Der hört sich gern selber reden.
- Das Erdgas wird uns zusätzlich 55 Millionen Dollar Umsatz generieren, macht also zusammen 235 Millionen Dollar. Täglich! Bei so einem idiotensicheren Geschäft, da müsste schon jemand die Erfindung des Jahrhunderts machen, um fossile Brennstoffe zu ersetzen. Und selbst dann dauerte es noch Jahre, bis die Wirtschaft darauf umgestellt hätte.
Kleingarten sieht immer noch nicht aus, als wäre er zufrieden damit, der Doktor muss nachlegen.
- Ich weiß, Umsatz ist nicht Gewinn.
Der Doktor zeigt wieder aufs Slide.
- Ich will, wie Ihr Ausschuss, Herr Stahl, davon ausgehen, dass ein Konsortium, das die turkmenischen Quellen kaufen und erschließen wird, Betriebskosten von ca. 70 Millionen Dollar am Tag hätte, zuzüglich der Abgabe an die turkmenische Staatskasse in Höhe von 10% des Gesamtumsatzes. Ich hoffe übrigens, Ihre Leute haben Recht, und Turkmenistan wird sich mit 10% begnügen. Die Aserbaidschaner halten, laut Ihrer Überschlagsrechnung I, die Hand weiter auf und nehmen 30%. Nach allen Abzügen, die immens sind, landeten wir immer noch bei einem täglichen Gewinn von 140 Millionen Dollar. Und würden wir Partner dieses Konsortiums mit, sagen wir, 10 Prozent, wie in der Kalkulation, dann wären das 14 Millionen Dollar jeden Tag! Genug, um die Kredite für die Beteiligung zu tilgen.
Kleingarten sieht nicht glücklich aus, ihm flößen die Milliardensummen Respekt ein, es flimmert.
- Die jährlichen Ratenzahlungen von 5 Milliarden Dollar erscheinen auf den ersten Blick hoch, ebenso der durchschnittliche Schuldenzins von 10%, höher als die 7% für eine Beteiligung am ÖKK. Ist aber klar, das Risiko ist einfach größer in Turkmenistan. Deshalb haben wir hier nur den marginalen Restgewinn von 0,1 Millionen Dollar täglich. Unsere Kreditgeber werden erwarten, oder besser: uns in den Arsch treten, die Kredite wegen des höheren Risikos so schnell wie möglich zurückzubezahlen.
Seine Augen leuchten wieder, er hatte in der Zwischenzeit das Jacket abgelegt. Die Wärme des Raumes hat auch das Hemd des Wirtschaftsministers schnell trocknen lassen, seine Hose ist aber immer noch klamm.
- Und 9,3 Jahre, nachdem das erste Öl und Erdgas verkauft wurde, haben wir das auch geschafft: Der Kredit wäre abbezahlt - und danach kommen die fetten Jahre: 14 Millionen täglich auf unsere Konten, das sind bei 343 produktiven Tagen im Jahr 4,8 Milliarden Dollar! Da ist der Preis für Centrifugges Anteile, unserem Sprungbrett, mit 8 Milliarden Dollar nicht überbewertet.
Der Doktor hält den Ausdruck Stahls in der Hand und deutet auf die Kennzahlen. Stahl greift nach der Initiative, um nicht alles von ihm erklären zu lassen. Schließlich sind es seine Zahlen, bzw. die Überschlagsrechnungen seines Hauses.
- Danke, Herr Doktor, ich übernehme ab hier und gehe einen Schritt zurück, zur ersten Kalkulation. Haben Sie die? Haben Sie das ÖKK-Papier?
Stahl wartet kurz ab, bis alle das erste Papier vor sich haben.
- Nach Abzug von Betriebskosten und Abgaben an Aserbaidschan blieben, wie Sie sehen können, 18 Millionen Dollar übrig, und anteilig 20% davon sind 3,6 Millionen Dollar täglich. Nach Zins und Tilgung von 2,5 Millionen Dollar täglich blieben uns 1,1 Millionen Dollar täglicher Restgewinn - diesen hätten wir auf jeden Fall, sofort nach dem Eintritt ins ÖKK. Und mit diesen 1,1 Millionen Dollar könnten wir uns in die turkmenischen Quellen einkaufen, und deren Erschließung finanzieren, sprich den Bau der neuen Förderplattformen, der neuen Pipelines, und, wenn alles nach Plan läuft, könnte aus diesem Topf - zur Beruhigung der Aktienbesitzer der Ahorn AG - sogar ein Teil der Dividende finanziert werden.
Stahl sieht zum Doktor, der ihm dankend zustimmt, dass er sogar an seine Aktionäre gedacht hat. Er nimmt dies gleich zum Anlass, Stahl wieder abzulösen.
- Ja, wenn alles nach Plan läuft. Doch daran glaube ich! Und ich glaube, dass es für die turkmenischen Quellen nur EINE neue Gesellschaft geben wird, also ein unglaublich mächtiges Konsortium für Öl UND Erdgas. Somit ginge es in einem Aufwasch und wir hätten bei BEIDEN Rohstoffen Mitspracherecht! Wir können es schaffen, unsere Partner im ÖKK sind stark! Und selbst wenn wir nicht selber zum Zug kämen und keinen Anteil erhielten, sondern nur unsere Partner, so würden die turkmenischen Rohstoffe doch durch den Kaukasus gehen und wir würden mit fast 100%iger Wahrscheinlichkeit vom neuen Konsortium beauftragt, die neuen Pipelines durch Georgien zu bauen - durch unseren Abschnitt - und verdienten mindestens am Bau mit.
Kleingarten scheint hin- und hergerissen und kann nicht anders, als die beiden Worst-Case Szenarien miteinander zu kombinieren.
- Und was passiert, wenn mia uns mit den 20% ins ÖKK einkaufen, danach unerwartens ins Gschäft mit TurkmenGaschi kommen und nur ein Jahr nach dem Bau der sauteuren neuen Pipelines doch von Aschgabat enteignet werd'n? Und am End' die aserbaidschanische Ölqell'n doch friera versiegt ois die OPEC meint, die ja ois zum wiss'n glabt? Dann hamm mir fabelhafte 7,5 plus 29,1, oiso 36,6 Milliarden Dollar in' Sand einigsetzt! Und sitz'n auf rost'nd'n Rohren in Georgien. Und wie steh'n wir dann do vor de ander'n? Ja, wia steh' i dann do?
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Der Wirtschaftsminister reagiert als Erstes und glaubt, dass es Kleingarten in der Hauptsache ums Ego geht, um seinen Ruf - da kommen schnell Emotionen hoch. Er antwortet sofort, unbedingt noch vor Dr. Schönleben, bevor es sich wieder hochschaukelt.
- Herr Kleingarten, beim Worst-Case kann ich Sie beruhigen, der wird nicht eintreten. Die Aserbaidschaner arbeiten seit Jahren zuverlässig mit ihren Partnern im ÖKK zusammen. Ich will damit sagen, die vorausgesagten Fördermengen trafen bisher immer zu. Und sie gehen davon aus, dass ihre Ölleitung durch den Kaukasus noch mindestens 20 Jahre auf diesem hohen Niveau befüllt werden kann. Was aber immer sein kann, ist ein Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan. Und dann wäre tatsächlich die Leitung in Gefahr, weil sie sehr nahe am Krisengebiet Bergkarabach vorbeiläuft. Das wäre dann mein Worst-Case: Die Unterbrechung der BTC für Monate, vielleicht für Jahre. Und Worst-Case zwei: Ein neuer Krieg zwischen Russland und Georgien. Aber so schlimm ein Krieg auch wäre, es würde danach wieder weitergehen, die Leitungen wären bald repariert, das müsste man einfach aussitzen. Die Felder selber wären zu keinem Zeitpunkt in Gefahr, sie liegen offshore vor der Küste, da kommen die Armenier nicht ran. Auch ein mögliches Erdbeben in dieser Region würde nur die Leitung beschädigen, das Öl selber liegt nicht in einem tektonischen Graben.
Stahl schaltet sich ebenfalls ein, um Kleingarten zu beruhigen.
- Beide Worst-Cases kombiniert, der Mega-Worst-Case also, besitzen lediglich eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 0,25%, ein Vierhundertstel. Das kann man ausschließen.
Maiers Chef sagt das mit einer Ruhe und Sicherheit, die man nur mit viel Üben oder jahrelangem Krisenmanagement erlangen kann - Kleingarten ist inzwischen auf 110 runter.
- A zwoate und dritte Ölpipeline durch an Kaukasus is' klar - um die 3 Millionen Barrel zum Mittelmeer zum pumpen. Oba - wia kriegma des turkmenische Öl überhaupt nüber übers Kaspische Meer? Mit Tankern? Und wie werd des Erdgas transportiert? Da brauchts doch erst a Leitung, bei der Menge sogar zwoa Leitungen durchs Meer, oda? Und bau'n die a mia?
Der Wirtschaftsminister antwortet darauf und zeigt aufs Slide.
- Stahls Mannschaft hat in der 20-Jahres Kalkulation gleich die langfristige Lösung mit Pipelines am Meeresgrund vorgesehen. Kurzfristig gingen auch Öltanker. Fürs Erdgas jedoch ist eine Pipeline der einzig wirtschaftliche Weg, denn erst ein Erdgasterminal mit Kompressoren bauen und sich enorm teure Flüssigerdgastanker anschaffen, das kommt sehr sehr teuer.
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