Mercedes kann unser Leck reparieren und wahrscheinlich mit weniger Aufwand als die Leute von Charleston. Ein Ersatzteil muss aber in Europa besorgt werden, wir müssen also bis etwa Donnerstag warten, müssen aber nicht, wie ursprünglich befürchtet und geplant, mehrere Tage ins Hotel, die Reparatur kann in einem Tag erledigt werden.Wir haben vorher Hotels gegoogelt und dazu widersprüchliche Besucherurteile: 'Wanzen! Dealer und Nutten treffen sich vorm Haus. Mir wurden Sachen aus meinem Zimmer gestohlen. Freundlicher Service. Hübsches, sauberes Hotel.' Wie gut, dass wir dieser Entscheidung enthoben sind. Die Leute von Mercedes Baton Rouge rufen sogar bei Mercedes in Berlin an, damit die die Kosten übernehmen und mit Baton Rouge abrechnen, damit wir gar nichts zu zahlen haben. Gwyn (alle stellen sich hier mit Vornamen vor) versucht sogar rauszukriegen, wo wir ein zweites E-Book kaufen können, das dauert Stunden, aber wir können ihre Hilfsbereitschaft auch nicht bremsen. Wir warten, die Fernseher laufen, auf dem einen Kanal nur Sport samt Interviews, auf dem anderen irgendwelche Talkshows. Zum Schluss verabschiedet Gwyn Kristel mit einer Umarmung und überreicht ihr ihre Karte, Kristel möge sie jederzeit anrufen, wann immer sie irgendein Problem habe.
Wir begeben uns nach erfolgreichem E-Book-Kauf mit Hilfe unseres neu erworbenen Navis auf nicht ganz so erfolgreiche Campingplatzsuche und landen, nachdem 2 Angebote auf der nördlichen Mississippiseite uns nicht behagen, zum zweiten Mal an der Oak Alley Plantation, wo wir ruhig auf dem Parkplatz stehen, um uns morgen auf dem zugehörigen Stellplatz niederzulassen.
Gestern schon waren Wolkenbrüche unterwegs, nachts viel Regen, heute nun wird es endlich bei Nordwind kühler. Was war das anstrengend in letzter Zeit! Wir besichtigen auch dieses Schloss im Greek-Revival-Stil, hier darf fotografiert und gefilmt werden.
Oak Alley Plantation ist benannt nach seinen 300 Jahre alten Virginia Eichen, gepflanzt lange bevor der kreolische Zucckerrohr-Plantagenbesitzer Jaques Telesphore Roman diese Plantage mitsamt 60 Sklaven seiner 17 Jahre jüngeren Braut zum Geschenk machte. (Die hübschen Töchter aus reichem Hause wurden wohl nur an Bewerber vergeben, die schon einigen Reichtum vorweisen konnten.) 1839, nach 3 Jahren, war das Domizil im Greek Revival Style fertiggestellt, natürlich ausgestattet mit Möbeln, Kronleuchtern, Geschirr vom Feinsten aus den Vereinigten Staaten und Europa, um einen leuchtenden gesellschaftlichen Mittelpunkt darzustellen und zu leben. (Um 1850 lebte im unteren Mississippi-Tal zwischen New Orleans und Natchez mehr als die Hälfte aller amerikanischen Millionäre.) Der Hitze wurde man in den Häusern Herr, indem man die Hälfte der Außenwände in große Türen und hohe und bis zum Boden reichende Fenster verwandelte, um das Haus herum führten natürlich die Säulen bestandenen Balkone und Veranden. Im Speisesaal schwebt hier über der Tafel ein großes rotes Segel, das von einem Sklaven mittels einer Seilvorrichtung in Schwingung gehalten wurde, um den Herrschaften beim Dinieren zu fächeln.Und indem man noch mehr Virginia Eichen pflanzte (heute Baby Oaks genannt), alle mittlerweile mit Farnen und Flechten besetzt. Auf einige dieser Eichen wurden Pecanschößline gepfropft, die Früchte ernteten großen Erfolg 1876 bei der Hundertjahr Ausstellung in Philadelphia. Jaques Roman konnte sein elegantes Leben hier nicht sehr lange genießen, 1848 starb er an Tbc. Seine Frau, eine echte Southern Belle, verstand nichts vom Wirtschaften, nur vom eleganten Leben in unpraktischen Roben mit Fischbeinunterröcken und vom sich Bedienenlassen (und dem pflichtgemäßen Kinderkriegen, hier 6 an der Zahl), so dass das ganze Anwesen mitsamt Inventar 1866 versteigert wurde. Erfolg und Misserfolg der folgenden Besitzer ließen das Anwesen durch viele Hände gehen, heute ist es eine Stiftung. Vor dem Eingangstor halten jezt die Reisenden auf der Durchreise, um einen Blick auf die malerische Eichenallee und das am Ende liegende Haus werfen zu können. Wir hingegen stehen hinter dem Anwesen, mit Wasser-und Stromanschluss, und prächtigem Blick auf die golfähnlichen grünen Rasenflächen und schon meterhohen Zuckerrohrfeldern (allerdings ohne Facilities, für 33Dollar pro Nacht) und warten darauf, dass Mercedes Baton Rouge das Ersatzteil für unsere Reparatur geliefert bekommt.
Heute nun ist es endlich so weit. Das coolant manifold (Verteilerteil für die Schläuche?) ist da. Wir können die Reparatur – anders als in Deutschland-im edlen Ambiente der Mercedesniederlassung lesend und hin und wieder auf einen der drei Fernsehschirme schauend abwarten. Zeit muss man dafür natürlich schon mitbringen, aber warten müssen wir ja eh. Auf den Bildschirmen sieht man die ständig grinsenden Fressen der weiblichen Interviewer, interviewt wird über jeden unbedeutenden Scheiß. Die spärlichen politischen Nachrichten bestehen aus ein paar Sätzen zum Wahlkampf, zu Trevor Martin (dem von einer privaten Guard erschossenen schwarzen Jugendlichen), dann-live- und in endloser Wiederholung, wie ein Privat-Pkw von 10 Polizeiautos gestellt und der Fahrer abgeführt wird. Am späten Mittag wird es uns dann doch etwas langweilig und kalt im Airconditioning, wir erkunden die Umgebung nach Essbarem, werden in einem mexikanischen Restaurant fündig. Dann die Übergabe des Autos: alles auf Garantie, und auch noch gewaschen. Ein Glück, dass wir die Reparatur hier und nicht in Charleston machen ließen, hier war man schon bei der ersten Diagnose kompetenter und war in der Lage, die Garantie von Mercedes Deutschland zu organisieren. So blieb uns ein mehrtägiger Aufententhalt in zweifelhaften Motels erspart.
Nach dem Einkaufen ist es schon 17 Uhr. Die Reise kann weitergehen. So sehr der Break anfangs willkommen war, macht sich jetzt wieder Reiseungeduld breit angesichts des vor uns liegenden Programms. Weit kommen wir heute natürlich nicht mehr. In dieser Gegend wird Reisanbau betrieben, daneben völlig überschwemmte Flächen, die der Krebszucht dienen. So oder so: für Mücken ist gesorgt. Die Autobahn vor Lafayette: 50 km wieder über Betonstelzen, die im Wasser stehen, daneben dichter Urwald. Ab und zu gehen von dem Kanal, über dem die Autobahn schwebt, andere Kanäle ab; dann geht die Autobahn durch überschwemmtes Land, aus dem ganz normale Nadelbäume ragen – Mangroven können es nicht sein. Unweit hinter Lafayette biegen von der Autobahn ab nach Norden und finden neben einem Bagger doch tatsächlich ein Plätzchen: na also, es geht doch.
Es ging nur bedingt. Um 01:30 in der Nacht kommt ein Tanklaster und tankt den Bagger neben uns auf. Arbeitszeiten sind das! Das lässt für den nächsten Morgen Stress erwarten, der dann auch eintritt: Um 7:30 Uhr tauchen Hispanics auf, die schon mal anfangen, mit dem Bagger hinter uns zu rumoren, dann der weiße Vorarbeiter mit Texashut, könnte J.R. oder ein Sheriff sein; ihm ist ganz offensichtlich nicht geheuer, dass da jemand unkontrolliert und ohne Sicherheit rumsteht, so ganz unamerikanisch. Er habe uns schon am Abend vorher bemerkt. Mann, ganz Amiland ist eine einzige neighbourhood-watch area.
Großer Schlag nach Texas, 750 km. Bis Houston ist noch Gulf Coast Region, d.h. Ölindustrie, d.h. unspannend. Von Houston bleibt in Erinnerung: die imposante Skyline des Zentrums und ein Werbeplakat: "Houston, we have the solution."
Zwischen Houston und San Antonio enttäuscht Texas meine Erwartungen: keine unendlich weiten Prärien, auf denen große Rinderherden grasen, sondern ein leicht gewelltes Land, größtenteils mit Busch bestanden und nur wenigen Wiesen zwischendrin; die aber sind bunt von Frühlingsblumen. Nach San Antonio wird es flacher und großflächige Landwirtschaft taucht auf: Mais, Getreide, das jetzt, im April, schon golden und kurz vor der Ernte ist. Zwischen Houston und San Antonio fuhren wir eine halbe Stunde durch Platzregen unter finstersten Wolken; nach San Antonio hat der Wind auf Nord gedreht, er bringt trockene und kältere Luft vom Festland; die Schwüle hat ein Ende.
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