Domi unternimmt mit den beiden eine Stadtbesichtigung, zusammen haben sie sich alles angeschaut, was man so gesehen haben sollte. Vor allem natürlich das berühmte Opernhaus und die Museen. Kultur muss sein.
Im hiesigen Fernsehen kommt die Nachricht, dass ein Unimog mit einem Ehepaar aus England auf einer der desolaten Brücken der BR 319 eingebrochen ist. Glücklicherweise hatten sie ein Satellitentelefon dabei und konnten die Rescate in Manaus alarmieren. Sie wurden mit einem Helikopter ausgeflogen. Der Unimog sowie ein Großteil der Ausrüstung dürften allerdings verloren sein. Ich glaube zu wissen, welche Brücke das war.
Selbst habe ich leider nicht viel von Manaus mitbekommen, außer Werkstatt, Dreherei und Auspuffbauer. Und zwischendurch musste leider immer wieder der Geldautomat aufgesucht werden. Brasilien, speziell Manaus, ist sehr teuer. So haben wir in dieser Zeit unser Tagesbudget um einiges überschritten. Tommy ist uns zum Glück preißlich noch ein Stück entgegen gekommen.
Hierfür noch mal einen ganz besonders herzlichen Dank an ihn und seine Frau! Wer irgendwann mal nach Manaus kommen sollte, dem kann ich „Tommytours“ nur empfehlen. Man ist wirklich bei Freunden untergebracht.
Endlich ist unsere Gordita wieder einsatzbereit. Wenn auch Motorhaube und Kotflügel nicht mehr so richtig passen. Das Auto fährt geradeaus und die Mechanik funktioniert wie eh und je. Abschied nehmen, und es ist das erste mal dass wir längere Zeit festgesessen haben. Umso schwerer fällt uns jetzt der Abschied. Nicht zu wissen ob man sich in diesem Leben noch einmal wieder sieht, macht es nicht leichter.
„ Das Leben, ein stetiger Wettlauf mit dem Tot, wo letzterer immer als Sieger hervorgeht.“
Thommy, Bagjiera und wir
So wird nach vierzehn Tagen Manaus endlich wieder mal der Seilzuganlasser betätigt. Noch im Stadtbereich von Manaus dürfen wir uns an einem kleinen Kabelbrand erfreuen, der Dank des Batteriehauptschalters aber keinen größeren Schaden angerichtet hat. Neue Freunde lassen wir zurück und rollen Stadtauswärts mit …
Mittwoch der 28.09.2011. Bis zur Grenze sind es noch etwa 1.200 Km. Da bei der Schleppaktion auf der BR 319 auch noch die Tachowelle verloren gegangen war, kann ich die gefahrenen Kilometer jetzt nicht mehr kontrollieren. Den Ausgang der Welle am Getriebe haben wir mit einem Weinkorken verschlossen. So was muss man eben immer bei sich haben und ich überlege bei dieser Gelegenheit, für welche Reparatur man leere Brahmadosen gebrauchen könnte.
Gemächlich rollen wir auf der BR 174 in Richtung Norden und schaffen an diesem Tag gerade mal dreihundert Kilometer. Die Straße ist zwar asphaltiert, aber mit unzähligen Kratern übersät, die nur ein wirklich sehr langsames Vorankommen ermöglichen. Wieder mal müssen wir um die Schlaglöcher herum kurven, nur dieses Mal mit Gegenverkehr von hauptsächlich riesigen Monstertrucks, die selbstverständlich ihr Vorrecht auf die noch vorhandenen Asphaltfetzen geltend machen.
Ein Unwetter zieht auf, und wir flüchten uns auf einen Seitenweg, wo wir abwarten wollen, bis alles wieder vorbei ist. Nach ca. zwei Stunden geht es weiter und unser Fräulein „Gordita“ wühlt sich durch die rote Pampe hoch auf die Fahrbahn.
Wir durchqueren das Indianerschutzgebiet „Waimiri-Atroari“, wo man die Durchfahrtserlaubnis nur von 6 bis 18 Uhr erhält. Nachts sind die Schranken geschlossen. Es ist verboten anzuhalten, zu fotografieren und zu filmen, worauf bei der Einfahrt am Schlagbaum mittels eines wirklich übergroßen Hinweisschildes aufmerksam gemacht wird.
Unsichtbare Waimiri
Die Parkwächter haben uns dann auch wirklich auf der ganzen Strecke von etwa 130 km im Auge behalten, damit dieses Verbot auch eingehalten wird. Man gibt vor, dass die Waimiri überaus gefährlich sein sollen. Ich denke aber, dass man sie vor der sogenannten Zivilisation schützen will. Man hat diesen Abschnitt der Straße praktisch mitten durch das Gebiet der Waimiri gebaut.
Könnte es vielleicht auch sein, dass die Waimiri unter Umständen nicht mit dem Bau der Straße einverstanden waren? Hat man sie denn überhaupt gefragt? Auf solche Fragen bekommen wir von den Parkwächtern nur unzureichende um nicht zu sagen ausweichende Antworten. Ich will mich dann später besser darüber informieren, was es damit auf sich hat. Wir durchfahren dieses Gebiet also schnurstracks auf ordentlichem Asphalt, begleitet zu beiden Seiten von undurchdringlichen tropischen Urwald.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kommen wir auf der anderen Seite wieder raus. Dort, wo exakt die Äquatorlinie verläuft, wird einem sofort bewusst: Wir, die zivilisierten sind die Gefahr in diesem einmaligen Fleckchen Erde.
Hier gibt es eine Tankstelle und ein kleines Fernfahrer-Restaurant, wo ich mich nach einer Übernachtungsmöglichkeit erkundigen will. „Wo gibt es hier eine Unterkunft“, fragen wir den Cantinero. Er geht mit mir hinter das Haus und zeigt mir zwei kleine Iglu-Zelte. Eines ist noch frei und da liegen auch schon zwei Matratzen drin.
Ab und zu im Zelt
Mangels Lust am Bettenbau in der „Gordita“ schlagen wir zu. Es ist es doch erst mal viel wichtiger, das gewohnte “Angekommen-Bierchen” und was Essbares zu bestellen.
Domi wirkt heute ungewöhnlich nachdenklich. Dennoch sehe ich in ihren Augen, dass es ihr gut geht. „, frag ich sie. „ < “Ja, ich kann es auch nicht so richtig verstehen, aber all die kleinen Wehwehchen, die wir Frauen halt so haben, sind einfach weg. Ich glaub, ich habe sie vergessen, denn mir geht es einfach nur gut, so wie schon lange nicht mehr“lautet ihre fast unglaubliche Erklärung.
Sollte diese Art zu reisen, die ja auch jede Menge Strapazen mit sich bringt, gar etwas Therapeutisches haben? Und wenn ja, worin liegt der therapeutische Ansatz?
DOMI :
Es war, glaube ich, im April 2011. Ich hatte gerade meinen neuen Reisepass abgeholt, als mich Walter auf dem Rückweg von Asuncion ganz beiläufig fragte: „Könntest du Dir vorstellen, so vier Monate mit mir auf Tour zu gehen? Nur so für uns? Schenk mir doch diese Zeit von Deinem Leben!“ Ich wusste ja schon lange, was da so in seinem Kopf herumspukt und was er damit meinte.
„Ja, könnte ich mir vorstellen, hatte ich zu ihm gesagt“ und bald wieder fast vergessen. Außerdem wollte er ja auch im Juni noch für einen Monat nach Deutschland fliegen, um seinen Vater, seine Kinder und Enkel zu besuchen.
Auffällig oft und ziemlich lange treibt er sich am Abend in seiner Werkstatt rum, ist immer was am Verbessern an der „Gordita“. „Hier schau mal“, sagt er, „ich hab einen Halter zum Filmen für unsere Kamera unterhalb der Windschutzscheibe angebracht, damit du eine ruhigere Hand hast, denn ich denke fürs Filmen solltest du zuständig sein auf unserer Tour.
Na ja, denk ich, flieg du aber erst mal nach Deutschland, die Familie möchte dich wieder mal sehen! Und überhaupt: Wie willst du so eine Reise denn finanzieren? Ich sehe an seinen Augen, dass er da schon ganz konkrete Pläne hat.
Anfang Juli ist er wieder zurück aus Deutschland und beichtet mir, die unnütze (?) Lebensversicherung, bei der ich als seine legitime Gattin die Begünstigte gewesen wäre, gekündigt zu haben. Somit ist die Finanzierung wohl sichergestellt, oder? Nun beginne ich, mir ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie ich es organisieren könnte, dass meine Mutter während unserer Abwesenheit auch gut versorgt ist.
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