Glück gehabt!
Gibt es nicht allzu viel zu tun, denn wir sind ja schon in Südamerika. Ich bin selbständig und habe somit keinen Chef (na ja... Domi sieht es vielleicht ein bisschen anders), mit dem ich sonst bestimmt wegen des längeren Urlaubsbedarfs einiges auszufechten hätte. Wir sind vor Ort mit allem Drum und Dran.
Nur eine Sache gibt es noch, die dringend, um nicht zu sagen zwingend, auf Regelung beharrt: Die Finanzierung des Ganzen! Auf Sponsoren ist nicht zu hoffen und außerdem ist das betteln gehen auch nicht so meine Welt. Also muss eine Lebensversicherung, die ich noch in der alten Heimat laufen habe, und von der ich überzeugt bin, dass sie eigentlich für nichts gut ist, daran glauben.
Sie wird kurzerhand gekündigt und mit Verlust zurück gekauft. Das Finanzielle ist geregelt!
Jetzt gilt es nur noch unsere Haustiere und die Oma, Domi‘s Mutter, für die eher unbestimmte Dauer unserer Reise zu versorgen. Glücklicherweise stammt Domi aus einer kinderreichen paraguayischen Familie, verfügt somit über viele Neffen und Nichten.
Eines der Familienmitglieder muss also dran glauben und es ist auch bald gefunden: Roberto, der Glückliche! Er wird dazu ausersehen, auf Haus, Oma, unsere Blaustirnamazone Lori und unsere Schildkröte namens „Tatu-i“ aufzupassen. Und da das ja eigentlich nicht so viel Arbeit ist, kaufen wir gleich noch ein paar Eimer Farbe, mit der Roberto dann während unserer Abwesenheit die Hütte neu pinseln darf. So als kleines Dankeschön unsererseits. Man will es ja schön haben, wenn man nach einer strapaziösen Reise wieder nach Hause kommt. Der Bub soll ja auch was lernen!
Der wilde Lori
Pablito
Viel schwieriger gestaltet sich dann das Packen und Beladen unserer guten „Gordita“, wobei Domi natürlich ganz andere Prioritäten setzt als ich. Bei mir geht es hauptsächlich um Werkzeug, Ausrüstung schlechthin, und Ersatzteile. Bei ihr halt mehr um Klamotten gegen Kälte (?) oder Wärme und darum, im Urwald gut auszusehen. Na ja, irgendwann ist auch das geregelt, und der Tag der Abfahrt bestimmt. Und jetzt geht es endlich los.
Der grobe Plan
Es ist der 30. August 2011, 09:00 Uhr.
Von Domis Mutter werden wir mit einem “Gott beschütze Euch” eingesegnet und „La Gordita“ kriegt einen Rosenkranz mit Kreuz an den Blinker Hebel geknüpft. Wir müssen versprechen, ihn niemals abzumachen, denn er wird uns bestimmt wieder gut nach Hause geleiten. Wir haben uns dran gehalten und: Er hat Wirkung gezeigt.
Start ins große Abenteuer
Unser Nachbar Anibal, der hier ein Fotogeschäft betreibt, macht noch eine Aufnahme von uns dreien und mit einem „gute Fahrt und viel Glück“ rollen wir durchs Hoftor dem Abenteuer entgegen.
Volltanken, Zigaretten und Eis (zum Kühlen, nicht zum Lutschen) kaufen muss noch erledigt werden. Also noch ein kurzer Stopp unten an der Despensa beim Mister Schei... (Böses deutsches Schimpfwort). Aber so nennen wir ihn, weil es das einziges deutsche Wort ist, das er beherrscht ebenso gerne wie oft gebraucht. Er nimmt es gelassen.
< „Ihr geht wohl auf größere Fahrt? Wenn ich so sehe wie ihr bepackt seid. Wo geht es denn diesmal hin“>, will er wissen. „Na ja, erst mal der Straße nach in Richtung Norden, und wenn wir dann irgendwann in der Karibik angekommen sind, wollen wir uns immer nach links halten“. „Also dann, gute Fahrt und solltet ihr es wirklich bis nach Venezuela schaffen, dann grüßt mir den Hugo Chavez recht schön“...
Er hat es ernst gemeint.
Ich ziehe noch mal an „Gorditas“ Seilzuganlasser und das Motörchen schnurrt zufrieden. Unser Städtchen Coronel Oviedo, im Herzen Paraguays gelegen verschwindet jetzt langsam aus dem Rückspiegel und wir fahren durch grüne Weiden gen Norden und dann immer geradeaus.
Für heute haben wir uns vorgenommen, wenigstens die 400 km in Paraguay noch abzuspulen, da das vor uns liegende nichts Neues und Aufregendes mehr ist. So schaffen wir es auch noch locker bis an die Grenze zu Brasilien und übernachten dann in Dourados auf brasilianischer Seite.
Wir nehmen die BR 163 im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, die uns geradewegs in Richtung Norden führt.
Von früheren Reisen weiß ich, dass uns da bestimmt keine aufregenden Landschaften erwarten. Hier wird industrielle Landwirtschaft betrieben und dem entsprechend sieht es auch aus. Hier könnten wir tagelang durch Monokulturen von Soja, Baumwolle und was weiß ich noch alles fahren und nur wenig wird sich am Landschaftsbild ändern.
Das Gleiche gilt für die Provinzstädtchen, die immer ein bisschen abseits der Straße liegen. Alles hat das gleiche Strickmuster. Die Menschen, denen man begegnet sind sehr geschäftig und man merkt unmissverständlich, dass der sogenannte Fortschritt hier schon lange Einzug gehalten hat.
Domi staunt und bemerkt, dass hier wohl sehr viel Geld bewegt wird und ich frage sie: „Siehst du hier noch ein Vögelchen fliegen? Siehst du Menschen, die im Schatten eines riesigen Baumes sitzen und ihren Mate trinken?“
Ja, der Fortschritt hat wie überall sonst auf der Welt auch hier seinen Preis. Und ganz persönlich wünsche ich mir, dass unser schönes und immer noch ein wenig von lateinischer Romantik geprägtes Paraguay nicht ganz so schnell fortschreitet und Erhaltenswertes noch möglichst lange erhalten bleibt.
Noch ist die Große Dampfwalze namens Fortschritt, die konstruktionsbedingt dazu geschaffen ist, alles platt zu machen, nicht über uns gerollt. Gebe Gott, dass es noch lange so bleibt.
So geht es dann drei Tage weiter, bis wir in Cuiaba ankommen. Das Pantanal, das größte Feuchtbiotop unseres Planeten, erwartet uns.
Der Begriff Pantanal kommt aus dem portugiesischen und bedeutet Sumpf. Es befindet sich in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul. Kleinere Gebiete desselben reichen im Osten bis in die Nachbarstaaten Bolivien und Paraguay.
Das Pantanal ist eine noch sehr wenig erschlossene und kaum bewohnte Flussniederung mit zahlreichen Süßwasserseen, die von mehreren Flüssen gespeist werden und vom Rio Paraguay, dem das Gebiet flutenden und entwässernden Hauptfluss, durchzogen wird.
Dadurch hat sich ein artenreiches Feuchtgebiet entwickelt. Mit etwa 230.000 qkm Fläche ist es fast genau so groß, wie die Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung. Es liegt nur knapp 95 m über dem Meeresspiegel.
Wir suchen und finden eine günstige Unterkunft in Cuiabá, die allerschäbigste bisher, und sind heilfroh, vorher schon ein bisschen Proviant und Eis zum kühlen von Getränken eingekauft zu haben, denn ich habe mir mittlerweile angewöhnt, immer zuerst mal mein schönes “Angekommen-Bierchen” zu trinken.
Читать дальше