Gehe ich Barfuß über die Scherben oder kehre ich sie wieder auf? Keine der Alternativen machte sie glücklich aber Shana wusste, dass sie sich entscheiden musste. Eigentlich hatte sie sich bereits entschieden, nur an der Umsetzung haperte es. „Nur zur Info, du bist eine Highschoolerin, da ist so ein bisschen Chaos doch normal.“ Anscheinend ließen die Sinne des Naturgeist bereits etwas erahnen. „Trotzdem. Ich habe die Nase voll von diesem Chaos. Wenn keiner der Erwachsenen Ordnung schaffen will, dann muss ich das erledigen!“ Angestrengt runzelte Amy die Stirn und Shana versprach sich selbst sich von nichts und niemanden aufhalten zu lassen, selbst von ihren Freundinnen nicht. „Und wie genau willst du das anstellen?“ Jennas Wipperei hatte endlich aufgehört und ihre Gedanken überschlugen sich. Irgendwo gab es eine Lösung, die nur darauf wartete genutzt zu werden. „Sie hat recht. Auch wenn er sich jetzt so schuldig fühlt, dein Vater wird dich niemals gehen lassen.“ Plötzlich traf sie ein Geistesblitz und Shana konnte nicht anders als über beide Wangen zu grinsen. Unsicher ob sie noch alle Latten am Zaun hatte warteten die Mädchen auf eine Erklärung. „Deswegen erzähle ich ihm auch nichts davon. In drei Wochen sind Sommerferien und du hast doch erzählt, dass du zu deiner Grandma nach Viban fährst, oder?“ Amys Gesicht kräuselte sich weiter, sie tappte völlig im Dunkeln. Und Jenna schien es nicht besser zu gehen. „Ja schon aber was hat das damit zu tun?“
Shanas Grinsen wurde breiter. „Wir erzählen meinem Dad und deiner Gram’s einfach, dass Jenna und ich mitkommen. So wird keiner Fragen stellen und ich kann in Ruhe nach meiner Mum suchen.“ Diese Idee war wasserdicht und innerlich feierte sie sich selbst für diesen genialen Einfall. „Ich weiß nicht, das klingt sehr riskant. Sobald du nicht mit uns in Viban ankommst fliegt dein Plan doch auf. Und außerdem fährt der Zug samstagmorgens durch, du kannst nicht einfach während der Fahrt aussteigen!“ Noch schien der Naturgeist nicht überzeugt zu sein aber Shana war noch nicht gewillt aufzugeben. Schnell verlagerte sie ihr Gewicht in eine gemütlichere Position. „Und genau deswegen werde ich gar nicht erst da einsteigen. Ich erzähle meinem Dad, dass ich bei dir schlafen werde, weil der Zug morgens früh kommt, was ja auch keine Lüge ist. Aber sobald es dunkel ist, hau ich von hier aus ab und nehme den letzten Zug am Freitag.“ Dieser Teil der Idee war ihr zwar gerade erst gekommen, nichtsdestotrotz klang es einfach nur genial. So langsam nimmt der Plan ja richtig Form an! Schade nur, dass ihre Freundin das nicht so sah. Schlagartig wurden Amys Gesichtszüge hart. „Das ist Irrsinn, Shana! Du kannst nicht einfach so durch die Gegend laufen, vor allem nicht alleine! Hast du etwa schon vergessen wie die letzte Begegnung mit deinem Onkel ausgegangen ist?! Was ist, wenn du ihm in die Falle gehst, wer soll dich dann retten? Jenna, bitte sag Shana wie absurd und gefährlich diese Idee ist.“ In dem Moment begann ihr Selbstvertrauen in den kaum durchdachten Plan an zu bröckeln. Angespannt dachte Jenna nach, drehte immer und immer wieder dieselbe Haarsträhne um ihren Finger. „Ich find sie gut.“ Plötzlich brach sie die Stille, stärkte Shana in ihrer Idee. „Was?!“
Langsam schaute Jenna auf, beäugte die fassungslose Amy mit einem ernsten Blick. Shana fragte sich automatisch wann sie Jenna jemals so ernst gesehen hatte. „Ich finde Shanas Idee gar nicht mal so schlecht. Ernsthaft der hätte auch von mir kommen können! So denken alle, dass du nach Viban fährst und wenn sie dahinter kommen bist du schon längst über alle Berge. Es gibt keine bessere Chance als diese deine Mum zu finden. Shana ich bin dabei, du kannst auf mich zählen!“ Glücksgefühle überfluteten sie und Shana umarmte ihre Freundin etwas zu stürmisch. Oh, ich könnte dich knutschen! „Bist du Panne oder was?! Denk doch mal logisch. Was ist, wenn ihr was passiert?“ Leider war Amy noch immer nicht überzeugt. Und ohne sie gings nicht. Zwar war Shana bewusst, dass sich ihre Freundin nur um sie sorgte, aber trotzdem konnte sie ihre Wut nicht unterdrücken. „Amy du klingst schon wie mein Dad.“ Trotzig stemmte sie die Hände in die Hüften. „Ja und? Wenigstens eine muss dich doch von dieser vollkommen irren Idee abbringen! Es gibt bestimmt noch eine andere Möglichkeit das ganze anzugehen!“ Noch nie hatte sie Amy so wütend gesehen. „Die gibt es aber nicht. Außerdem wird Shana ja wohl kaum alleine gehen, wir gehen einfach mit.“ Was?!
So hatte Shana das nicht geplant. Heftig schüttelte sie den Kopf. „Das geht nicht, ich brauche euch hier.“ Sie hielt kurz inne, atmete tief durch bevor sie sich daran machte Amy zu überreden. „Ich fahre nicht alleine, Faolan wird mich begleiten und ich verspreche dir hoch und heilig mich mindestens einmal am Tag bei euch zu melden. Mir passiert schon nichts, ich bin nicht mehr dieselbe wie vor ein paar Tagen, schon vergessen?“ Shana bemühte sich wirklich für einen ruhigen Ton auch wenn die Wut unter ihrer Haut Funken schlug. Trotz aller Überredungskunst schüttelte Amy immer noch den Kopf. „Ich finde das eine dämliche Idee.“ „Wie wäre es dann, wenn sie noch jemand anderes begleitet?“ Schmiss Jenna dazwischen und tauschte mit Amy rätselhafte Blicke aus. Shana beschloss das erstmal so im Raum stehen zu lassen. Sobald es zur genaueren Planung kam würde sie sich dieser Kleinigkeit nochmal annehmen. „Wie gesagt Jenna, ich finde es besser, wenn du mit Amy gehst. Ihr seid meine Basis, meine Informanten. Mein Dad wird euch sicherlich als erste kontaktieren, ich brauche euch um herauszufinden, wie nah er mir auf der Spur ist.“ Zustimmend nickte die Hexe, Amy hingegen sah noch immer nicht überzeugt aus. Und außerdem möchte ich nicht, dass ihr meinetwegen ärger bekommt! „Uuh, das klingt ja wie Mission Impossible. Ich find’s cool, Agentin Sarez!“ Auf einmal hellte sich Jennas Gesicht auf und die Mädchen begannen wie wild Ideen auszutauschen.
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