„Papa“, sagte sie nun „Ben will, dass ich mit ihm segle. Aber ich mag doch gar nicht segeln. Ich bin doch nur wegen ihm segeln gegangen. Eigentlich habe ich Angst vor diesem Sport.“ Ihre Eltern nickten verständnisvoll. Segeln war auch keine Sportart für sie.
Henri grinste. Er erinnerte sich daran, dass er Cassandra einmal mitgenommen hatte, zu einem Segeltörn auf der Außenalster. Er hatte ihr alles erklären müssen und aufgepasst, dass ihr nichts geschehen konnte. Doch er hatte schon damals gemerkt, dass dieser Sport nichts für sie war.
„Was mache ich denn jetzt?“ Isabella stellte diese Frage an alle drei Familienmitglieder. „Mmm“, meinte ihr Vater. „Du wirst es ihm wohl erzählen müssen.“ Sie nickte. „Papa, das habe ich schon. Doch er will nicht auf seine Weltumsegelung verzichten.“ Neue Tränen traten in ihre Augen. Dann sagte sie mit zitternder Stimme. „Er verzichtet lieber auf mich. Wir haben uns getrennt.“ Weinend warf sie sich in die Arme ihrer Mutter.
Cassandra umarmte sie liebevoll und streichelte ihr tröstend über den Rücken. Sie sah sehr besorgt aus. René und Henri erging es nicht anders. Mit betretenen Minen sahen sie Cassandra an. Alle drei waren sie ratlos. Wie sollten sie Isabella jetzt helfen? Was konnten sie ihr raten? Ben hatte einmal wieder bewiesen wie unstet er doch war. Er liebte Isabella. Daran gab es keinen Zweifel. Doch der Drang alles mitzunehmen was sich ihm bot, verhinderte, dass er mit dem glücklich wurde, was er hatte.
Die folgenden Wochen bis zum Umzug nach Mexiko verbrachte Isabella an der Uni, beim Lernen in ihrer Studentenwohngemeinschaft oder bei ihrer Familie. Von Ben war nicht mehr die Rede. Zu sehr litt Isabella unter der Trennung von ihm. Dennoch freute sie sich nicht auf den Umzug nach Mexiko. Sie hatte Angst Enrique wieder zu sehen, da sie ihn enttäuscht und zurückgewiesen hatte. Sie ahnte nicht, wie sehr er sich auf ein Wiedersehen mit ihr freute. Er war krank vor Liebe und Sehnsucht nach ihr gewesen. Jetzt wollte er sie unbedingt zurück, obwohl er noch keine Liebesbeziehung mit ihr gehabt hatte.
Der Abschied von ihrer Heimatstadt Hamburg kam dann doch schneller als Cassandra gedacht hatte. Es fiel ihr schwer ihre Eltern und ihre Freunde in Hamburg zurück zu lassen. René erging es nicht anders. Aber sowohl Lissi und Robert als auch Sabine und Jürgen hatten versprochen sie und ihre Enkelkinder in Mexiko zu besuchen. Emilie und Christian wollten ebenfalls nach Mexiko kommen, um sich das Land, die Leute und natürlich den neuen Wohnort von Cassandra und René anzuschauen.
Im Flugzeug schlief Cassandra erschöpft ein. Sie hatte zusammen mit Henri die gesamte Planung ihres Umzuges übernommen und war dementsprechend angespannt und nervös gewesen bis zur letzten Minute. René hatte ihr nicht helfen können, da die Bank ihn bis zum letzten Tag in Hamburg brauchte. Daher hatte er vollstes Verständnis für die Erschöpfung seiner Frau. Er fragte nach einer Decke für sie, die er dann liebevoll über sie ausbreitete und ließ sie dann in Ruhe schlafen.
Cassandra erwachte erst als René ihr einen zärtlichen Kuss gab und sie fragte, ob sie frühstücken wolle. Verschlafen und irritiert sah sie ihn an. Er grinste und küsste sie erneut. „Ja, ich möchte frühstücken“, sagte sie nun zögernd. Dann setzte sie sich auf und klappte das Tischchen vor sich herunter. „Du hast nach dem frühen Abendessen gestern, den ganzen Flug über geschlafen“, erklärte ihr nun René mit einem Schmunzeln im Gesicht.
Sie sah in ungläubig an. „Ich kann mir jetzt nicht vorstellen in kürze aus dem Flugzeug zusteigen und mexikanischen Boden zu betreten. Ich bin gefühlsmäßig immer noch in Hamburg. Ich, ich habe Angst.“ Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee und sah René ängstlich an. Er nickte besorgt, da er wusste wovor sie Angst hatte. „Wir schaffen das“, sagte er mit Zuversicht und lächelte sie selbstsicher an.
Doch sein Herz schmerzte bei dem Gedanken, dass José ihm Cassandra erneut streitig machen könnte. Er war den ewigen Konkurrenzkampf mit José um Cassandra leid. Dennoch hatte er sich bewusst für diesen Auslandsaufenthalt entschieden. Die Aufgabe reizte ihn zu sehr. Er wollte sich noch einmal beweisen, dass er zum Manager taugte und Führungsaufgaben übernehmen konnte.
Nach der Gepäckausgabe steuerten Cassandra und René mit ihrer Familie direkt auf die Ankunftshalle zu. Erfreut bemerkte Cassandra, dass das Empfangskomitee nur aus ihrem Bruder Michael bestand. „Laß Dich umarmen, kleine Schwester.“ Michael ließ es sich nicht nehmen sie wie immer mit diesem Spruch zu begrüßen, um sie dann liebevoll zu umarmen. „Es ist so schön Dich zu sehen“, bestätigte sie ihm und ließ sich erneut umarmen.
Dann begrüßten sich die Männer. René sah man an, dass er froh war nur von Michael begrüßt und abgeholt zu werden. Henri atmete ebenfalls auf, da er nicht schon am Flughafen das Konkurrenzverhalten von René und José erleben wollte.
„Ich fahre Euch direkt zu Eurem Haus“, sagte Michael und grinste vielsagend. Dann ging er voran zum Kleinbus, den er im Parkhaus am Flughafen der mexikanischen Hauptstadt geparkt hatte und lud gemeinsam mit René das Gepäck ein.
Die Fahrt war lang, da gerade einmal wieder Hauptverkehrszeit war und Stau herrschte. René nutzte die Zeit und sah sich in der Stadt um. Cassandra beobachtete ihn und bemerkte schnell, dass er einen grübelnden Gesichtsausdruck annahm. Sie grinste, da sie wusste, dass er am Überlegen und Planen war, wenn er so aussah. Liebevoll legte sie ihre linke Hand auf seinen rechten Oberschenkel und lächelte zufrieden. Sie wusste, dass dieser Aufenthalt für ihn das Richtige war. Sie hoffte nur, dass auch alle anderen Familienmitglieder davon profitieren würden.
Nach einiger Zeit fuhren sie durch ein Wohnviertel mit großen Grundstücken hinter hohen Mauern. Bäume standen am Straßenrand und der Bürgersteig war breit genug zum Spazieren gehen. Wenige Autos kamen ihnen entgegen. Es war ganz offensichtlich ein ruhiges Viertel.
Dann bog Michael in eine Einfahrt ein und betätigte eine Fernbedienung, die auf dem Armaturenbrett des Kleinbusses lag. Ein Garagentor öffnete sich und gab den Blick frei in eine geräumige Doppelgarage, in der bis jetzt nur ein Auto stand. Michael parkte den Kleinbus neben dem Auto, während sich das Tor hinter ihnen wieder schloss und ließ alle aussteigen.
René wollte sich um das Gepäck kümmern, doch Michael stoppte ihn. „Das Gepäck ins Haus zu tragen ist die Aufgabe Deines neuen Chauffeurs. Er wird Dich im Haus treffen.“ René sah Michael irritiert an. Michael grinste und erklärte ihm. „Dein Chauffeur freut sich über jede Arbeit, die er für Dich erledigen kann. Er wird dafür bezahlt.“ René nickte.
Doch es irritierte ihn, sich von jemandem bedienen zu lassen. Allerdings wusste er, dass dies keine Bedienung im allgemeinen Sinn war, sondern zum festgelegten Tätigkeitsbereich seines Chauffeurs gehörte. Dieser Mann würde auch andere Dinge für ihn erledigen, wenn es notwendig war, wie zum Beispiel seinen Anzug aus der Reinigung holen oder Briefe zur Post bringen.
Als Cassandra neben René aus der Garage trat, blieb sie überrascht stehen und staunte. Das Haus, das Michael für sie ausgesucht hatte, war groß und stattlich. Es sah nicht aus wie das typische mexikanische Stadthaus, sondern eher wie eine deutsche Villa mit Satteldach. „Wow“, ließ Cassandra sich vernehmen und fragte Michael sofort nach den Eckdaten des Hauses, während sie zwischen ihm und René auf das Haus zuging.
„Der Garten den ihr hier seht ist gut 1.200 qm² groß, das Haus hat 200 qm² Wohnfläche. Ihr habt 8 Räume, drei Bäder und ein wirklich großes Wohnzimmer. Aber wartet bitte einen Moment. Ich werde Euch gleich alles zeigen.“
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