Horst Bosetzky - Der kalte Engel

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Berlin ist im Jahr 1949 gezeichnet von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und der zunehmenden Verschärfung des Ost-West-Konflikts. Könnte es ein günstigeres Pflaster geben für eine mehrfache Mörderin, die ihren Opfern im Westen auflauert, deren Leichen sie aber, fachgerecht zerstückelt, im Osten versteckt?
Horst Bosetzky schildert den authentischen Fall der Elisabeth Kusian, der ganz Berlin über Monate in Atem hielt. Die Krankenschwester, die sich aufopferungsvoll ihren Patienten widmete, erschien vielen in der grauen Nachkriegszeit wie ein Engel. Niemand ahnte von ihren Obsessionen und der Skrupellosigkeit, mit der sie ihre Ziele verfolgte. Erst als die Behörden des sowjetischen Sektors und der Westsektoren über alle politischen Grenzen hinweg zur Zusammenarbeit fanden, kam man der Kusian auf die Spur.
„Der kalte Engel“ gehört zu einer Reihe dokumentarischer Spannungsromane, die den schriftstellerischen Höhepunkt des Berliner Erfolgsautors Horst Bosetzky markieren. In diesen Doku-Krimis verwebt der bekannte Kriminalschriftsteller gekonnt Fakten und Fiktion zu einer packenden Romanhandlung. Anhand eines realen Kriminalfalles zeichnet er jeweils das gültige Bild einer markanten Umbruchphase in der Geschichte Berlins.

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Horst Bosetzky

Der kalte Engel

Roman

Jaron Verlag

Taschenbuchausgabe

1. Auflage dieser Ausgabe 2013

© 2002 Jaron Verlag GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller

seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,

Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien.

www.jaron-verlag.de

Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin,

unter Verwendung eines Fotos des Landesarchivs Berlin

(Henry Ries: Anhalter Bahnhof, 1948)

Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin

ISBN 9783955521981

Inhaltsverzeichnis

Cover

Titel Horst Bosetzky Der kalte Engel Roman Jaron Verlag

Impressum Taschenbuchausgabe 1. Auflage dieser Ausgabe 2013 © 2002 Jaron Verlag GmbH, Berlin Alle Rechte vorbehalten. Jede Verwertung des Werkes und aller seiner Teile ist nur mit Zustimmung des Verlages erlaubt. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Medien. www.jaron-verlag.de Umschlaggestaltung: Bauer + Möhring, Berlin, unter Verwendung eines Fotos des Landesarchivs Berlin (Henry Ries: Anhalter Bahnhof, 1948) Satz: Pinkuin Satz und Datentechnik, Berlin ISBN 9783955521981

Prolog

Kapitel 1

ERSTER TEIL

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

ZWEITER TEIL

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

DRITTER TEIL

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

VIERTER TEIL

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

FÜNFTER TEIL

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Epilog

Kapitel 42

Kapitel 43

Anhang

Schlussbemerkung und Danksagung

Literatur

Prolog

Kapitel 1

Als Manne an diesem Nachmittag sein Schulbuch in die Ecke warf und auf die Straße lief, um mit Jörg und Robert Fußball zu spielen, war es für ihn ein Tag wie jeder andere. Noch jedenfalls. Mit seinen zehn Jahren kannte er keine andere Welt als diese: Berlin als eine große Trümmerwüste. Das galt auch für die Gegend um den Stettiner Bahnhof, Berlin N4. Groß geworden war er in der Borsigstraße. Die reichte von der Elsässer bis zur Invalidenstraße und zählte 34 Häuser. Davon waren die Nummern 6, 11 a bis 21, 31b bis 34 im Krieg zerstört worden. Nicht schlecht. Mannes Opa erzählte immer den Witz: »Berlin ist die Stadt der Warenhäuser – hier war’n Haus und da war’n Haus.« Manne und seine Freunde fanden, dass es keinen schöneren Spielplatz gab als eine richtige Ruine. Außer, man wollte Fußball spielen. Zum Beispiel VfR Mannheim gegen Borussia Dortmund oder Union Oberschöneweide gegen den BSV 92. Manne hatte zum Geburtstag einen nagelneuen Fußball aus Igelit bekommen. Den hatte er seitdem immer bei sich.

Wo steckten Jörg und Robert? Wahrscheinlich waren sie zum Güterbahnhof gelaufen, um zu sehen, ob zwischen den Gleisen heruntergefallene Presskohlen lagen. Oder man sprang auf die Loren und schmiss sie runter. Die Eltern freuten sich darüber mehr als über eine Eins im Rechnen, die man nach Hause brachte.

Es war undufte von den beiden Freunden, dass sie nicht auf ihn gewartet hatten. Manne lief durch die Straßen, sie zu suchen. Schade, dass es keine Trümmerbahnen mehr gab. Mit Feldbahnloren konnte man so herrlich D-Zug spielen. Seine Mutter hatte lange Zeit als Trümmerfrau gearbeitet. Alle verfügbaren Arbeitskräfte waren eingesetzt worden, um die Schuttmassen zu beseitigen. Zuerst waren die Straßen freigeräumt worden, damit die Versorgungsfahrzeuge passieren und die Straßenbahnen wieder fahren konnten. Dann mussten alle Ruinen eingerissen werden, die jederzeit einstürzen konnten. Das war immer unheimlich spannend. Wenn die Männer von der Abbruchfirma oben ein dickes Seil um einen stehen gebliebenen Schornstein gelegt hatten und dann unten daran zogen: »Hauruck! Hauruck!« Und die Staubwolke, wenn das Ding endlich umgefallen war!

Unter den Trümmern lagen noch zahlreiche nicht explodierte Sprengkörper, und wenn sie trotz aller Verbote in den Ruinen herumkletterten, um nach Buntmetall zu suchen, mussten sie jeden Augenblick damit rechnen, dass so ein Blindgänger in die Luft ging.

Grundsätzlich gab es für Manne drei Arten von Ruinen: einmal die Häuser, die Sprengbomben und Luftminen in Schutt und Asche gelegt hatten, Volltreffer, und die nichts mehr waren als ein einziger großer Trümmerhaufen, und zum anderen die Gebäude, die von Brandbomben getroffen worden waren. Im Innern war da nichts erhalten geblieben, vom Keller bis zum Dach alles ausgebrannt, aber die Fassade war noch völlig intakt, wenn auch vom Ruß geschwärzt. Drittens kamen dann die Teilruinen hinzu, Wohnhäuser, bei denen die eine Hälfte zerstört worden war, die andere aber noch bewohnt wurde. Da hingen dann noch Eisenträger in der Luft, und man konnte die Tapeten an den Wänden sehen, die früher zum Wohnzimmer gehört hatten und jetzt außen waren.

Wo man Bombentrichter verfüllt und zerstörte Häuser abgetragen hatte, waren freie Plätze entstanden. Manchmal gastierte dort ein kleiner Zirkus, oder es wurde ein Rummel aufgebaut. Vielleicht dieses Jahr auch mal ein Weihnachtsmarkt.

Noch immer keine Spur von Jörg und Robert. Manne war ein wenig mulmig zumute. »Geh mit keinem mit!« Er hatte die Stimme seiner Mutter ganz genau im Ohr. Was mit Kindern geschah, die mit fremden Männern mitgingen, wusste zwar niemand von ihnen genau, sie glaubten aber, dass man sie wie ein Karnickel schlachten und ihr Fleisch verkaufen würde. Und wenn Jörg und Robert nun … Nein, da vor der Golgatha-Kirche standen sie. Gott sei Dank. Wo sie denn gesteckt hätten? Jörg in der Desinfektionsanstalt. »Zum Entlausen.« Robert war beim Arzt gewesen. »Nachimpfen.« Die Impfung in der Schule hatte er verpasst. »Und dann hab’ ich noch zu Hause Kohlen aus’m Keller hoch holen müssen – wie Hennecke, do!« Adolf Hennecke hatte seine Tagesnorm als Bergmann zu 387 Prozent übererfüllt und war damit in der DDR zum Vater aller Aktivisten geworden.

»Wat spiel’n wa nu?« Manne war für Fußball, Robert für Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann? Jörg tippte sich an die Stirn: »Da sind wa doch viel zu wenig zu.« Er war für Autorennen oder Klimpern, ohne aber eine ausreichende Mehrheit für seine Vorschläge zu finden. Schließlich einigten sie sich auf Fußball. Jörg gegen Robert, das heißt, Union Oberschöneweide (Ost-Berlin) gegen den BSV 92 (West-Berlin). Roberts Vater war Grenzgänger, wohnte im Osten und arbeitete im Westen. Daher diese Rollenverteilung. Manne war der Torwart, und als solcher hatte er streng neutral zu sein.

Man hatte keine Lust, zum nächsten Park zu laufen, man blieb bei sich in der Borsigstraße. Ein Auto kam nur alle Jubeljahre mal. Der »Kasten« war eine zugemauerte Toreinfahrt in einer der Ruinen des zweiten Typs, also ausgebrannt, aber Fassade erhalten. Die Nr. 4.

Manne nahm Aufstellung und machte einen Abschlag. Hoch in die Luft und möglichst genau in die Mitte von Jörg und Robert. Zugleich schrie er: »Anpfiff!« Die beiden Freunde schraubten sich in die Höhe, aber am Ball vorbei. Der tippte hinter ihnen auf, sprang auf die Fahrbahn und rollte in den gegenüberliegenden Rinnstein. Jörg war als Erster hingespurtet und hatte ihn erobert. Aber schon war Robert zur Stelle, und sie begannen wie wild zu rempeln und zu fummeln. Schließlich aber kam Jörg frei zum Schuss. Manne riss die Arme hoch und lenkte den Ball links um den Pfosten, das heißt um die Kante der Toreinfahrt. Ein Schrei. Das wertvolle Stück war durch ein nicht zugemauertes Fenster im Hochparterre gesegelt und mitten in der Ruine gelandet.

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