Carmen, die zwei Jahre älter war als Isabella und Enrique, amüsierte das Verhalten ihres Cousins, da sie ihn gut kannte und von seiner Schwäche für das weibliche Geschlecht wusste.
Carlotta fand die Aufmerksamkeit, die ihr ältester Bruder Isabella schenkte, völlig übertrieben. Sie konnte nicht verstehen, wieso er so ungewöhnlich reagierte. Zwar wusste auch sie, dass er bereits die eine oder andere Freundin gehabt hatte und Mädchen gern mochte, doch mit ihren erst 14 Jahren empfand sie sein Verhalten als lächerlich und albern.
Später beim Schlafen gehen vertraute sich Isabella den beiden Mädchen an. Sie war in diesem Moment sehr froh, dass sie im gleichen Zimmer wie die beiden schlief, da sie das Verhalten von Enrique verunsicherte. Zögernd fragte sie nun. „Ist Enrique immer so lebhaft?“
Carmen sah sie an und grinste, während sie es sich auf ihrem Bett gemütlich machte. „Wie meinst Du das?“ fragte sie neugierig nach. „Na, ja. Ich habe den Eindruck, dass er mir viel Aufmerksamkeit schenkt und…“ Sie sprach nicht weiter, da sie das grinsende Gesicht von Carmen irritierte.
Nun schaltete sich Carlotta in das Gespräch ein. „Ach, mein Bruder übertreibt. Er redet gern viel, wenn ihm ein Mädchen gefällt. Dann ist er immer so albern und macht sich lächerlich, so wie heute Abend.“ Isabella musste unwillkürlich grinsen bei Carlottas letzten Worten. Auch Carmen grinste. Dann aber wurde sie ernst.
„Sei vorsichtig mit Enriques Aufmerksamkeit. Er ist ein netter Kerl, aber auch stürmisch und unbedacht. An der Uni hat er den Ruf eines Partylöwens. Also gib nicht Zuviel auf das was er sagt.“ Sie grinste, als sie die Enttäuschung von Isabella in deren Gesicht sah.
Um diese Enttäuschung zu begrenzen ergänzte sie ihre Erklärung mit den Worten. „Es könnte aber durchaus sein, dass es bei Dir anders ist und er Dich wirklich mag.“ Zuversichtlich sah sie Isabella nun an. Doch ihre Worte halfen Isabella nicht. Sie war irritiert, nickte und legte sich unter ihre Bettdecke.
Die Mädchen redeten noch eine Zeitlang über die verschiedensten Dinge und lachten fröhlich. Doch bei Isabella wollte das Gefühl der Enttäuschung nicht schwinden. Als das Licht bereits lange ausgeschaltet war und sie hörte wie ruhig die anderen beiden schliefen, dachte sie immer noch an die Worte ihrer Cousine.
Carmen hatte gesagt, dass Enrique an der Uni den Ruf eines Partylöwens hatte. Wie sollte sie mit dieser Information umgehen? Sie erinnerte sich daran, dass ihr ihre Mutter einmal erzählt hatte, dass ihr Vater René auch ein Partylöwe gewesen war, bevor er sich in ihre Mutter verliebte. Doch woher sollte sie wissen, ob das bei Enrique auch so sein würde? Sie seufzte und beschloss erst einmal nur geschmeichelt zu sein von der Aufmerksamkeit, die er ihr schenkte. Alles Weitere würde sich dann vielleicht von selbst ergeben.
An den folgenden Tagen bei Ausflügen in die Umgebung von Puebla, kämpften Vater und Sohn um die Aufmerksamkeit ihrer jeweiligen Herzensdame.
José gab sich viel Mühe, um möglichst immer in Cassandras Nähe zu sein. Er flirtete mit ihr und lächelte sie an, wann immer er eine Möglichkeit dazu hatte. Auch die bösen oder genervten Blicke seiner Frau und von René hielten ihn nicht von seinem Treiben ab.
Die Gegenwart von Cassandra und ihr, ihn nicht abwehrendes Verhalten, ermutigten ihn immer wieder in ihre Nähe zu kommen. Zwar konnte er sie nicht umarmen oder küssen, aber eine ihrer Hände streicheln oder einen Arm berühren war möglich und ließ ihn entspannt auf eine Gelegenheit zu mehr Annäherung warten.
Enrique tat es seinem Vater nach und warb unermüdlich um die Aufmerksamkeit von Isabella. Sie fühlte sich bedrängt und flüchtete sich in die Aufmerksamkeit von Raúl, der wesentlich ruhiger agierte als sein Bruder. Dennoch schaffte es Enrique, dass Isabella sein charmantes Lächeln mehrfach erwiderte. Auch entriss sie ihm ihre Hand nicht, als er die Gelegenheit hatte sie zu ergreifen und sie zärtlich zu streicheln.
Der Ausflug nach Cuernavaca an einem schönen, sonnigen Sommertag, sollte zumindest José die Gelegenheit verschaffen Cassandra sehr nah zu kommen.
Sicher und aufmerksam steuerte er den Kleinbus mit seiner Familie über die alte Landstraße, von der aus Cuernavaca immer noch über die Berge in zwei bis drei Stunden erreichbar war. Es gab zwar längst eine schnellere Verbindung, doch José hatte keine Eile.
Er hatte in Abstimmung mit Michael bewusst diese Strecke gewählt, da sie landschaftlich viel schöner war und einen Teil von Mexikos beeindruckender Naturvielfalt zeigte. Zudem hoffte er, dass sich Cassandra an ihren ersten Ausflug nach Cuernavaca erinnern würde und er auf diese Weise wieder tiefer in ihre Gefühlswelt eindringen konnte.
Nach mehr als einer Stunde steuerte er einen Rastplatz mit einem eindrucksvollen Gebirgspanorama an. Der Platz lag in ca. 2000 Meter Höhe und es wehte ein kühler Wind. Cassandra bemerkte den Wind allerdings erst, als sie sich weit vom Kleinbus entfernt hatte. Sie fror und Renés Umarmung reichte nicht aus, um sie zu wärmen.
„Ich hole mir schnell meine Jacke“, sagte sie nun zu ihm und lief los ohne auf eine Reaktion von ihm zu warten.
Er wollte ihr hinter laufen, da er wusste, dass sich José noch beim Kleinbus aufhielt, doch Markus und Katharina lenkten ihren Vater mit neugierigen Fragen über die schöne Landschaft ab.
Cassandra gelangte zurück zum Kleinbus. José sah sie fragend an. „Ich habe meine Jacke vergessen“, sagte sie und stieg noch einmal in den Bus. Vorsichtig kletterte sie über die Sitzbänke und griff nach ihrer Jacke. Doch der Weg zurück aus dem Bus war verstellt.
José sah sie grinsend an und forderte einen Kuss von ihr. Sie lachte und sagte keck. „Nein“ Ihre Reaktion amüsierte ihn. Er kam dichter auf sie zu. „Doch, ich will aber einen Kuss“, wiederholte er seine Forderung.
Cassandra wich zurück. Dabei rutschte sie von einem Polster und lag plötzlich mit dem Rücken auf einer Sitzbank. Noch bevor sie sich wieder aufrichten konnte, beugte sich José grinsend über sie. „Du entkommst mir nicht“, sagte er mit sanfter Stimme, beugte sich zu ihr hinunter und küsste sie. Sie genoss seinen Kuss, wollte sich danach aber schnell wieder aufrichten. Doch das verhinderte er. Denn nach seinem Kuss hatte er sich auf sie gelegt und genoss es nun ihren Körper unter seinem zu spüren.
Entsetzt sah sie ihn an. Er lächelte charmant und küsste sie erneut. „Was wird das hier?“, fragte sie irritiert, aber auch erregt von der Nähe seines Körpers. Ihr Herz raste plötzlich wie wild. Sie spürte deutlich seine harte Männlichkeit in ihrem Schritt und hatte Mühe ein aufkommendes Verlangen nach ihm zu unterdrücken.
„Ich begehre Dich. Spürst Du das nicht?“ fragte er sie erstaunt. Sie nickte. Sie spürte nur zu gut, wie sehr er sie begehrte und es machte ihr Angst. Er hatte erneut ein Verlangen in ihr geweckt und das obwohl René in unmittelbarer Nähe war. Was wollte José damit erreichen? Er würde sie beide nur in große Schwierigkeiten bringen.
José grinste und küsste sie leidenschaftlich. Cassandra stöhnte lustvoll auf, da ihr Körper Begierde und Lust empfand, die sie erfolglos zu unterdrücken versucht hatte. Sie war viel zu sinnlich, um nicht empfänglich zu sein für Josés ständige Annäherungsversuche.
Er wollte sie verführen, das war ihr nun nur allzu klar. In Panik flehte sie ihn an. „Laß mich gehen.“ Er grinste amüsiert. „Du willst mich doch auch, ich kann es spüren“, sagte er beharrlich und schaute tief in ihre blauen Augen. Er hatte Recht mit seiner Äußerung. Dennoch schüttelte sie ihren Kopf und wiederholte fehlend ihre Bitte.
„José, laß mich gehen.“ Er zögerte und genoss es noch einen Moment länger, ihren attraktiven Körper unter seinem zu spüren. Dann erst stand er auf und verließ den Bus. Sie folgte ihm mit ihrer Jacke in der Hand. „Du bist unmöglich“, schimpfte sie mit ihm, nachdem er den Bus abgeschlossen hatte.
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