1 ...6 7 8 10 11 12 ...18 „Signor Ventucelli?“
„Ja! Der bin ich!“
Felipe reichte dem Mann die Hand, der über derart persönliches Verhalten ihm gegenüber etwas irritiert zu sein schien. Dennoch erwiderte er Felipes Handschlag.
„Monsignore Holzenberg schickt mich, Sie zu ihm, in seine Diensträume zu bringen. Er bittet Sie zu entschuldigen, dass er Sie nicht persönlich begrüßen kann.“
„Schon vergessen!“ Felipe klopfte dem Mann auf die Schulter. „Dann lass uns mal zum Kardinal fahren!“
Der Chauffeur schaute Felipe verblüfft an.
Mein Gott! Hat der nen Besen verschluckt, so steif wie der ist? , dachte sich Felipe.
Der Chauffeur wollte ihm gerade die Tür zum Fahrgastbereich öffnen, als Felipe auch schon die Beifahrertür geöffnet hatte und Platz nahm.
„Ähm..., Signor Ventucelli?“, sagte der Fahrer kleinlaut und hielt noch immer die Tür geöffnet. Felipe schaute ihn lächelnd an.
„Sehe ich etwa aus wie der Kardinal? Ich bin hier ein genauso kleines Licht wie Sie!“
„Wie Sie meinen!“
Der Mann schlug die Tür zu, die nur leise, einem Windhauch gleich, kaum hörbar ins Schloss fiel.
Ach deutsche Autos sind doch was feines! , dachte sich Felipe.
Der Chauffeur setzte sich hinters Steuer und fuhr, stur nach vorne schauend, los.
Felipe musterte ihn. Er war ein Durchschnittstyp, von etwa fünfzig Jahren. Er hatte schwarzes Haar mit leichten grauen Ansätzen an den Schläfen und war glatt rasiert. Nicht ein Bartstoppel war zu sehen.
Wie lange der wohl jeden Morgen für eine derart gründliche Rasur braucht?
Er war weder dick noch schlank. Noch zeigte überhaupt irgend etwas an ihm etwas Markantes. Sein Gesicht war absolut gleichmäßig, eben gewöhnlich! Weder hatte er eine Knollennase noch eine lange spitze Nase, wie Holzenberg. Seine Lippen waren weder dünn noch übermäßig definiert. Er hatte auch keine hohe Stirn, nichts! Stünde dieser Mann auf dem Petersplatz, über den sie gerade fuhren, in zivil mit zwei anderen Personen, man würde ihn glatt übersehen!
„Mein Name ist übrigens Felipe! Wir werden künftig wahrscheinlich häufiger miteinander zu tun haben!“
„Ich bin Signor Balduci!“, erwiderte dieser teilnahmslos, auf die persönliche Annäherung seitens Felipe in keinster Weise eingehend.
„Na Klasse! Seid Ihr Angestellten hier alle so gesprächig?“
„Falls Sie es vergessen haben, der heilige Vater ist vorgestern verstorben!“
Ach Du meine Güte! Sind hier etwa alle streng gläubige Katholiken und stehen unter kollektiver Trauer?
„Entschuldigen Sie Signor Balduci! Ich wusste nicht...!“
„Schon vergessen!“
Da! Tatsächlich! Ein Lächeln huschte über Balducis Lippen.
„Dann lassen Sie uns mal zum Kardinal fahren!“
Felipe musste lachen.
Der hat ja sogar Humor!
Der Wagen hielt vor dem Haupteingang des Papstpalastes.
Also doch! Ahnte ich´s doch! Ein Mensch allein kann ein so riesiges Gebäude nicht allein bewohnen!
Balduci stieg aus und Felipe folgte ihm. Der Chauffeur führte Felipe, der neben ihm her lief über mehrere Treppen und Korridore, die mit einer Vielzahl von Gemälden von verschiedenen Geistlichen geschmückt waren. Felipe konnte nicht sagen ob das alles ehemalige Päpste waren oder nicht. Irgendwann blieb Balduci vor einer zweiflügligen Tür stehen.
„Wir sind da! Warten Sie einen Moment hier!“
Der Chauffeur öffnete die Tür aus schwarzem reich verziertem Holz nur einen Spalt und verschwand dahinter. Die Tür war wohl schalldicht, Felipe hörte nichts von drinnen. Nach nur wenigen Sekunden öffnete sich die Tür wieder lautlos. Felipe schaute sich gerade das Gemälde irgendeines Geistlichen an.
„Seine Eminenz lässt nun bitten!“, sagte Balduci leise und Felipe schoss herum, weil er den Chauffeur nicht hat kommen hören.
„Oh das ist gut! Ich brenne darauf mit ihm reden zu dürfen!“
Felipe ging an Balduci vorbei durch die nur angelehnte Tür und betrat das riesige Büro des Kardinals, welches bestimmt doppelt so groß war wie das von Campresi. Das große Zimmer war reichlich geschmückt mit Gemälden und strotzte nur so vor antiken, scheinbar sündhaft teuren Möbeln. Ob das nun eine riesige, in Eichenholz gefasste, Vitrine, mit einer Vielzahl Ornamenten war, oder ein fast schwarzer, reichlich verschnörkelter, Stuhl oder der schon gigantische Schreibtisch mit seinem wuchtigen Stuhl dahinter, in dem Kardinal Holzenberg saß. Dieser Stuhl hatte schon mehr Ähnlichkeit mit einem Thron als mit einem Bürostuhl.
Demut und Bescheidenheit sieht für mich anders aus! , dachte sich Felipe.
„Ah! Signor Ventucelli! Da sind Sie ja!“ Holzenberg erhob sich ein wenig von seinem Thron, ohne wirklich aufzustehen und winkte zu dem fast schwarzen Stuhl. „Nehmen Sie platz! Ich bin gleich für Sie da! Ich muss nur noch eben ein paar Dokumente abzeichnen.“ Er schaute einen Moment auf seine Papiere um gleich wieder aufzuschauen. „Möchten Sie einen Kaffee trinken?“
Felipe setzte sich und stellte seine Aktentasche neben sich auf den Boden.
„Mit bestem Dank! Aber ich habe heute Morgen schon genug Kaffee getrunken. Machen Sie ruhig Ihre Sachen fertig. Ich habe Zeit!“, antwortete Felipe höflich.
„Das ist nett! Ich bin gleich fertig!“, antwortete Holzenberg, bereits wieder im Studium seiner Unterlagen vertieft.
Felipe sah zu einem Balkonfenster heraus und stellte fest, dass man von hier aus den kompletten Petersplatz überschauen konnte. Holzenberg hätte ihn durchaus kommen sehen können!
Schon bald würden sich dort draußen tausende Menschen drängen um zum einen dem verstorbenen Papst ihre letzte Ehre zu erweisen und um der geheimnisvollen Papstwahl, dem Konklave, beizuwohnen. Doch im Moment war er nur von diesen besagten unzähligen Tauben bevölkert.
Felipe wurde langsam ungeduldig. Der Kardinal wollte nicht fertig werden! War es Zufall? Oder war es Absicht, irgendein psychologischer Trick? Wenn ja warum? Warum wohl, wenn denn dem so wäre, musste Holzenberg vor ihm so den Chef heraus hängen lassen in dem er ihn warten ließ? Es müsste ihm doch ein Anliegen sein, dass die Aufklärung des Papstattentates so früh wie möglich begann. Felipe war etwas verwundert, verschränkte die Arme vor der Brust und schlug die Beine übereinander, so dass es Holzenberg mitbekommen musste, dass Felipe damit begann sich zu langweilen.
Holzenberg sah kurz auf und schlug mit einem kurzen „Ja!“ die Mappe zu. Er schaute Felipe an, der sich sogleich gerade hinsetzte.
Erstaunt stellte Felipe fest, dass der Kardinal ohne eine besondere Ermahnung das Verhältnis zwischen Holzenberg und Felipe klar definiert hat. Holzenberg hatte ohne ein Wort zu Verstehen gegeben, dass er doch bitte die Richtung vor gab und nicht Felipe! Was sollte das?
Felipe begriff, vor Holzenberg musste er sich in acht nehmen!
„Signor Ventucelli! Ich würde sagen, es kann los gehen. Ich habe mir die Freiheit genommen und uns einen Flug nach Igoschetsien gebucht. Wir werden heute Nachmittag abfliegen. Ich denke mal, das ist auch in Ihrem Interesse.“
Der Kardinal lächelte Felipe wie ein gnädiger König, der einem Bettler einen abgenagten Knochen hin geworfen hat, entgegen.
„Durchaus! Hätten Sie es nicht schon getan, wäre dies meine erste Bitte gewesen. Wir müssen die Spuren und Hinweise am Tatort, sind sie auch noch so klein, auswerten, solange sie noch warm sind.“
Ich muss irgendwie das Steuer zurück gewinnen! Hatte ich es denn schon einmal?
„In der Zwischenzeit möchte ich, wenn es denn möglich ist, das persönliche Umfeld des Papstes kennen lernen. Wenn Sie zeitlich zu sehr eingebunden sind, könnten Sie mir vielleicht einen abkömmlichen Mitarbeiter zur Seite stellen, der mir alles zeigt?“
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