In letzter Sekunde hinderte Amy ihre Freundin daran, noch jemanden heute bis aufs Mark zu verletzten. Sichtlich verwirrt von dem spontanen Angebot schwenkte Shana zwischen ihrer Freundin und Damon. Das Gesicht des Engels sprach Bände und sie wusste, dass Amys Versuch letztendlich das unumgängliche nur herauszögern würde. Wie eine Klette warf Jenna sich an ihren Hals, kicherte, stieg in das Ablenkungsmanöver hinein. „Keine Pyamaparty ohne Jenna!“ Schlagartig spürte Shana wie bei dem Anblick ihrer Freundinnen ihre brennende Wut abebbte und sich zu einem kleinen, zentnerschweren Knoten in ihrem Herzen zusammenfaltete. Zwar war sie nicht verschwunden und schon gar nicht vergessen aber wenigstens zerfraß es sie nicht mehr an Ort und Stelle. Alles ist mir lieber, als heute mit diesem Verräter zu Hause zu schlafen!
Shana nickte stumm. Die letzte Zeit war verdammt anstrengend gewesen, doch der Streit mit ihrem Vater war auf eine unerklärliche Art zermürbender. Obwohl sich in ihr eine neue Quelle auftat, fühlte sie sich ausgelaugt und matt. Sie wusste nicht mehr wem, was oder warum sie überhaupt noch etwas glauben sollte. Ihre Mum hatte recht behalten: Sie bekam ihre langersehnte Antwort. Doch statt der erhofften Ruhe, kamen neue Fragen ans Tageslicht. Fragen, die viel stärker auf ihrer Seele brannten als sie es sich hätte vorstellen können. „Ist das eine Non-Guys-Party?“ Unsicher wie ein Drittklässler stand Damon etwas Abseits, die Finger in den Hosentaschen vergraben. „Ist es!“ Shana konnte es nicht aufhalten und Damon biss sich auf die Lippen, wich ihrem Blick aus. Na, ganz große Klasse! Jetzt schießt du schon auf Unschuldige! Tief durchatmend sammelte sie sich. So konnte es nicht weiter gehen. „Entschuldige, das war nicht so gemeint.“ Eine unangenehme Stille fühlte die Luft, diese einfachen Worte schienen ihn fast tödlich getroffen zu haben. Er kann nichts für deine Probleme. Nutze ihn nicht als Wirt für Dinge, vor denen du dich drückst! Manchmal hasste Shana es, dass sich ihre eigenen Gedanken unbewusst Stimme verliehen. „Ähm… Damon können wir uns kurz reden?“ Für einen kurzen Augenblick leuchteten seine Augen auf, bis zu dem Punkt als sie auf ihre trafen. Damon nickte stumm und folgte ihr – er wusste was jetzt kam. Der Wind wehte ihr die langen zerzausten Haare ins Gesicht und sie kämpfte damit das wilde Gestrüpp aus ihren Augen zu halten. Shana fröstelte es obwohl ihr Feuer sie wärmte. Er war kühl, hart und unwillkürlich dabei schubste er alles brutal vor sich her. Genau wie ich. Ich bin der kalte Wind in seinem Leben…
Als sie ein paar Meter vom Eingang entfernt waren, drehte sich Shana zu ihm um. Nun schlug ihr der Wind ins Gesicht und vertrieb die Haare aus ihrem offenen Mund. Ihre Lunge brannte von der ungewöhnlich kühlen Luft und trotzdem fühlte sie sich besser. Auch Damon war ein paar Schritte vor ihr stehen geblieben und starrte mit den Händen in den Hosentaschen zu Boden. Er weiß was jetzt kommt… Schuldgefühle machten ihr Herz noch schwerer, gossen es in Beton und versenkten es auf dem Meeresgrund. „Damon, ich…“ „Schon gut.“ Unterbrach er sie schnell. Er will es nicht hören, lass es gut sein! Zum Teil war sie dankbar dafür, sagte er doch er würde verstehen auch wenn er nur daneben liegen konnte. „Ist schon gut Shana. Ich verstehe es.“ Damons Stimme wurde leiser als verschlucke der kalte Wind jedes seiner Worte. Doch er wäre nicht Damon, wenn er es dabei beließ. „Du bist aufgebracht und brauchst etwas Zeit für dich. Ich habe Verständnis dafür und ich werde dir in Zukunft mehr Freiraum geben. Wir brauchen keine Pause.“ Die Hoffnung in seiner Stimme schnürte ihr die Kehle zu. „Ich fürchte, dass ist es nicht.“ Und auch an ihrer Stimme machte der Wind sich zu schaffen. Oder war sie es diesmal selbst? Für einen kurzen Moment dachte sie darüber nach es noch etwas heraus zu zögern, ihm die Illusion zu lassen doch selbst wenn es einfacher war brachte sie es nicht übers Herz. Vollkommen durcheinander fuhr er sich durchs Haar, eindeutig rang er mit sich. „Shana ich…“ Er stockte, stolperte ein paar Schritte auf sie zu, hielt dann aber doch inne. „Ich liebe dich, dass weißt du oder? Du weißt ganz genau was du für mich bist?!“ Shana bemerkte wie seine Augen feucht wurden. Stumm nickte sie und senkte den Blick auf ihre Hände. Vor lauter Nervosität hatte sie sich überall die Nagelhaut aufgerissen. „Genau deswegen muss ich es tun.“ Ein unangenehmes Schweigen legte sich wie ein zu schwerer Schleier auf die Jugendlichen, bestätigte ihr, dass er verstanden hatte. „Wieso?“
In dem Moment klang er rauer, nicht wie einer der beliebtesten Highschooler, sondern mehr wie ein Kind. Ein Kind, dass nicht verstand warum Menschen sterben. „Es verletzt mich dich so zu sehen.“
Brach sie die Stille und damit sein Herz.
Ihr eigenes bebte und sie wusste beim besten Willen nicht, wie lange es noch durchhielt. Mit wackeligen Schritten ging sie auf ihn zu, bis sie seinen unregelmäßigen Atem auf ihrem Gesicht spürte. Seine blauen Augen waren blutunterlaufen und spiegelten alles in ihm wieder. Alles was sie zu vernichten drohte. „Es zerstört mich zu sehen wie ich dich zerstöre.“ Ihre Stimme wurde zittrig. „Und ich hasse mich selbst dafür dich nicht so lieben zu können wie du es verdienst.“ Erst als die Worte ausgesprochen waren, spürte Shana wie feucht ihre Wangen von ihren Tränen waren. „Bitte tu das nicht.“ Damon Flehen ging ihr durch und durch. „Vielleicht sind wir es einfach nicht richtig angegangen. Wenn wir härter, nein, wenn ich härter an mir arbeite dann können wir es doch schaffen, oder? Shana ich schwöre dir ich werde der Mann, den du dir wünschst, den du brauchst damit du mich lieben kannst! Vertrau mir ich kann das, ich kann mich ändern!“ Zittrig fuhren seine Fingerspitzen über ihre Haut doch der Schauer von damals blieb aus. „Ich fürchte das bringt nichts.“ Seine Pupillen weiteten sich, noch gab er nicht auf. „Is-ist es wegen letztens? Wenn du es wirklich so sehr willst dann tun wir es einfach!“ Schlagartig drehte sich ihr Magen um und sie entzog sich seiner Berührung. Was bin ich eine notgeile Dirne?! „N-nein das ist mit Sicherheit nicht der Grund.“ Leicht angewidert rümpfte sie die Nase. Wie konnte man das so falsch verstehen? „Was ist es dann? Merkst du nicht wie wir verbunden sind?“ Mit einem Mal fühlte sich Shanas Herz kalt und hart an, so wie der Wind. Ihr schauderte vor sich selbst. Wann bin ich zu so jemandem geworden?
Er hatte recht, sie waren miteinander verbunden aber das Band war einfach nicht stark genug um etwas daran zu ändern. „Ich möchte keinen der sich vollständig verbiegen muss, damit ich ihn will.“ „Shana ich liebe dich!“ Mit eisernem Griff hielt er sie fest, zog sie näher heran. Alles an ihm flehte sie an nicht zu gehen. Seine großen Hände waren schweißgebadet, zitterten wie noch nie zuvor. Shana zwang sich ihm in die Augen zu schauen, währenddessen sie langsam den Kopf schüttelte. Deutlich konnte sie sehen wie es erneut brach. Wie die Splitter in den Abgrund stürzten. „Es tut mir leid Damon. Aber ich werde dich niemals lieben. Wir beide machen einander nicht glücklich, ich weiß, dass es dir genauso bewusst ist.“ Aus seinen Augen sprühte der Trotz, er sagte jedoch nichts. Das ist das Schlimmste was ich jemals tun musste! Ihr war als würde sie Damon bei lebendigem Leib und ohne jegliche Betäubung obduzieren. Trotzdem zwang sie sich weiter zu machen. „Du hast eine Frau verdient, die dich heilt und nicht jemanden, der nur zerstören kann.“ Resignierend ließ Damon von ihr ab.
Enttäuscht und voller widersprüchlicher Gefühle ging er hektische auf und ab, machte sie mehr als nervös doch Shana zwang sich um Ruhe. „Also war´s das jetzt? Ich kann nichts sagen, damit du bei mir bleibst?“ Shana bekam durch den Kloß in ihrem Hals keinen Ton heraus und schüttelte nur den Kopf. Damon fuhr sich ein weiteres Mal durch die Haare, vielleicht zog er auch daran. Plötzlich flackerte Wut in seinen Gesichtszügen auf, verdarben Damons einzigartige Aura. „Ist es wegen ihm? Ist es, weil du Gabriel liebst?“ Mit einem Mal war seine Stimme hart vor lauter Bitterkeit und Wut. „Gabriel ist nun wirklich der letzte, der was damit zu tun hat! Ich mache Schluss mit dir, weil unsere Empfindungen zwei grundsätzlich verschiedene sind! Auch wenn du es mir wahrscheinlich jetzt nicht glaubst liebe ich dich, das habe ich immer und werde ich auch weiterhin, aber diese Liebe, die ich für dich empfinde ist freundschaftlich, auf einer rein platonischen Ebene. Du bist ein wichtiger Freund für mich aber nicht mein Freund.“ Das ständige durch die Haare fahren machte sie wahnsinnig, denn damit zwang er sie tatsächlich gerade an Gabriel zu denken, der dies auch tat, wenn er in die Enge getrieben wurde. Damon schnaubte verächtlich, funkelte sie wie ein angeschossenes Tier an. „Platonisch, große Klasse!“ Shana seufzte tief. Es war schwerer als gedacht und sein Verhalten machte es für sie nicht leichter. „Damon auch wenn ich dich als Freund nicht verlieren möchte, werde ich dich nicht fragen ob wir Freunde bleiben. Was ich dir angetan habe kann vielleicht nicht vergessen werden aber, wenn…“ Plötzlich brach Shanas Stimme ab. Ein unaufhaltsamer Strom lief ihr über das Gesicht. Sie fühlte sich elend, gebrochen und tief verletzt. So als würde sie und nicht Damon seine Liebe verlieren.
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