Jetzt schon verfluchte Shana sich für ihre grenzenlose Neugier doch als Holly dann auch noch nickte und leicht zu Lächeln begann wünschte sie sich an Amnesie zu leiden. „Stimmt. Es dauerte nicht lange bis ich mich in ihn verliebt habe. Danach führte eins zum anderen.“ Der Knoten in ihrem Magen schürte ihr alles ab. Shana konnte sich nicht daran erinnern, dass sie sich wegen jemand Fremden jemals so mies gefühlt hatte. Plötzlich kam ihr eine Idee wie sie das unliebsame Thema gekonnt unter den Tisch fallen lassen konnte. „Der Bluthandel ist bestimmt ein lukratives Geschäft unter Vampiren. Clever eigentlich, da muss man sich um den eigenen Vorrat keine Gedanken machen.“ Erschrocken und etwas überrumpelt musterte Holly sie und schlagartig versteifte sich Shanas Körper. „Was hat dir Gabriel von uns erzählt?“ Urplötzlich mischte sich wieder diese gewisse Härte in Hollys Mimik, was Shanas gereizte Nerven überstrapazierte. „Rein gar nichts! Und trotzdem zwang er mich ihm hinterher zu trotten als wäre ich ein Kind! Wenn es nach mir gehen würde, wäre er noch immer in Sodom und verschwendet seine Zeit mit was auch immer!“ Shanas Herz pochte so wild in ihrem Brustkorb, dass es bereits schmerzte. Doch dieser ungeplante Ausbruch hatte ihr auch einiges an Gewicht genommen. Ohne Vorwarnung hellte sich Hollys Gesicht auf. Ihr Lächeln schien so ehrlich, dass es ihr Schuldgefühle für ihren unnötigen Ausbruch aufzwang. „Also, so ist das. Jetzt verstehe ich.“ Sie seufzte leise, setzte das halbvolle Glas ab.
„Gabriel denkt Geheimnisse wären sexy – was sie natürlich auch sind – solange sie allerdings im Rahmen bleiben. Gabriel und ich, wir waren zusammen aber das ist schon ziemlich lange her. Zwischen uns ist einiges vorgefallen sodass es sehr schwer ist zu sagen, ob wir jemals wieder zueinander finden. Meistens besucht er uns nur um Mason zu sehen, wobei ich in dem Fall bloß Anhang bin.“ Ihre Lippen verzogen sich zu einem weichen Lächeln, jedoch erreichte es ihre Augen nicht. „Tut mir leid, dass ich eben so biestig war aber es ist nicht so einfach seine große Liebe mit einer anderen zu sehen.“ Von Schuldgefühlen getrieben stand Shana ohne nachzudenken auf, sodass ihr Knie mit dem massiven Holztisch kollidierte. Verdammter Mist! Keuchend ließ sie sich wieder nach hinten fallen und rieb sie sich die schmerzende Stelle. „Nein so ist das nicht, wir sind kein Paar! Es ist nur… in letzter Zeit ist einiges in meinem Leben passiert. Die Männer aus meinem Umfeld haben mich angelogen, weil sie dachten es wäre zu meinem Schutz. Selbst mein Freund…“ Shana stockte, schluckte den Kloß herunter.
„Mein Exfreund verhielt sich seltsam. Bis vor kurzem war ich ein normaler Mensch mit menschlichen Problemen, menschlichen Freunden und menschlichen Dingen. Jetzt ist alles anders und all diese Veränderungen zu begreifen ist echt hart. Gabriel ist der Einzige, der mich nicht anlügt auch wenn die Wahrheit beschissener ist. Wenn er jetzt auch noch angefangen hätte zu lügen wäre ich wahrscheinlich durchgedreht.“ Shana spürte wie die Stimmung kippte. „Früher dachte ich immer ein Mädchen zu sein ist schon schwer genug aber dazu noch Übernatürlich, Gott manchmal möchte ich mich nur noch erschießen!“ Ohne sich zurück zu halten prustete Holly los und Shana stimmte mit ein. Dankbar darüber, dass die Situation zwischen ihnen nicht mehr so komisch war entspannte sie. „Tut mir echt leid, ich wollte echt nicht unhöflich sein, es ist nur…“ „Etwas zu viel auf einmal.“ Beendete Holly den Satz und Shana nickte mit einem schiefen Grinsen. Anscheinend war ihr Gegenüber doch nicht so unausstehlich wie anfangs gedacht. „Ich nehmʼs dir nicht übel. Ich verstehe deine Situation sogar ziemlich gut. Auch ich war früher mal ein Mensch.“
Ziellos irrte Gabriel durch die Smog verseuchten Straßen. Mit ausgerechnet diesen beiden Frauen in einem für ihn viel zu kleinen Raum zu sein ließ ihn nicht klar denken. Zwei Frauen – eine die ich liebte wie wahnsinnig, die andere die ich wahnsinniger Weise liebe! Holly war so schön wie immer. Gabriel mochte es, wenn sie ihre schwarzen Haare kürzer trug, es betonte ihre weibliche Gestalt und vor allem ihre Rehkitzaugen. Und Shana…
Viel zu große Männerkleidung stand ihr zwar nicht so gut wie ihre eigene aber auch dort betörten ihn ihre natürlichen Reize. Die Tatsache, dass es Masons und nicht seine Sachen waren, ließ Gabriel schäumen und zu gleich fantasieren. Unbewusst dachte er daran, wie Shana nach dem Bettgeflüster auch Damons verschwitzte Kleidung getragen hatte. Eine Welle von Eifersucht stieg in ihm auf, übermannte ihn so sehr, dass er stehen blieb. Quäl dich doch noch weiter! Shana und er, das ist Geschichte also geh ran, dann zieht sie in Zukunft deine Sachen an! Mit dem nächsten Schritt verbannte Gabriel den Gedanken daran doch der bittere Beigeschmack blieb. Das miese Wetter schien genau Gabriels Stimmung wiederzugeben: Grau. Trist. Vernebelt. Tamani war wahrlich keine schöne Stadt, allerdings war sie das perfekte Versteck. In keiner anderen Stadt konnte man so gut untertauchen wie hier. Ungeduldig schaute er auf sein Handy, keine neue Nachricht von Mason. Unzuverlässiger Sack! Lustlos steckte er es wieder in die Tasche und bemerkte erst jetzt, dass er unbewusst auf die Kneipenstraße zusteuerte. „Wenn ich schon einmal da bin.“ Schulterzuckend gab er sich dem Bedürfnis des Vergessens nach und betrat die erstbeste Bar. „Whiskey auf Eis bitte!“ Die in die Jahre gekommene Kellnerin musterte ihn scharf, brachte ihm trotzdem seine Bestellung. Gedankenversunken nippte er an dem brennenden Zeug. Erstmal etwas runterkommen, danach kannst du immer noch zurückgehen.
„Wie kommt es dann, dass du es jetzt nicht mehr bist?“ Wieso sollten Menschen anderen Menschen das Blut stehlen nur um mit Vampiren Bluthandel zu betreiben? Instinktiv wich Holly ihrem Blick aus, griff erneut nach dem Glas und versteckte sich dahinter. „Das ist nicht wichtig.“ Shana zwang sich zur Ruhe. Eben hatte sie schon einen Einblick von dem bekommen, was Holly ebenfalls sein konnte. „Wenn man nicht gewillt ist Dinge ordentlich zu erklären sollte man gar nicht erst damit anfangen.“ Plötzlich wurden Hollys Gesichtszüge hart. „Wenn man nicht gewillt ist zuzuhören, kann der beste Lehrer nichts erklären.“ Zischte sie gepresst, ihre braunen Augen funkelten vor Angriffslust. Wie soll das denn bitte funktionieren? „Du hast damit angefangen, nicht ich. Wenn du von vorne rein nicht gewollt hast, dass ich es weiß hättest du besser den Mund halten sollen.“ Höhnisch lachte die Vampirin auf und donnerte das leere Glas auf den Tisch. „Du willst wissen warum? Pech gehabt! Ich musste Gabriel versprechen nett zu dir zu sein, dich mit offenen Armen zu empfangen, bla, bla, bla! Aber durch deine charmant nervtötende Art hast du es geschafft, dass mir die Hutschnur platzt! Ich wollte nur nett sein, okay?! Nichts von dem was ich sagte und vor allem wie ich es sagte war ernst gemeint! Ehrlich gesagt kann ich dich noch nicht mal ausstehen! Stolzierst durch die Welt und verlangst von allen Verständnis und Unterstützung nur, weil dir ein Furz quer hängt!! Wach auf Shana, die Welt ist keine bunte Blumenwiese, das war sie noch nie!“ Shana erschrak.
Mit so etwas hatte sie beim besten Willen nicht gerechnet. „I-ich…“ In dem Moment verzog sich Hollys schöne Gesicht in eine wutverzerrte Fratze. „Oh hat das süße Prinzesschen was zu sagen?! Spar es dir, ich er trag deine nervige Stimme keinen Augenblick mehr!“ Mit dem letzten Wort stand sie auf, zog sie sich an und marschierte zur Türe. „Wo willst du hin?“ Hollys Worte hatten sie tief verletzt aber das hieß nicht, dass sie schon mundtot war. „Geht dich nichts an, Prinzesschen! Sag den Jungs ich penn bei ’ner Freundin solange du hier bist! Ach, und zieh die verdammten Klamotten von meinem Bruder aus, du beschmutzt sie nur!“ Fauchte sie und knallte mit einem Schlag die Türe ins Schloss. Benommen und noch unschlüssig was sie tun sollte, starrte Shana der verschwundenen Furie hinterher.
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