Aurel Levy
Abgeflogen
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Titel Aurel Levy Abgeflogen Dieses ebook wurde erstellt bei
AUREL LEVY AUREL LEVY ABGEFLOGEN ROMAN www.avila-verlag.de Copyright © Aurel Levy, 2011 Copyright © AVILA Verlag, Soyen, 2011 Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Umschlaggestaltung: Juliane Grojer, München Für meine 3 Frauen
PROLOG
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
KAPITEL 27
Danksagungen
Impressum neobooks
ABGEFLOGEN
ROMAN
www.avila-verlag.de
Copyright © Aurel Levy, 2011
Copyright © AVILA Verlag, Soyen, 2011
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: Juliane Grojer, München
Für meine 3 Frauen
Lebende Karpfen haben in einer Badewanne nichts verloren. Nicht mal ausnahmsweise. Da bin ich ganz Carolas Meinung. Man kann sich schlecht dazusetzen. Karpfen haben die miese Angewohnheit, an allem herumzulutschen. Sie sind glitschig, bisweilen schleimig. Reinigungseffekt gleich null. Und duschen geht auch nicht. Karpfen mögen kein Duschgel.
Die Stimmung bei Seizingers war etwas angespannt, als ich zu Besuch kam. Eingeladen hatte mich Elfi, damals noch Frau Seizinger. Ich sollte früher kommen. Sie würden zusammen den Baum schmücken, bei Plätzchen und Glühwein. Ob ich Lust hätte? Klar hatte ich Lust, warum nicht.
Doch hier lauerte der erste Fallstrick. Erwin Seizinger bezeichnete das Friede-Freude-Eierkuchen-Baumschmücken vor versammelter Mannschaft als Weiberkram. Ob ich ihm nicht lieber mit den Fischen helfen wollte! Ich war nicht sicher, was er damit meinte, war aber hin- und hergerissen. Zum einen wollte ich den Hausherrn nicht brüskieren, zum anderen hatte mich eigentlich seine Frau eingeladen. Carola hatte normalerweise zu allem einen Kommentar. Diesmal nicht. Sie blickte beharrlich zur Seite, flankiert von Elfriedes »Geht ihr nur, wir kommen schon zurecht«.
Ich folgte Erwin in die Küche. Dort hatte er ein großes Plastikbrett vorbereitet. Darauf lag ein Messer, wie es Indianer zum Skalpieren verwenden, sowie ein Mini-Baseballschläger aus Hart-Gummi. Erwin forderte mich auf, die Eierlikörflasche aus dem Kühlschrank und zwei Gläser aus der Vitrine zu nehmen und ihm zu folgen. Mir schwante Übles. Im Badezimmer erkannte ich die sich anbahnende Tragödie. In der Wanne schwammen, freundlich lächelnd, zwei dicke, fette Karpfen.
Der alte Seizinger schenkte den Eierlikör ein und prostete mir zu. Dann erklärte er, dass Karpfen sich unbedingt mehrere Tage in klarem Wasser freischwimmen müssten. Nur so sei garantiert, dass das Fleisch seinen modrigen Nachgeschmack verliere. Außerdem, fügte er hinzu, käme es dem Familienzusammenhalt zugute, nicht jeden Tag stundenlang im Bad zu verbringen. Er habe als Student schließlich auch nur einmal in der Woche geduscht. Das härte ab und schaffe Freiräume für die wichtigen Dinge im Leben.
Erwin krempelte die Ärmel seines einwandfrei hellblauen Hemdes hoch und beugte sich über die Wanne. Als er die Hände ins Wasser steckte, kam Leben in die Bude. Offenbar hatten auch die beiden Karpfen begriffen, dass diese Weihnachten unrühmlich enden könnten. Der Zeitpunkt war gekommen, um ihr schuppiges Leben zu schwimmen. Binnen Kürze hatte sich die Wanne in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt. Die Fische schlugen mit allen Flossen und zappelten mit Erwins riesigen Pranken um die Wette. Von meiner Warte sah ich wenig mehr, als dass Carolas Vater einige Probleme zu haben schien, der Lage Herr zu werden. Ich rief ihm zu, ob es nicht sinnvoller sei, einfach den Stöpsel herauszuziehen. Er brüllte etwas von »nicht waidmännisch« und dass er schon ganz andere Kaliber fertiggemacht hätte. Schließlich schaffte er es tatsächlich, einen der beiden Karpfen aus dem Wasser und auf das Plastikbrett zu bugsieren. Mit beiden Händen hielt er den Todgeweihten fest. Nun bedeutete er mir, den Totschläger einzusetzen. Meinen fragenden Blick korrekt interpretierend, sagte er: »Na los, nimm den Gummiknüppel und zieh ihm eins über.« Zögerlich griff ich nach dem Totschläger. Er wog viel schwerer, als ich dachte.
»Denk einfach dran, dass es ein schmieriger Typ ist, der Carola eben unter den Schlüpfer gefasst hat.«
Erwin grinste. Der Karpfen schnappte nach Luft und drehte die Augen nach oben, um seinem Mörder ins Gesicht zu sehen. Ich nahm mich zusammen und schlug zu. Dreimal, so fest ich nur konnte.
Erwin grinste noch immer. »Na also. Horst, du hast ja doch Potential. Aus dir wird noch ein richtiger Killer.« Währenddessen ließ er den leblosen Karpfen auf die Seite plumpsen und griff nach dem Messer. Als würde er sein Leben lang nichts anderes machen, stach er mit dem Messer in die Kiemen und zog einen halbmondförmigen Schnitt. Mir wurde schlecht.
»Keine Sorge, der spürt nichts. Dein Schlag hat ihn ins Reich der Träume geschickt. Der Kiemenrundschnitt macht ihm den Garaus. Tod durch Ausbluten. Humaner geht's nicht.«
Mit diesen Worten fasste er den blutenden Fisch und ließ ihn in die Wanne flutschen. Unnötig zu erwähnen, dass diese Aktion für Karpfen Nummer zwei nicht eben deeskalierend wirkte. Er flippte richtig aus, als ihm sein vor sich hinverblutender Kollege entgegentrieb. Erwin war von oben bis unten nass, bis auch dieser Fisch endlich mit dem humanen Kiemenrundschnitt aus unserer Mitte ins Jenseits befördert worden war. Ich war erstaunt über das Repertoire an Schimpfwörtern, das ein Oberlandesrichter aus seinem Sprachschatz hervorzaubern kann. Die Karpfen hatten es ihm nicht leicht gemacht. Die Spritzer aus Fischschleim und Blut, die Gesicht und Hemd bedeckten, mochten ihm unter seinen Jagdkumpels Respekt einbringen, für einen gemütlichen Weihnachtsabend in der Familie taugte das Schlachteroutfit nicht. Auch für mich sollte der Spaß noch nicht vorbei sein. Unter Erwins Anleitung wühlte ich in aufgeschlitzten Fischbäuchen und zog an Eingeweiden, die sich partout nicht von ihrem Eigentümer trennen wollten. Ich war bedient. Und zwar gründlich.
Das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass mich der Alte zu mögen schien. Das Fischmassaker war meine Feuertaufe gewesen. Vermutlich betrachtete er mich nun als würdigen Schwiegersohn. Er bot mir das »Du« an. Nachts um halb eins, nach Unmengen von Alkohol. Er sei ab sofort der Erwin. Das gelte auch für seine Frau, die Elfi. Die hatte sich mit ihren Töchtern schon drei Stunden zuvor verabschiedet, um sich wie in jedem Jahr den fünfeinhalbstündigen Director's Cut von Vom Winde verweht anzusehen. Mich hatten sie nicht gefragt. Offensichtlich gehörte ich für sie nach dem Karpfengemetzel zu den Kerlen. Und Kerle sahen sich keine romantischen Monumentalschinken an, Kerle tranken Schnaps. Ich ergab mich in mein Schicksal. Wobei ich zugeben muss, dass der steirische Marillenbrand mit jedem Glas besser wurde. Das war auch nötig. Denn Erwin wurde zunehmend anhänglicher.
Und er hatte eine Botschaft. Einen 10-Punkte-Plan, der mich direkt auf die Überholspur des gesellschaftlichen und beruflichen Erfolgs führen würde:
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