So verplempern wir eigentlich den ganzen Tag, hängen unseren Gedanken nach und der Frage, ob wir unsere „Gordita“ einfach hier ihrem Schicksal überlassen sollten. Zu Fuß weiter ist auch ein recht sinnloses Unterfangen. Unser Grübeln wird erst gegen Abend von erneutem Motorengeräusch unterbrochen, und zwar diesmal aus der richtigen Richtung. Ein kleinerer LKW, 4x4, hält an und die zwei jungen Brasilianer wollen uns retten.
Die gebrochene Achse
Demontage
Kurzerhand bauen wir noch gemeinsam Motor und Getriebe aus, und verzurren den vorderen Rahmenteil der Ente auf der hinteren Quertraverse des LKW. Alles Gepäck kommt auf die Ladefläche, inklusive uns beiden. Und so geht es nun weiter bis spät in die Nacht hinein. Einige der zu überwindenden Brücken sind wirklich kriminell. Hier ist immer Absitzen angesagt, und im Scheinwerferlicht wird inspiziert und gerichtet.
Schleppaktion
Gerardo, der Fahrer, bekreuzigt sich jedes Mal, bevor er auf die wackligen Bretter fährt. Einmal hat’s wirklich schlimm geschwankt, und wir konnten im Nachhinein feststellen, dass eine der Hauptstützen abgefault war, einfach nicht mehr da... Bei einigen Rückfahraktionen im Schlamm leidet Gordita‘s Rahmen ganz fürchterlich. Er ist am rechten Hauptträger, da wo das Achs-Rohr befestigt ist, abgeknickt. Dann auf einmal, war unser Anhängsel plötzlich nicht mehr da. Die Gurte und Seile hatten sich bei dem ganzen Gerüttel und Geschiebe durchgescheuert. Trostlos sah das aus, als sie sich da ohne Vorderachse und ohne Räder mit dem geknickten Rahmen im Schlamm eingegraben hatte.
Bei der, ich weiß nicht wievielten Antenne schlagen wir unser Nachtlager auf. Domi macht für uns alle was zu essen, Spaghetti mit Tomatensoße und dazu gibt’s warmes Brahma. Es stellt sich heraus, dass sowohl der Lkw, brandneu, als auch die Kabeltrommel von 2,5 Tonnen auf der Ladefläche, aus Bolivien stammen und auf nicht ganz offiziellem Wege nach Manaus gebracht werden sollen. Die beiden arbeiten im Auftrag, und überhaupt ist schmuggeln hier nichts anderes, als ein ganz normales Gewerbe.
< Ist das nicht gefährlich?> Frage ich den Gerardo. so die Antwort, die mir eigentlich ganz logisch erscheint.
So im Schlepp treffen wir dann am nächsten Tag irgendwann an der Fähre am Rio Baira an. Zwar kann man hier noch nicht von geschafft reden, aber hier leben wieder Menschen und es gibt ein magisches Schild mit der Aufschrift: „Restaurante Pousada Rio Baira“.
Whooow! Hier gibt es bestimmt kühles Bier und was zu essen. Na klar, frischen Fisch vom Fluss und kühles Brahma. Herz was begehrt du mehr? Erste Aktion ist also was zu essen zu bestellen. Dann waschen wir uns im Fluss den mittlerweile verkrusteten roten Dreck von den Klamotten und der Haut.
Hier soll es angeblich Süßwasserdelphine geben. Um sie zu Gesicht zu kriegen, braucht man erst mal kleine Fische, um sie anzulocken, was Domi sich jetzt zur Aufgabe macht. Mit viel Mühe schaffen wir es auch, unser Gespann auf die Fähre zu bringen, denn unser Lkw hat hinten einen sehr langen Überhang, der jedes Mal durch den großen Auffahrwinkel aufsitzt. Das heißt also immer wieder unterbauen mit Steinbrocken, Holzklötzen und langen stabilen Brettern.
Jetzt geht es weiter auf das letzte unbefestigte Stück der Straße und wir hoffen, noch vor Einbruch der Dunkelheit in Careiro zu sein. Vor uns jetzt tatsächlich die komplett eingestürzte Brücke, deren Umfahrung wir mit unserer „Gordita“ ohne Allrad wahrscheinlich nie geschafft hätten. Was hätten wir schon tun können, um hier zuerst durch, und dann die steile und versandete Böschung wieder hochzukommen, frage ich mich, als Gerardo sich gerade wieder mal bekreuzigt. Nur zwei Bekreuzigungen, kann also nicht so schlimm sein; bevor er die Durchfahrt angeht. Ja was hätten wir nur gemacht, fragt mich meine Amazone. Wahrscheinlich einen oder zwei Ruhetage eingelegt. Warten auf ein geeignetes Fahrzeug mit Allrad. Dann durchzerren und so.
Das war einmal
Mit Hilfe von 4x4, kurzer Geländeübersetzung und Gerardos besagten Bekreuzigungen schaffen wir aber die steile Böschung der Umfahrung. Gerardo, Meico und ganz besonders wir sind heilfroh, den schwierigsten Part jetzt wohl geschafft zu haben.
In Careiro verbringen wir dann noch eine unruhige Nacht in unserer „Gordita“ an einer Tankstelle, wo die Dorfjugend sich abends trifft um jede Menge Sound - Auspuffsound volles Rohr, dazu Samba aus ungedämmten Lautsprecherboxen zu produzieren, Alkohol zu konsumieren. Gepinkelt wird grundsätzlich an eines unserer Hinterräder, da die Vorderräder ja im Moment als Abstützung unter dem gebrochenen Rahmenteil nächtigen. Egal, die Nacht geht rum und es kann weiter gehen.
Jetzt gibt es bis Iranduba nur noch guten Asphalt. Dort werden wir dann mit dem Fährschiff über den Rio Negro und den Amazonas nach Manaus übersetzen. Unsere beiden Retter sind für uns zu Helden geworden. In den schwierigsten Situationen erst mal die Samba auf volle Lautstärke gedreht und dann los, mit Auto ausgraben und so. Kein Schimpfen und Nörgeln war jemals von den beiden zu hören.
Unsere Retter Gerardo und Meico
Erleichtert kommen wir dann endlich in Manaus an, sind gerettet und zugleich frustriert, wissen nicht wie, und ob es überhaupt weiter gehen wird. „ Gordita" wird bei Tommy, der seit 18 Jahren in Manaus lebt und genau wie ich aus Hessen stammt, abgeladen. Hier haben wir es gut getroffen. In familiärer Atmosphäre sind wir gut untergebracht, Tommy und seine brasilianische Frau sind sehr hilfsbereit und zwischen Domi und Balgjira entwickelt sich spontan eine schöne Freundschaft.
Am nächsten Tag finde ich eine Werkstatt ganz in der Nähe, zu der ich zu Fuß gehen und auch mitarbeiten kann. Ich komme mir vor wie früher in Deutschland. Früh aufstehen, schnell einen Happen zwischen die Zähne, einen Cafe und ab zur Arbeit.
Das Achs-Rohr bringen wir in eine Dreherei, wo es auf der Drehbank gerichtet, geschweißt und verstärkt wird. Am nächsten Tag ist das Teil fertig. Aber: Gordita’s Rahmen sieht furchtbar aus. Hier muss noch mehr geflechst, geschweißt, gezogen und gerichtet werden. Dies nimmt fast eine Woche in Anspruch, wodurch wir in einen dreizehntägigen Aufenthalt in Manaus haben.
Vier Tage nach uns kommen auch Heinz und Irene bei Tommy an, und sind bestürzt als sie unsere „Gordita“ zu Gesicht bekommen. Die beiden haben eine schöne Amazonasdampferfahrt, die allerdings auch um einiges länger gedauert hat hinter sich als geplant. Der Rio Madeira führt extremes Niedrigwasser und da muss sehr viel manövriert werden, um nicht auf eine der vielen Sandbänke aufzulaufen.
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