SÜDAMERIKA
Beide Viren haben mich infiziert. Ich werde wohl für immer mit ihnen leben müssen.
Und dann gibt es da noch jemanden, dem ich ganz besonders dankbar dafür bin, an seiner Seite leben zu dürfen. Dieser Mensch wird noch sehr oft in diesem Buch erwähnt werden. Er ist eine Sie und trägt den Namen: DOMINGA MEDINA (Domi)
VENEZUELA, ICH KOMME WIEDER
Mit meiner Sahara in Bolivien
Hatte ich mir geschworen. Der Flieger hebt ab und dreht noch eine Ehrenrunde über dem Orinoko-delta. Es war im Jahre 1979.
Damals hatte ich das Glück, acht Monate für eine deutsche Firma in Venezuela arbeiten zu dürfen. Nur einen Gedanken hatte ich auf dem langen Rückflug ins ebenso graue wie fortschrittliche Deutschland, wo angeblich (fast) alle Menschen der Welt leben und arbeiten möchten.
Ich nahm mir vor, dieses fortschrittliche - was immer man darunter auch verstehen mag und gegen “alles” abgesicherte Leben zu Hause wenigstens mal für ein paar Jahre zu unterbrechen, um noch etwas mehr von der Welt und fremden Kulturen zu (er) leben. Ab diesem Zeitpunkt war Venezuela absoluter Mittelpunkt meiner Träumereien von einem anderen neuen Leben und ich musste erkennen, dass mich der Virus Südamerika - da ist er wieder - ganz heftig und unheilbar befallen hatte.
Es folgten noch drei Jahre intensiver Mitarbeit bei der Hebung des bundesdeutschen Sozialproduktes, bis mir dann eine Zeitungsannonce in die Hände fiel: “Techniker, Ingenieure und Facharbeiter für internationale Projekte im Rahmen der deutschen Entwicklungshilfe gesucht”.
Nachdem ich erst mal Rat bei Freunden und Familie gesucht hatte und meistens nur ein “spinnst du denn jetzt total” oder “ist doch unverantwortlich” zu hören bekam, habe ich mich erst recht beworben. Man hatte mir ein Projekt in Paraguay als Werkstattausbilder, Fachrichtung allgemeiner Maschinenbau in Aussicht gestellt. Na ja, das könnte es sein, das Sprungbrett ins neue Leben. Da bist Du ja schon mal auf dem richtigen Kontinent und das mit dem „Virus Venezuela“ könnte dann auch von dort aus funktionieren.
Also, nachdem die Bewerbungsunterlagen ein bisschen, na sagen wir mal “projektspezifisch geschönt” waren, gingen sie raus und man bot mir tatsächlich einen Vertrag an. Zwei Jahre, maximal zwei Mal verlängerbar. Zwischen Vertragsunterzeichnung und Abreise nach Paraguay vergingen gerade mal vier Wochen - reicht ja auch. Dann saßen wir im Flieger, über den Äquator hinweg, in südwestlicher Richtung.
Das ist zum Zeitpunkt, an dem ich dieses Buch schreibe, ziemlich genau dreißig Jahre her. Wie schon erwähnt, ist auch hier unser erstes Auto eine Citroen Kastenente AK 400. Dann kam der Willy‘s dazu, und ein Land Rover, der mir bis zum heutigen Tage treue Dienste erweist. Ja geradezu Familienmitglied geworden ist.
Später musste ich mich dann noch unbedingt als “Dritte-Welt- Mechaniker” verwirklichen und habe mir einen 2 CV 4x4 Saharanachbau selbst gebaut, der seit 2004, als ich anfing, etwas gegen mein Reisefieber als Anbieter von Individualreisen mit 2 CV und Land Rover zu tun, öfters im Einsatz ist.
Unsere „ Gordita“ tritt irgendwann im Jahre 2004 in mein Leben. Beim Neuaufbau, Hühnermist erst mal weg, das Ding komplett zerlegen, reift ganz langsam und erst mal unbewusst der Plan, mein Versprechen von 1979 “Venezuela, ich komme wieder” einzulösen, über Land auf eigener Achse.
Wir schreiben Freitag den 25.September 1982 es ist so gegen Mittag. Bitte das Rauchen einstellen „das waren noch Zeiten“, die Sicherheitsgurte anlegen! Sagt die Anzeige, und der Lautsprecher kündigt die bevorstehende Landung am internationalen Flughafen „Silvio Petirossi“ Asuncion Paraguay“ an.
Ich schaue auf die bizarren Wolkengebilde unter uns. 28 Grad Celsius und wolkenloser Himmel über Paraguay verkündet die Papageienstimme aus dem Lautsprecher. Ok, Wir sinken, die Ohren gehen zu und somit brauch ich mir nicht all die Zweifel meiner angetrauten anzuhören. Es könnte ja schief gehen mit unserem Neustart und so…
Unser Flieger taucht in die Wolkendecke ein. Von wegen wolkenloser Himmel und nur Sonnenschein. Während ich gespannt auf den Durchbruch nach unten warte, verspüre ich etwas Feuchtes an meinem Knie. Wie sieht das Land wohl aus der Vogelperspektive aus? Wie wird mein erster Eindruck sein, von dem Land in dem wir ein neues, anderes Leben beginnen wollen? Der nasse Fleck auf meinem Knie wird etwas größer und intensiver. Nicht das ich mir in die Hose gemacht hätte, nein, Wassereinbruch der aus der Kabinenverkleidung immer zielgerecht und in regelmäßigen Abständen mein rechtes Hosenbein bewässert ist der Grund.
Ja, die LAP (Lineas Aereas Paraguayas) die gab es damals noch, durften mit ihren maroden Fliegern und den Buschpiloten am Knüppel die Lufträume dieser Welt verunsichern. Wir sind durch. Ein sattes, intensives grün bedeckt die neue Welt. In bizarren Windungen schlängelt sich der Fluss, ich nehme an, dass es sich um den Rio Paraguay handelt, durch die Landschaft. Imposant! Ja etwas verrückt komme ich mir schon vor, als ich beschließe das all dies was ich jetzt da unten zu sehen bekomme ziemlich genau meinen Vorstellungen entspreche. Dies wohl das Land sein könnte um einen Neustart anzugehen.
Wir sind gelandet, etwas holprig zwar, aber wir sind da. Gesund und unversehrt. Über die Gangway müssen wir raus, um dann zu Fuß Richtung Abfertigungsgebäude zu gelangen. Wo wir dann (hoffentlich) von Herrn Fleischmann (Name geändert), meinem zukünftigen Chef erwartet werden. Besser gesagt vom Dienststellenleiter der Organisation mit der ich einen Vertrag für zwei Jahre unterzeichnet habe. Zuerst dann noch auf der Gangway den Klimaschock wegstecken, denn die angesagten 28 Grad Celsius sind wohl stark untertrieben. Von hier unten aus ist tatsächlich kein einziges Wölkchen am Himmel der Guaranies auszumachen. Wo ist die Wolkendecke geblieben? Seltsam!!!
Die drei Blechboxen mit unserem vorläufigen Hab und Gut kommen auf dem Gepäckband angerattert. Eine Dame mit Pappschild „Bienvenido Fam. Schäffer“ kommt Pappschild schwingend auf uns zu.
< Ich bin die Frau Fleischmann. Mein Mann musste dringend auf eine Dienstreise, somit bin ich da um sie abzuholen>.
. So die Doña
Ausweis schwingend geht es unkontrolliert und zügig durch alle Kontrollen bis wir schlussendlich draußen zum ersten Mal die asphaltierte Erde unserer Zukunft betreten.
Der Gepäckträger mit seinem wackligen Wägelchen wackelt geduldig hinter uns her, bis wir dann an einem weißen VW-Bulli ankommen. Nachdem er seinen Job gemacht, das heißt alle Gepäckstücke hineingewuchtet hatte, kassiert er ein saftiges Trinkgeld. Mit einem Strahlen im Gesicht und ca. 15mal muchas gracias wiederholend verabschiedet er sich in Richtung Flughafengebäude.
Ich komme zu dem Schluss dass das Trinkgeld zumindest gut bemessen war. oder viel zu viel?
, so Frau Fleischmann.
. Warum denn das? Frage ich.
. Lautet ihre doch sehr plausible Erklärung. Oder wir nehmen ein Taxi.
Irgendwie alles sehr lustig, ja absurd, denke ich als ich mich ans Steuer des Bulli klemme. Meine bessere Hälfte sagt nichts mehr und ich sehe ihr an, wie betroffen und skeptisch sie ist ob dieser Situation.
Wo sind wir denn da gelandet? Mag sie denken. Fügt sich jedoch in ihr Schicksal, und nimmt mit unseren beiden Kindern auf der hinteren Sitzbank Platz. Hinten sind die sichersten Plätze, hatten wir in der Fahrschule in Deutschland gelernt.
Die ersten Eindrücke von Asuncion, Paraguay’s Hauptstadt sind umwerfend. Chaos, nichts als Chaos. Auch habe ich Mühe mich hier am Steuer eines ungewohnten Volkswagens zurecht zu finden. All die verrückten Fahrzeuge, den Kamikazefahrern, deren Fahrverhalten zweifelsfrei auf eine in der Lotterie gewonnene Driverlicens schließen lässt. Unter Umständen haben die meisten wohl auch gar keine.
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