Der Glaselefant |
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Horst Rellecke |
epubli GmbH Holtzbrinck Verlagsgruppe (2012) |
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Pop und Postmoderne auf dem Weg zu einer spielerischen Architektur. Überarbeitete und aktualisierte Fassung der Erstausgabe von 1986.
Horst Rellecke
DER GLASELEFANT
Horst Rellecke
Der Glaselefant
Überarbeitete 2. Ausgabe
(1. Ausgabe Bauverlag Wiesbaden 1986)
ISBN 978-3-8442-4254-6
Epubli Verlag Gmbh / Holtzbrinck Verlagsgruppe
©Horst Rellecke 2012
Vorwort zur überarbeiteten Ausgabe
Man könnte es ein aberwitziges Unterfangen nennen, nach 30 Jahren eine abgeschlossene Arbeit aus dem Regal der eigenen Meilensteine zu nehmen und diesem einen zunächst jedem realen Nutzen widersprechenden, aber ehrgeizigen Gedanken so viel Arbeitszeit zu widmen, nur um die damaligen Beobachtungen und Folgerungen einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Haben sich die Erwartungen erfüllt? Hat die Architektur zu ihrer Ernsthaftigkeit auch Freiheit gewonnen? Wie vielleicht zu hoffen war, sind einige Wunschvorstellungen tatsächlich Realität geworden. Die große Architektur war noch nie so gut wie heute! Andererseits waren andere damalige Vorstellungen in ihrer naiven Romantik überzogen oder die Zeit hat sie einfach als verspielte Luftnummern beiseite gefegt. An manchen Stellen wird etwas Wehmut aufkommen, weil einige meiner schönsten Beispiele im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen bereits aufgegangen sind. Dann habe ich aber wenigstens von ihrer Existenz berichtet.
Mehr noch als zuvor ist die Zeit der Ismen vorbei. Ein Streit über Moderne oder Postmoderne, Dekonstruktivismus oder sonstige Modeerscheinungen ist so überflüssig wie ein Loch im Kopf. Da ist die Architektur auch endlich da angekommen, wo die Bildende Kunst vielleicht schon etwas länger wohnt. Die Gegenwart beschert so viel gestalterische Freiheit wie es sie in der Baugeschichte noch niemals gab. Die Architektur ist zudem wirklich global geworden. Wenn man vor 30 Jahren auf die Weltarchitektur schaute, ging der Blick ja doch meistens nach Nordamerika, Europa und vielleicht auch mal auf die eine oder andere singuläre Erscheinung in anderen Regionen dieser Welt. Der Schwerpunkt hat sich aber mittlerweile verschoben. Die alte Tante New York hat eine Menge Konkurrenz bekommen: Hong Kong, Shanghai, Dubai oder Singapur sind die Tummelplätze der Global Players. Die kühnste Idee ist realisierbar und das mitunter da, wo vor dreißig Jahren noch architektonisches Niemandsland war.
Dafür hat die Baukunst aber auch ein paar neue Erfordernisse zu bedienen. Sie muss ökologisch sein und vor allem energieeffizient. Das hätte man vor 30 Jahren aber auch schon wissen müssen. Hingegen konnte man ein solches Attentat wie die Vernichtung der Zwillingstürme des World Trade Centers in New York nicht voraussehen. Deshalb hat die Planung nun auch noch die daraus abzuleitenden Sicherheitsanforderungen zu erfüllen.
Aber vor allen anderen Neuigkeiten hat nichts so sehr die Architektur revolutioniert wie der Computer. Nicht eines der Beispiele meiner ersten Ausgabe ist mit dem Rechner entworfen, weil es solche Werkzeuge überhaupt noch nicht gab. CAD (Computer Aided Design) ist die Zauberformel, mit der man jede Form in den Griff und in ein rechenbares Modell bekommt. Ich behaupte, dass man es einem Gebäude ansieht, ob der Rechner der wichtigste Partner bei der Gestaltung war. Eigentlich ist das heute eine Binsenweisheit, denn selbstverständlich nutzt auch das kleine Büro mit der Spezialität für Garagenanbauten den Computer. Der Anbau wird durch dessen Einsatz aber nicht besser. Gemeint ist hier viel mehr, die darstellbare Freiheit und Überprüfung der Machbarkeit extrem individueller Formgebung. Da kann man schon mal ins Schwärmen geraten angesichts der Eleganz des Santiago Calatrava, der Raffinesse der Zaha Hadid oder der beherrschten Komplexität des Norman Foster.
Das Hauptaugenmerk der ersten Ausgabe galt jedoch weniger der großen Architektur, sondern vielmehr den gebauten Witzen am Straßenrand und den abenteuerlichen Grenzüberschreitungen der Architektur. Manche von ihnen haben die drei Dekaden nicht überstanden, andere kamen zu neuer Blüte. Da, wo es sinnvoll ist, sind ihre schönsten Beispiele in der Dokumentation geblieben. Wo ein neuer Zeitbezug notwendig war, wurde die Brücke geschlagen oder auch mal korrigiert, neue Beispiele wurden ergänzt, wenn die Entwicklung interessante Fortschritte zeitigte. Vielleicht hätte ich auch alles neu machen können, aber dann wäre mir mein Leitgedanke abhanden gekommen und es wäre ein völlig anderes Buch geworden.
Horst Rellecke, Möhnesee 2012
Geleitwort zur Ausgabe von 1986
Der beeindruckendste Aspekt dieser Arbeit über phantastische und mit populärer Phantasie erfüllte (populistischer oder Pop-) Architektur ist der hohe Grad ihrer Ernsthaftigkeit — und gerade jetzt scheint es an der Zeit zu sein für eine ernsthafte Arbeit über die Bedeutung populären Ausdrucks und der darauf basierenden Kunst. Diese Ernsthaftigkeit ist nicht zu verwechseln mit derjenigen der würdevollen Versuche spätmarxistischer Kritiker, welche alle Überreste populärer Begeisterung verbannen wollen aus einer Art gereinigten, "rationalen" Kunst und Architektur für das Volk, aber natürlich nicht durch das Volk.
Die Architekturbeispiele in dieser Arbeit scheinen mir einer solchen Kunst diametral entgegenzustehen. Sie zeigen den Aufwand enthusiastischer Energie, der zum „Überleben" einer Leistung notwendig ist — was die rein „rationale" Leistung nicht vermag. Was die Beispiele Horst Relleckes anscheinend gemein haben, ist das Vergnügen, das der jeweilige Autor in ihrer Realisation fand. Natürlich ist es einfacher und effektiver, Energie in eine Aufgabe zu investieren, wenn der Investor daran Spaß hat, schwerer, wenn er damit gelangweilt ist. Vergnügen schließt jedoch nicht Ernsthaftigkeit aus, wie uns Mozart hätte sagen können. Wohl setzt es uns der Möglichkeit des Kitsches aus, was denselben Rationalisten einen richtigen Schrecken versetzt. Es ist schwer für mich, einzusehen, warum: Wenn man Kitsch ansieht als populäre „Kunst", in der der Aufwand menschlicher Energie nicht ausreicht, um das Ergebnis lebendig werden zu lassen, so dass dabei schließlich eine Gattung des Schwindels herauskommt, dann gibt es sicherlich ein paralleles Phänomen unter den reinen unpop(ulären) Bauten, den endlosen Wiederholungen dieser leblosen, energielosen, uninteressanten Gebäude. Mit anderen Worten: Kitschgebäude genauso wie die öden Bauten aus mehr „rationalistischer" Überzeugung sind, wie in der Tat die meisten Gebäude auf unserem Planeten, Versager. Sie sind Versager, nicht weil sie versuchen, menschliche Gefühle zu berühren, sondern weil sie es daran fehlen lassen.
Fast alle Exempel Horst Relleckes hingegen (obwohl natürlich jeder von uns die Linie zwischen Versagen und Erfolg leicht verschieben würde) erfreuen uns durch ihren Erfolg. Das Vergnügen wird sogar noch gesteigert, gerade weil diese Beispiele auf eine gefährliche Weise erfolgreich sind, indem sie manchmal am Abgrund trüber Sentimentalität tanzen, manchmal des Chaos, der kurzlebigen Kunst des Augenblicks und des Spaßes aus den Klauen des Kitschs. Dies ist reife und ernsthafte Materie.
Charles Moore, Sea Ranch 1981
Vor 30 Jahren war meine Frage: Kann die Pop-Art positiven Einfluss auf die Architektur der Gegenwart au¬üben? Obwohl die bekanntesten Objekte bis dato wohl eher in den Vereinigten Staaten anzutreffen waren, fanden sich auch in der Bundesrepublik Deutschland und im europäischen Ausland vielfältige Beispiele der Pop-und postmodernen Architektur. Auf den folgenden Seiten möchte ich anhand eines 1984 in Hamm in Westfalen verwirklichten Glaselefanten, der als Museum und Ausstellungsgebäude genutzt wird, auf eine Architektur aufmerksam machen, die unserer gebauten Umwelt erneuernde Anregungen vermitteln kann, einfach weil sie der Phantasie und den Gefühlen von Erbauern und Nutzern einen größeren Spielraum lässt.
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