Der Begriff „postmodern" stammt ursprünglich aus der amerikanischen Literatur. Charles Jencks verweist im Vorspann seines Buches „Die Sprache Postmodernen Architektur" auf eine Anzahl von Literaturquellen, beginnend mit einer Datierung von 1949. Im Gegensatz zur Moderne versteht man unter Postmoderne zweierlei: einerseits modern, andererseits der Tradition verpflichtet. Die Postmoderne ist eklektisch, d. h. sie arbeitet nach der Methode des Historismus, reproduziert Elemente früherer Stile und zitiert frühere Kunstepochen, sie belebt bodenständige Architektur wieder, schließt Adhocismus ein, d.h. man baut ohne exakte Vorplanung mit dem Material, das man gerade zur Hand hat. Im Gegensatz zur Architektur der Moderne verwendet sie Zeichen und Symbole aus der kommerziellen Welt und solche von Subkulturen. Die Postmoderne repräsentiert aber in Wirklichkeit nur einen kleinen Teil der Architekturszene und ist zudem nur ein Sammelbegriff für verschiedene Bestrebungen, keinesfalls die Bezeichnung eines Stils.
Als Gegenpol zur Postmoderne gilt die „Spätmoderne" oder wie manche Begriffe heißen: „High Tech" und „Slick Tech" (die Bedeutung slick reicht von spiegelglatt bis schlüpfrig, von großartig bis trügerisch). Der Begriff „Spätmoderne" ist nach Jencks angeblich 1977 entstanden, um diese Architektur von der Postmodernen zu unterscheiden. Sie steht noch in der Tradition des sog. International Style, indem sie die Ideen und Formen der Moderne übernimmt und zu extremer technischer Eleganz und Raffinesse steigert. Ein bekanntes Beispiel: die Hyatt-Hotels des John Portman (Abb. 2.2). In einem Artikel des „New York Art Examiner" von C. K. Laine wird Portman als Johnny Rotten (der verruchte John, Punkrocker der Sex Pistols) der Architektur bezeichnet und seine Bauten als „hässlich und kriegerisch wie todbringende Raumschiffe" qualifiziert. Man mag dieses Wortspiel wenig angemessen finden, aber ein Problem dieser Architektur wird angesprochen. Der Anblick des Bonaventure Hotels in Los Angeles oder des Renaissance Centers in Detroit ist zwar faszinierend, das Gebäudeinnere aber bereitet oft Orientierungsprobleme, und in all dem feudalen Komfort ist es nahezu unmöglich, einen Platz zu finden, den man mit dem urdeutschen Wort „gemütlich" bezeichnen könnte. Wenn man die Besucher in der Hotel-Lobby beobachtet, sei es beim Essen, beim Drink, beim Gespräch, fallen jene verräterischen Blicke nach rechts und links auf, die die Verhaltensforscher „Sichern“ nennen.

Da in beiden Fällen dem Namen nach schon direkte Beziehungen zur „Modernen Architektur" bestehen, muss dieser Schlüsselbegriff ebenfalls definiert werden. „Moderne Architektur" ist die globale Bezeichnung für die Baukunst von ca. 1914 bis 1972. Sie hat sich aus den Prinzipien des Internationalen Stils entwickelt. So nannten 1932 Henry Russel Hitchkock und Philip Johnson die neue Architektur der 20er Jahre. Innerhalb der Modernen lassen sich zwei Tendenzen erkennen: zum einen eine Linie der Rationalität und Funktionalität beginnend mit der Schule von Chicago, Wright, Perret, Loos, Behrens, Gropius bis Mies van der Rohe, zum anderen eine Linie expressionistischer Tendenz über den Jugendstil und den Expressionismus bis zu Scharoun, Saarinnen und Niemeyer. Der wohl bedeutendste Architekt der Moderne, Le Corbusier hat sich in beide Richtungen bewegt. Die Endphase wird je nach Standort unterschiedlich gesehen. Jencks diagnostiziert das Ende der Moderne auf das Jahr 1972, in dem der Gebäudekomplex Pruitt Igoe in St. Louis, zwischen 1952 und 1955 von Minoru Yamasaki gebaut, gesprengt wurde.
Die Nachfolger der Architektur der Moderne haben sich also in zwei Lager gespalten. Die Postmodernen werfen den späten Jüngern Mies van der Rohes vor, dass sie immer noch Baukunst auf Funktionalität und Ökonomie reduzieren. In umgekehrter Richtung wird den Vertretern der Postmodernen ihr Eklektizismus, also der bewusste Rückgriff auf bekannte Elemente der Baugeschichte, als Bankrotterklärung ihrer Kreativität ausgelegt. Man beruft sich dabei auf Frank Lloyd Wright und Walter Gropius, die im Stilzitat, der Übernahme historischer Elemente, einen elementaren Mangel an Kreativität sahen. Da dieser Vorwurf vor der Entwicklung der Postmodernen formuliert wurde, kann er sich wohl zunächst nur auf den Eklektizismus und Historismus des 19. Jahrhunderts beziehen. Der Vorwurf trifft jedoch damals wie heute zu, wenn lediglich eine Replik entsteht, wie z. B. das Getty-Museum als detailgetreue Nachbildung einer römischen Villa im kalifornischen Malibu (1970-75, Abb. 2.3). Weil eine reine Nachahmung ohne Überdenken der Inhalte sich nicht mit dem Popgedanken vereinbaren lässt, ist in der Jenks'schen Betrachtung der Postmoderne die Bezeichnung „Popkreation" für diese zwar aufwendige, aber ohne geistige Reflexion gebaute Imitation in Malibu nicht korrekt.
Man kann sich der Pop Art also nicht nur von der Bildenden Kunst, sondern auch von der Architekturgeschichte nähern. Unter dem Titel „Pop-Architektur“ haben Wolf Vostell und Dick Higgins als Herausgeber ein Buch veröffentlicht, das bereits eine Synthese beider Kräfte verspricht [54]. Die Autoren sind allesamt Künstler, die sich über Architektur äußern: Beispielsweise Joseph Beuys, der die Berliner Mauer mit einem fünf Zentimeter hohen Aufsatz versehen will, um ihr dadurch eine bessere Proportion zu geben, oder Wolf Vostell, der den Aachener Dom zu verschönern gedenkt, indem er ein überdimensionales Bügeleisen darauf placiert (Abb. 7.14).
Das Buch von Vostell und Higgins bietet keine konstruktiven Vorschläge für ein neues Bauen, sondern kommentiert in erster Linie bestehende Architektur, wobei es zwar einerseits soziales Engagement verspricht gegen eine "luxuriöse Repressionsarchitektur, in der man nichts anfassen, nicht spucken, nicht lachen, nicht rauchen, nicht denken und nicht leben darf" (Vostell), andererseits aber nichts zur Lösung konkreter sozialer Fragen beiträgt. Dieser Vorwurf wird allerdings regelmäßig immer dann erhoben, wenn sich engagierte Künstler gesellschaftskritisch äußern, weil das Verhältnis des Künstlers zur Gesellschaft kompliziert und der Nutzwert seines Beitrages nicht objektiv messbar ist.
Wer die Pop Art bislang als rein kunstgeschichtliches Phänomen betrachtet hat, darf hier schon vermuten, dass der Rahmen der Bildenden Kunst gesprengt wird und dass die Fixierung auf die bestenfalls zwanzig Jahre Pop Art vielleicht eine willkürliche Verkürzung des Themas ist. Das Nomen „Pop" als Prädikativum oder Attribut gebraucht, gewinnt eine neutrale, d. h. nicht zeitlich gebundene Bedeutung. Nach Jencks´ Verständnis kann z. B. ägyptische oder römische Baukunst Pop sein. Wenn ein Begriff aber so großzügig benutzt wird, verliert er seine Präzision. In späteren n dieses Buches werden zwar Parallelen der Pop Art zu früheren Kunstepochen deutlich werden, aber zunächst soll Pop als eine Erfindung des 20. Jahrhunderts verstanden werden.

Mit der Zeitspanne 20. Jahrhundert ist schon ein genügend breites Spektrum vorgegeben, so dass selbst der Versuch einer angemessenen Darstellung bereits Lücken aufweisen wird.
Innerhalb dieses Zeitrahmens bieten sich zwei Epochen zu einem direkten Vergleich an. Die Pop Art der 60er Jahre setzte die banale Alltagsrealität gegen die rationalen ästhetischen Standards der bis dato vorherrschenden Kunstrichtungen. Diese Absicht und besonders die Radikalität, mit der sie vorgetragen wurde, macht die Pop Art mit der Dada-Bewegung der 20er Jahre verwandt. Die Dada-Bewegung war die Rebellion gegen die kulturellen Formen der fadenscheinig gewordenen künstlerischen und gesellschaftlichen Konvention. Sie stellte sich damit auch gegen die zeitgleichen Ismen (Konstruktivismus, Kubismus, Suprematismus), die sich auf abstrakte Ordnungsprinzipien beschränkten. Für die Architektur bedeutete das: mit dem Beginn der Architektur der Moderne, in der Funktionalität und Ökonomie beinahe zu ausschließlichen Maßstäben wurden, gab man die bis dahin in der Architektur gültige Auffassung auf, nach der populäre und „hohe Kunst" ein allgemein verständliches Ganzes waren. In der Zeit um den Ersten Weltkrieg wurde der Grundstock gelegt für eine Architektur, die aber dann erst bestimmend für die Stadtlandschaft in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde, obwohl sie doch ganz wesentliche Bedürfnisse ihrer Nutzer vernachlässigte. Zuerst in der Bildenden Kunst und hier besonders in der Pop Art fand der Verdruss über diese emotionale Unzulänglichkeit der von den Menschen selbst geschaffenen Umgebung ihren Ausdruck. Die Postmoderne hat dabei auch von der Pop Art gelernt und formierte sich als Reaktion auf den internationalen Einheitsstil.
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