„Was ist denn los?“
Lorella war jetzt richtig wach.
„In ein paar Minuten klingelt der Chauffeur eines Kardinals bei uns. Zieh dir besser gleich was über mein Schatz! So was hübsches wie dich ist er wahrscheinlich nicht gewöhnt!“
Felipe stellte sich die hübsche Lorella vor, wie sie gerade splitterfasernackt auf dem Flur vor dem Telefon steht.
„Wenn du es noch nicht gemacht hast, packe gleich noch ein paar Reisesachen für mich zusammen, schnappe dir einen Schreibblock und Schreibzeug und fahre mit dem Chauffeur hier her zu mir in den päpstlichen Palast. Alles…“
„In den päpstlichen Palast??? Oh mein Gott!! Was zieh ich denn da an!!?“, quietschte Lorella panisch.
„Du machst das schon. Trage aber nicht so dick auf. Ich glaube mit so einem sexy Girl wie dir kommen die Priester hier nur schwer zurecht. Außerdem trauern die hier gerade alle. Komm erst mal her! Alles weitere erkläre ich dir dann hier. Machst du das?“
Bischof Warren betrat die Bibliothek. Felipe winkte, etwas Geduld verlangend, ab und unterhielt sich weiter mit Lorella. Bischof Warren schaute verdrießlich drein.
„Ja natürlich! Also Reisetasche, Schreibblock und Schreibzeug! Alles klar!“, bestätigte Lorella noch einmal.
„Oh du bist ein Schatz!“
„Ich weiß!“
„Also bis nachher! Ich liebe dich!“
Felipe trennte das Gespräch und steckte das Handy weg.
„Ah Bischof Warren! Vielen Dank, dass Sie sofort kommen konnten. Wann werden Sie voraussichtlich mit der Reinigung und Renovierung der päpstlichen Wohnung fertig sein?“
„Voraussichtlich übermorgen!“, antwortete Warren verwundert und nicht wissend worauf Felipe hinaus wollte.
„In Absprache mit seiner Eminenz Kardinal Holzenberg…“, flunkerte Felipe ein wenig „…werden Sie die Bibliothek bis übermorgen unberührt lassen. In ein paar Minuten kommt meine Assistentin und wird einige Spuren und Indizien sichern.“
Warren schaute Felipe ungläubig an.
„Assistentin? Sie nennen Ihre Assistentin Schatz?“
„Oh ja!“, beteuerte Felipe. „Wir haben ein unglaublich persönliches Arbeitsverhältnis!“ Felipe grinste Warren breit an. „Auf jeden Fall bleibt die Bibliothek bis übermorgen gesperrt! Niemand außer meine Assistentin darf sie betreten! Ich freue mich über Ihr mir entgegen gebrachtes Verständnis.“
„Ja aber…“, wollte Warren protestierend einwenden.
„Ich muss auch schon wieder weiter machen!“, schnitt ihm Felipe das Wort ab, keine Widerrede gelten lassend. „Sie wollen doch in zwanzig Minuten mit Ihren Leuten wieder weiter machen!“
Felipe drehte sich um und widmete sich einigen Bücherreihen in den Regalen.
Entrüstet aber schweigend verließ Warren die Bibliothek ohne jedes weitere Wort.
Felipe rieb sich entzückt die Hände, als er sich die Bücherreihen so ansah. Fast alle Bücher standen fein säuberlich ausgerichtet im Regal. Und auf den Oberkanten der Seitenstapel hatte sich eine leichte Patina aus Staub abgesetzt, aber eben nur auf fastallen Büchern! Einige Bücher tanzten etwas aus der Reihe, standen mal etwas weiter nach hinten oder vor und hatten nur eine dünnere oder gar keine Staubpatina auf der Oberkante der Seitenstapel.
Nach Auswertung aller betreffenden Bücher und ihrer Spuren konnte Felipe ungefähr ablesen womit sich der verstorbene Papst in der letzten Zeit vor seinem Tod beschäftigt hat. Ob diese Informationen von Wichtigkeit waren, würde sich später zeigen. Später wurde die Spreu vom Weizen getrennt. Jetzt, zu Beginn der Ermittlungen waren alle Informationen von und über das Opfer wichtig!
Da Felipe aus eigener Erfahrung wusste was das Abstauben hunderter Bücher für eine müßige Arbeit war, wusste er auch, dass man sich diese Arbeit nicht jede Woche machte. Bestenfalls nahm man sich die Bücher alle paar Monate vor, wenn überhaupt!
Wenn sich Felipe den Staub auf den nicht bewegten Büchern so ansah, schätzte er, dass der letzte Staubwisch vor ein paar Monaten stattfand, vielleicht beim letzten Frühjahrsputz!
Doch leider, musste Felipe feststellen, war der verstorbene Papst ein sehr emsiger Leser. Allein in der Regalreihe die sich Felipe gerade betrachtete, erkannte er fünf in Frage kommende Bücher. Und es gab hier viele Regalreihen, sehr viele Regalreihen!
Hier würde Lorella ins Spiel kommen. Als angehende Journalistin, die gerade ein Volontariat sucht, war sie überaus begabt, Beweise und Indizien zu sichten und zu bewerten.
Bliebe einzig noch das Problem, wie Felipe ihr den Sinn und die Notwendigkeit dieser doch recht stupiden Aufgabe vermitteln sollte, ohne ihr zu verraten, dass der Papst nicht einfach so gestorben ist. Da würde Felipe wohl, auch wenn ihm das nicht gefiel, die Situation auf sich zu kommen lassen und entsprechend reagieren müssen. Er hasste es unvorbereitet eine Sache anzugehen!
Felipe schaute sich die beiden Türen zur Bibliothek an. In beiden steckten Schlüssel. Kurzerhand verschloss er die Tür die zu dem „Fernsehzimmer“ führte von innen und steckte den Schlüssel ein. Durch die andere Tür, die zurück auf den Flur führte, verließ er die Bibliothek und verschloss auch diese Tür. Er steckte den Schlüssel ein und suchte das nächste Zimmer auf. Es war das Schlafgemach. Aber hier war nichts zu erkennen. Hier hatte die Putzkolonne bereits ganze Arbeit geleistet. Alles war picobello sauber, nichts lag herum, die Möbel waren perfekt zueinander ausgerichtet, wahrscheinlich wie es irgendein Protokoll vor schrieb, und das Bett war frisch bezogen. Auf dem Nachtschränkchen lag unter einer kleinen grünen Nachttischlampe eine nagelneue kleine Bibel. Ebenso verhielt es sich mit dem Bad und dem WC. Es war alles clean! Gab es da nur noch ein Zimmer, welches Felipe, als er es betrat, als eine Art Wohnzimmer deutete.
In ihm stand eine Couchgarnitur, die man ihrem Stil nach eher in die 60er oder 70er Jahre gelagert hätte. Daran merkte Felipe, dass dem verstorbenen Papst nur wenig an modernem oder luxuriösem Ambiente lag. Scheinbar versuchte er auch im Privatleben, wenn es denn so was für einen Papst überhaupt gab, die Ideale der Kirche zu leben. Auch das übrige Mobiliar wirkte auf Felipe eher altbacken. Ansonsten hatten auch hier die Putzteufel schon ganze Arbeit geleistet. In der Mitte des Raumes standen noch vier große Plastikkisten mit allerlei belanglosem persönlichem Krams des verstorbenen Papstes herum. Felipe schüttelte säuerlich den Kopf. Würden diese Gegenstände noch immer da stehen und liegen, wo sie das Opfer zuletzt gelassen hat, könnte man eine Fülle an Informationen und Schlussfolgerungen sammeln. Beispielsweise waren in einer der Kisten eine Unmenge an Gläsern. Da waren Sektgläser, Weingläser, Weinbrandgläser ja sogar Whiskeybecher und auch neutrale Trinkgläser zu sehen. Allein auf Grund ihrer Anordnung im Schrank hätte Felipe Mutmaßungen über die alkoholischen Vorlieben, sofern es denn welche gab, ziehen können. Hätten unter Umständen noch irgendwo ein paar leere Flaschen herum gestanden, hätte man daraus Schlüsse über eine eventuell vorhandene Trunksucht ziehen können.
Ja gut! Hallo!? Der Papst!? Aber so lief das eben bei Ermittlungen!
So war der ganze persönliche Kram in den Kisten eben nur persönlicher Kram ohne „Geist“ und würde in diesem Archiv wohl verrotten. Einzig ein Stapel persönlicher Fotos erschienen Felipe interessant. Aus Zeitgründen sichtete er sie nicht großartig, sondern steckte sie als Stapel in seine Aktentasche. Er gelobte sich, diese Fotos bei Abschluss der Ermittlungen wieder den übrigen persönlichen Gegenständen zukommen zu lassen.
Felipe verließ wieder das Wohnzimmer und traf dort auf den wartenden Pierchout.
„Na, Signor Ventucelli? Sind Sie in Ihren Ermittlungen voran gekommen?“, fragte er ohne eine konkrete Antwort zu erwarten.
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